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Kolumbien: Paramilitärs in der Offensive

Friedensverhandlungen zwischen Regierung und FARC von Gewalt rechter Einheiten überschattet

Noch während sich der kolumbianische Präsident Andrés Pastrana und die größte Guerillagruppe des Landes, die Revolutionären Streitkräfte (FARC), am Wochenende auf eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche einigten, gingen die paramilitärischen Gruppen des Landes in die Offensive. Mitglieder der Internationalen Friedensbrigaden wurden in der Erdölstadt Barrancamermeja bereits Ende vergangener Woche von den »Autodefensas« bedroht.

Bei dem Überfall auf zwei Mitglieder der Friedensbrigaden soll einer der Paramilitärs die von der UNO anerkannte Friedensorganisation zum »militärischen Ziel« der rechten Einheiten erklärt haben. Nach Ansicht von Bettina Reis von der Deutschen Menschenrechtskoordination, in der auch die Friedensbrigaden organisiert sind, bedeutet die Drohung eine deutliche Verschärfung der Strategie. »Daß nun Ausländer offen bedroht werden, macht uns große Sorgen«, sagte Reis. Von der deutschen Regierung erwarte man sich in dieser Situation ein »klareres Vorgehen«.

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Mark wandte sich in einem offenen Brief an den kolumbianischen Präsidenten. Als besonders beunruhigend bezeichnet Mark die Tatsache, daß die Zwischenfälle sich ereigneten, nachdem der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte ebenso wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und verschiedene nationale und internationale Organisationen auf die Notwendigkeit des Schutzes von Menschenrechtsorganisationen hingewiesen hatten.

Trotz der erneuten Gewalteskalation trafen am Mittwoch erstmals nach drei Monaten wieder Vertreter von Regierung und FARC zu Friedensgesprächen zusammen. Bei den Gesprächen in der Ortschaft Los Pozos im Süden des Landes stehen die Verhandlungen um einen erneuten Waffenstillstand und einen Austausch von Gefangenen im Vordergrund. Aus internen Kreisen wurde bekannt, daß dabei nur noch die Konditionen ausgehandelt werden müßten. Die FARC übergab am Mittwoch 62 Kinder und Jugendliche, die in ihren Reihen gekämpft hatten, an die Behörden. Innerhalb von drei Jahren sollen sie wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden.

Pastrana hatte die Gespräche vom Wochenende als »äußerst produktiv« bezeichnet. Der Status der entmilitarisierten Zone wurde von ihm bis zum 9. November verlängert. Bis dahin soll auf Drängen der Guerilla vor allem die Eindämmung der paramilitärischen Gewalt auf der Tagesordnung stehen.

In Washington überwiegt indes die Kritik. Peter Romero, Staatssekretär der US-Regierung und Verantwortlicher für Lateinamerika, äußerte seine Befürchtung, die Guerilla könne sich »des gesamten Ostens des Landes bemächtigen«, wenn ihr kein Einhalt geboten würde. Die künftige Rolle Washingtons im kolumbianischen Bürgerkrieg soll während eines Treffens zwischen dem neuen US-Präsidenten George Bush und Andrés Pastrana am 27. Februar erörtert werden.

Harald Neuber

Aus: junge welt, 16. Februar 2001

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