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Signale aus Los Pozos

Kolumbiens Regierung und FARC beschlossen Gespräche über Waffenruhe

Was bis vor kurzem als unmöglich galt, ist nun offensichtlich in die Nähe gerückt. Inmitten einer bewaffneten Offensive, die die FARC-Guerilla vergangene Woche aus Protest gegen den Kolumbien-Besuch von US-Präsident Clinton startete, erklärten kolumbianische Regierung und Aufständische, am 22. September Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufzunehmen. Dies bestätigten die Konfliktparteien in einem gemeinsamen Kommuniqué am Sonntag. FARC-Chef Manuel Marulanda selbst hatte an dem Treffen in Los Pozos, einem Ort in dem für Friedensgespräche demilitarisierten und von den FARC kontrollierten Gebiet im Süden des Landes, teilgenommen. Vorausgegangen waren zweimonatige Vorverhandlungen zwischen Regierung und FARC, mit 12 000 Kämpfern die größte und schlagkräftigste Guerilla- Organisation des südamerikanischen Andenlandes.

FARC-Unterhändler Andres Paris stellte im Anschluß an das Treffen in Los Pozos klar, daß die vereinbarten Gespräche über eine Feuerpause kein besonderes Zugeständnis an die Regierung darstellen, sondern bereits verschiedenen Stellungnahmen seiner Organisation aus der Vergangenheit zu entnehmen gewesen seien. Beide Seiten, so Paris weiter, hätten sich darauf geeinigt, daß die Feuerpause bilateralen Charakter trägt und auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt wird, der die Option auf Verlängerung beinhalte. Die Umsetzung solle von einer unabhängigen Kommission überwacht werden. Der FARC-Sprecher betonte jedoch auch, daß die Waffenruhe an das Versprechen der Regierung geknüpft sei, die sozialen Probleme des Landes anzugehen.

Die kolumbianische Regierung ihrerseits äußerte vor der Veröffentlichung des Kommuniqués, daß sie sich nicht nur eine zeitlich begrenzte Feuerpause, sondern ein definitives Ende der »bewaffneten Feindseligkeiten« wünsche, was auch ein Ende der Entführungen bedeuten müsse.

Die Erklärung der Verhandlungspartner vom Sonntag besitzt Signalwirkung. Seit dem Clinton-Besuch Ende August in der Hafenstadt Cartagena, während der der scheidende US- Präsident der kolumbianischen Regierung seine persönliche Unterstützung für den milliardenschweren Plan Colombia zugesagt hatte, haben die Kämpfe zwischen Guerilla und kolumbianischer Armee an Schärfe zugenommen. Am vergangenen Wochenende griffen die Aufständischen die Ortschaft Tomarrazon, 1 200 Kilometer nördlich von Bogota, an. Sie sprengten den dortigen Sitz der kolumbianischen Telefongesellschaft (Telecom) sowie einen Funkstützpunkt der Armee.

Neben den Auseinandersetzungen zwischen Armee und Aufständischen haben auch die ultrarechten paramilitärischen Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) in den vergangenen Wochen erneut zahlreiche Massaker an Bauern verübt. Bei Überfällen von Todesschwadronen der AUC an der Karibikküste Ende August wurden mehr als 20 Menschen ermordet.

Die Erklärung, über eine Feuerpause zu debattieren, fällt mit den Feierlichkeiten anläßlich der sogenannten »Woche für den Frieden« zusammen, zu der Zahlreiche von Nichtregierungsorganisationen aufgerufen hatten. Sie setzen sich für ein definitives Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen sowie für den Schutz der zivilen Bevölkerung ein. Der UNESCO gelang es, in diesem Rahmen sieben Millionen Unterschriften für ihr »Manifest 2000 für eine Kultur des Friedens«, zu bekommen. Das Manifest 2000 soll den über 160 Staats- und Regierungschefs beim Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen übergeben werden, der am Mittwoch in New York eröffnet wurde.

Roberto Sepulveda, Bogota


Aus: junge welt, 08.09.2000

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