Der ewige Uribe
Kolumbiens Präsident soll bis 2014 an der Macht bleiben. Eine entsprechende Initiative ist nicht der einzige geplante Eingriff in die Verfassung
Von Harald Neuber *
Trotz massiver Kritik aus der Opposition und gegen geltende
verfassungsrechtliche Bestimmungen soll Kolumbiens Präsident Alvaro
Uribe bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2010 für eine dritte
Amtszeit kandidieren. Unterstützer des im August 2002 erstmals gewählten
Rechtspolitikers überreichten der obersten Wahlbehörde am Montag nach
eigenen Angaben fünf Millionen Unterschriften. Uribe selbst habe sich zu
dem Ansinnen zwar noch nicht geäußert, gestand der Initiator der
Unterschriftensammlung und Funktionär der regierenden Sozialen Partei
der Nationalen Einheit (»Partido de la U«), Luis Guillermo Giraldo, ein:
»Aber diese Unterschriften sind ein freundliches Signal an den
Präsidenten, damit er weitermacht«.
30 Tage Zeit
Verfassungsrechtlich ist das Vorhaben höchst umstritten. Nach der
geltenden Konstitution hätte Uribe nach seiner ersten Amtszeit schon im
Jahr 2006 kein zweites Mal kandidieren dürfen. Erst eine
Verfassungsänderung im Jahr 2005 machte seine Wiederwahl möglich. Bei
der damaligen Kampagne kam es nachweislich zu Korruptionsfällen im
Kongreß. Bis vor wenigen Wochen hatte der Oberste Gerichtshof die
Legalität der Wiederwahl vor zwei Jahren deswegen in Frage gestellt. Die
obersten Richter beriefen sich vor allem auf die Aussage der ehemaligen
Senatorin Yidis Medina. Die inzwischen inhaftierte Politikerin aus dem
Regierungslager hatte bestätigt, Schmiergeldzahlungen erhalten zu haben,
damit sie der Wiederwahl Uribes zustimmt. Der Fall hatte für harte
Konflikte zwischen dem Obersten Gerichtshof und der Regierung geführt.
Vor drei Wochen dann entschieden die Richter überraschend zugunsten von
Uribe. Medinas Vergehen sei privater Natur gewesen, hieß es in der
Begründung. Die Hintergründe des Meinungswechsels sind nach wie vor
unklar, Tatsache ist aber, daß die Richter unter massivem Druck standen.
Von der Entscheidung bestärkt soll Uribe nun bis 2014 an der Macht
bleiben. Die Wahlbehörde hat jetzt 30 Tage Zeit, die Unterschriften zu
prüfen, danach müßte der Kongreß eine erneute Verfassungsänderung in die
Wege leiten.
Vorstoß gegen die Justiz
Doch mit der Gerichtsentscheidung vor drei Wochen sind noch lange nicht
alle Kritikpunkte ausgeräumt. Politiker der Opposition weisen darauf
hin, daß nach wie vor gegen 60 Politiker des Regierungslagers wegen
Verbindungen zu rechtsextremen Todesschwadronen ermittelt wird. 30 zum
Teil hochrangige Vertreter der Staatsführung sind wegen dieser
Zusammenarbeit inhaftiert. Unter ihnen befindet sich nicht nur Senator
Mario Uribe, ein Cousin des amtierenden Präsidenten. Wegen seiner
Kollaboration mit den Paramilitärs, die von Menschenrechtsgruppen aus
Kolumbien und dem Ausland für die Mehrzahl der politischen Morde in dem
südamerikanischen Land verantwortlich gemacht werden, ist auch Senator
Carlos García in Haft -- der Präsident der Uribe-Gruppierung »Partido de
la U«.
Mit Sorge verfolgen Menschenrechtsgruppen deswegen auch eine weitere
Initiative der Regierung. Nach dem Erfolg Uribes im Streit mit der
Justiz will der Präsident deren Einfluß nun beschneiden. So soll der
oberste Gerichtshof künftig nicht mehr gegen Mitglieder des Kongresses
ermitteln dürfen. Der Vorstoß wurde unter anderem von Human Rights Watch
massiv kritisiert: »Uribe versucht schamlos, einer Institution die
Ermittlungsbefugnisse zu nehmen, die am meisten dafür gesorgt hat, daß
der paramilitärische Einfluß auf den Kongreß aufgedeckt wurde«, heißt es
in einer Erklärung der US-amerikanischen Menschenrechtsgruppe.
* Aus: junge Welt, 12. August 2008
Zurück zur Kolumbien-Seite
Zurück zur Homepage