"Drei Cent pro Kiste"
Bananen-Multi unterstützte Paramilitärs – die Opfer dürfen nicht vor US-Gericht klagen
Von Benjamin Beutler *
Der Chiquita-Konzern zahlte Abgaben an Kolumbiens rechte Todesschwadronen. Ein US-Gericht lehnte jetzt Klagen von Opfern wegen fehlender Zuständigkeit ab.
Das jüngste Urteil eines US-Gerichts zur Verantwortlichkeit amerikanischer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen im Ausland und deren Haftbarkeit im Heimatland sorgt für Kritik: Die Entscheidung des 11. Berufungsgerichtes in Miami vergangene Woche, eine Sammelklage Tausender Kolumbianer gegen den Bananen-Multi »Chiquita Brands International« mangels Zuständigkeit abzuweisen, sei »eine traurige Kapitulation«, so Jonathan Kaufman von der Menschenrechtsorganisation EarthRights International. »Es sollte klar sein, dass Opfer terroristischer Gewalt die Möglichkeit haben, ihren Fall vor US-Gerichte zu bringen, wenn ihnen durch die Taten eines US-Bürgers Schaden zugefügt worden ist«, kommentierte der Harvard-Jurist die knappe 2-zu-1-Entscheidung der Richter aus Florida.
Geklagt hatten über 4000 Hinterbliebene von Opfern rechter Paramilitärs in Kolumbien. Der Fruchtkonzern (ehemals »United Fruit Company«) – wegen seiner gewalttätigen Einflussnahme in »Bananenrepubliken« Mittel- und Südamerikas zu trauriger Berühmtheit gelangt – hatte von 1997 bis 2004 rund 1,7 Millionen US-Dollar an die lokalen Großgrundbesitzern nahestehende »Autodefensas Unidas de Colombia« (Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens – AUC) gezahlt. Bewiesen sind Zahlungen von Chiquita über die Tochterfirma Banadex. Drei US-Cent pro exportierter Bananenkiste gingen an die Paramilitärs. Auch Kokain soll in Chiquita-Kisten geschmuggelt worden sein.
Wegen brutaler Folter, Massakern an Zivilisten, Drogen- und Schutzgeldgeschäften landete die AUC nach ihrer Gründung 1996 schnell auf den Terrorlisten der USA und der EU. Wie aus veröffentlichten Chiquita-Dokumenten hervorgeht, floss Geld über »CONVIVIR«-Bürgerwehren an rechte Todesschwadronen. 1994 hatte Kolumbiens Regierung ein Gesetz zur Förderung legaler Milizen im Kampf gegen die links-marxistische FARC-Guerrilla verabschiedet. Danach kämpften Bürger, Paramilitärs und Armee in teils enger Abstimmung gegen linke Aufständische, die aus der Bauernbewegung hervorgegangen waren und für die Neuverteilung von Grund und Boden kämpfen.
Hand in Hand mit Konservativen zu arbeiten, ist eine bewährte Chiquita-Strategie. Einer der Väter der CONVIVIR-Einheiten, die später von AUC-Kämpfern unterwandert wurden, war der damalige Gouverneur von Antioquia und spätere Präsident Kolumbiens Álvaro Uribe. Die Chiquita-Plantagen in der Urabá-Provinz lagen im Herrschaftsbereich des Nachkommens einer Großgrundbesitzerfamilie. Tausende Dorfbewohner, Gewerkschafter und Gemeindevertreter, die im Verdacht standen, mit linken Guerilleros zu kooperieren oder sich gegen Plantagenbesitzer zu Wehr setzten, wurden von den »Paras« ermordet.
Vor dieser unheiligen Allianz konnte das US-Justizministerium die Augen nicht verschließen. Gegen die umtriebige Aktiengesellschaft wurde ein Verfahren eingeleitet. Der Schuldspruch lautete auf »Finanzierung einer terroristischen Vereinigung«. 2007 zahlte Chiquita in einem Vergleich 25 Millionen US-Dollar. Schnell warf man Beweislast ab: Banadex wurde verkauft. Nach einer von Uribe erklärten Amnestie lösten sich die AUC 2006 formal auf.
»Chiquita ist nicht verantwortlich für die tragische Gewalt, die Kolumbien widerfahren ist«, begrüßt Sprecher Ed Loyd das Urteil. Man habe im Bürgerkrieg Schutzgelder nicht nur an die AUC gezahlt, auch die linke FARC-Guerilla kassierte. »Das ist eine weitere Tragödie für die Kriegsopfer«, wundert sich Anwalt Paul Wolf aus Washington über die engstirnige Auslegung des Alien Tort Claims Act, dem Gesetz zur Regelung ausländischer Ansprüche (ATCA). »Ich fürchte, wir entwaffnen Unschuldige gegenüber amerikanischen Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen im Ausland begehen«, so Richterin Beverly Martin, die für die Zuständigkeit des Gerichts gestimmt hatte. Die Klägeranwälte kündigten derweil den Gang vors Oberste Gericht an.
* Aus: neues deutschland. Montag, 28. Juli 2014
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