Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Spurlos verschwunden

Kolumbianische Aktivistin wird nach Museumsbesuch in Quito vermißt

Von Lucho Espinoza Gonzales, Bogotá *

In Kolumbien und Ecuador suchen ihre Bekannten nach einer jungen Aktivistin der linken Studierendenbewegung. Die 22jährige Carolina Garzón wird seit dem 28. April vermißt. Als sie in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito die Wohnung ihrer Freunde verließ, bei denen sie untergekommen war, um ein Museum zu besuchen. Seither fehlt von ihr jede Spur. »In dem Fall gibt es viele mysteriöse Umstände. Ihre Freunde aus Quito beharren darauf, daß sie ins Museum ging. Aber sie hat weder ihr Notizbuch noch ihre Kamera mitgenommen, Gegenstände, von denen sie sich fast nie trennt«, erklärte ihr Vater Walter Garzón jetzt gegenüber Pressevertretern.

Der Polizeibericht erwähnt als Reisegrund nach Ecuador, daß die Lehramtsstudentin in Kolumbien aufgrund ihrer politischen Arbeit schwer beleidigt und »gebrandmarkt« worden sei. Ihre Mitstreiter halten deshalb einen politischen Grund für Garzóns Verschwinden für nicht unwahrscheinlich.

Die Arbeit der Linken in Kolumbien wird immer wieder durch Einschüchterungen, Drohungen und Morde nahezu unmöglich gemacht. Zwischen 1991 und 2006 wurden 2245 Gewerkschafter umgebracht, zumeist von Paramilitärs und Eliteeinheiten der Armee. Die angebliche Entwaffnung der Paramilitärs unter dem bis 2010 amtierenden Staatspräsidenten Álvaro Uribe, der selbst aus Kreisen der Paramilitärs stammt, hat sich im vergangenen Jahr als Betrug herausgestellt. Bauern berichteten damals, daß sie Geld bekommen hätten, um uniformiert an einen Tisch vorbei zu gehen, wo sie »ihre Waffen abgeben« sollten. Diese gefälschten Bilder benutzte Uribe als Beleg für die »endgültige Entwaffnung der Paramilitärs«. Auch Carolina Garzón wurde Zeugin, wie sich bei linken Demonstrationen Agenten der Paramilitärs einschleusen, um Aktivisten zu identifizieren und anschließend Schlägertrupps oder Mordkommandos auf diese zu hetzen. Die Untersuchungen zu solchen Vorfällen verlaufen meist im Sand. Auch nach dem Verschwinden Carolina Garzóns beschwert sich ihr Vater über nur zögerliche Ermittlungen. Deshalb wolle er nun versuchen, Druck auf die Medien und die Außenministerien von Kolumbien und Ecuador auszuüben, sagte er zu jW.

* Aus: junge Welt, Freitag, 11. Mai 2012


Zurück zur Kolumbien-Seite

Zurück zur Homepage