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Gerechtigkeit statt Friedhofsruhe

Film "Der einzige Weg" über ein kolumbianisches Friedensdorf

Von Peter Nowak *

Der Film »Der einzige Weg« porträtiert die Bewohner eines kolumbianischen Dorfes, das sich im bewaffneten Konflikt zwischen kolumbianischem Staat und Guerillagruppen neutral verhält.

»Wenn sie uns ermorden, weil wir einen anderen Weg geben, dann muss es muss es wohl so sein. Aber aufgeben werden wir nicht.« Der Satz mag pathetisch klingen, doch dem kolumbianischen Bauern Ernesto ist es ernst, wenn er ihn ausspricht. Er lebt in der Friedensgemeinde San Jose de Aportado in der kolumbianischen Provinz Uraba. Vor mehr als neun Jahren haben sich dort etwa 300 bäuerliche Familien im Konflikt zwischen dem kolumbianischen Staat und der Guerilla als neutral erklärt. Sie lehnen es ab, für eine der beiden Seiten Hilfsdienste zu leisten. Der Preis war hoch. Mehr als 160 Menschen sind seitdem ermordet worden. In der übergroßen Mehrzahl waren Militärs oder die mit ihnen verbundenen Paramilitärs die Täter. Nur ein kleiner Teil der Morde geht auf das Konto der Guerillagruppe FARC.

Die Berliner Filmemacher Bärbel Schönafinger und Tobias Hering haben das Dorf und die Bewohner in ihrem neuen Film »Der einzige Weg« porträtiert. Die Menschen darin berichten von dem Terror, dem sie ständig ausgesetzt sind, von Massakern und von den politischen Verdrehungen, mit denen der kolumbianische Staat den Konflikt noch zusätzlich anheizt.

Im Film wird gezeigt, wie der gegenwärtige kolumbianische Präsident Alvaro Uribe im Fernsehen Bewohner des Friedensdorfes als Handlanger der Guerillagruppe FARC bezeichnet. Damit ist im heutigen Kolumbien das Todesurteil für die Genannten schon unterschrieben, die Filmemacher zeigen aber auch auf, dass diese mörderische Entmachtung des politischen Gegners Tradition in dem Land hat.

Am Beispiel der linken Oppositionspartei Union Patriotica (UP) erfährt man, wie in den 80er Jahren eine ganze Generation politischer Aktivisten erst als Terroristenhelfer stigmatisiert und dann vernichtet wurde. Allein in der Provinz Uraba starben 1200 Aktivisten der linken Partei, die den jahrzehntelangen Bürgerkrieg und die dem Konflikt zugrunde liegende soziale Ungerechtigkeit beenden wollten. »Doch statt für den Weg der Gerechtigkeit entschieden sich die Herrschenden für eine Friedhofsruhe, die für die Mehrheit der Bevölkerung Verelendung und Vertreibung bedeutet«, erklärt die ehemalige Bürgermeisterin und UP-Aktivistin Gloria Cuartas in dem Film.

Das Friedensdorf ist noch immer bedroht. Seine einzige Hoffnung ist die Aufmerksamkeit einer internationalen Solidaritätsbewegung und Zivilgesellschaft. Die autonomen Dörfer im südmexikanischen Chiapas gehören schon zu den Unterstützern des Dorfes, aus Europa erhoffen sich die Bewohner noch mehr Hilfe. Der Film kann einen Beitrag dazu leisten, eine breitere Öffentlichkeit für das Projekt zu schaffen, weil er die Bewohner zu Wort kommen lässt, ihre Wünsche und Vorstellungen bekannt macht und auch, weil er aufzeigt, dass das Friedensdorf durchaus Modellcharakter in Kolumbien haben kann. Außerdem wird deutlich, dass wirklicher Frieden in Kolumbien nur erreicht wird, wenn die zutiefst ungerechte kolumbianische Gesellschaft von Grund auf geändert wird.

Da Fernsehstationen an dem Film bisher kein Interesse hatten, hoffen die Filmemacher, dass er jetzt in Programmkinos und den diversen Veranstaltungshäusern gezeigt wird. Interessenten können sich direkt an Kanal-B wenden.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Dezember 2006


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