> Ende Februar begannen in Kolumbien wieder Gespräche zwischen der Regierung und der Rebellenorganisation FARC. Die junge welt sprach mit zwei Vertretern des »Proceso de las Communidades Negras« (der Organisation afro-kolumbianischer Gemeinden), Dicano Garcia und Martina Olmeto. Sie befinden sich momentan auf einer Rundreise durch Europa, um über den Kolumbien-Plan zu informieren, mit dem die USA unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung die Militarisierung des Landes vorantreiben. Wir dokumentieren das Interview.
F: Im kolumbianischen Bürgerkrieg wächst die Rolle ethnischer Gruppen. Wie ist die Situation der Schwarzen in Kolumbien?
Garcia: 40 Prozent der Kolumbianer sind Schwarze. Zusammen mit den Indios gehören sie zum ärmsten Teil der Bevölkerung. Der Staat hat bereits 2,5 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, um die Reichtümer unserer Gebiete, vor allem Öl und Edelhölzer, ausbeuten zu können. Die Vertriebenen leben heute ohne Verdienstmöglichkeit in den Armenvierteln an den Rändern der Großstädte Bogotá und Medellin. Bei den andauernden Vertreibungen werden viele Menschen durch unbekannte Täter ermordet. Die Kultur der Afrokolumbianer wird von der Regierung nicht anerkannt, obwohl uns die Verfassung ebenso wie die Indios als eine eigene Ethnie nennt.
F: Was bedeutet der von den USA vorangetriebene Kolumbien-Plan für diese Teile der kolumbianischen Bevölkerung?
Olmeto: Durch die Maßnahmen, die unter dem Vorwand der Drogenvernichtung ergriffen werden, wird die Situation für die Menschen noch schwieriger. Insbesondere die Schwarzen und die Indios leiden darunter. Durch das Versprühen von Giften gegen den Drogenanbau wird die Lebensgrundlage der Bauern vernichtet, von denen viele Subsistenzwirtschaft betreiben oder für lokale Märkte produzieren. Auf mit Giften besprühtem Gebiet kann lange Zeit nichts mehr angebaut werden, vor allem Bananenpflanzungen sind von diesem Vorgehen betroffen. Die Artenvielfalt der Natur, die in einigen Gegenden Kolumbiens im Weltmaßstab einzigartig ist, wird durch die Herbizide zerstört.
Garcia: Das Drogenproblem ist international, aber die Leidtragenden sind die Menschen in Kolumbien. Es ist falsch, dieses Problem militärisch lösen zu wollen, denn seine Wurzeln sind sozial. Die Armut muß bekämpft werden, nicht die Menschen.
Die mit dem Kolumbien-Plan verbundene Aufrüstung der kolumbianischen Armee heizt den bewaffneten Konflikt mit der Guerilla an. Darunter leidet vor allem die Zivilbevölkerung. Auch die Gefahr einer direkten US-Intervention konnte durch Verhandlungen bislang nicht ausgeräumt werden.
Im Rahmen des Kolumbienplans sollen noch mehr Menschen vertrieben werden, die den wirtschaftlichen Interessen der Großgrundbesitzer und der transnationalen Konzerne im Weg stehen. Es gibt heute einen breitgefächerten Widerstand gegen den Kolumbienplan. Von den Gewerkschaften bis zu den Bauern ist die ganze Bevölkerung dagegen.
F: Wie ist die Haltung Ihrer Organisation, der PCN, zur Guerilla?
Garcia: Wir wollen uns auf keine Seite im bewaffneten Kampf stellen. Aber es muß gesagt werden, daß die staatliche Politik für den seit 40 Jahren andauernden Kampf verantwortlich ist. Durch die staatliche Politik leben 70 Prozent der Menschen in den umkämpften Gebieten unter dem Existenzminimum. Die afrokolumbianischen Gemeinden haben eine pazifistische Kultur. Unsere Waffe ist der Dialog.
F: Mit wem führen Sie den Dialog?
Olmeto: Die Regierung macht uns Versprechungen, die sie nicht einlöst. Die Guerilla kann vom Staat immer wieder Zugeständnisse erlangen, weil sie bewaffnet ist. Diese Möglichkeit haben wir nicht. Über unsere Europa-Rundreise wollen wir zeigen, daß es neben der Guerilla und der Armee auch andere Kräfte in Kolumbien gibt. Wir wollen uns mit den Linken in Europa vernetzten, um die Menschenrechtsverletzungen in unserem Land anzuprangern und gemeinsam für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu kämpfen. Über internationalen Druck auf die kolumbianische Regierung hoffen wir, unsere Forderungen durchzusetzen.
F: Sehen Sie eine Chance für den Friedensprozeß in Kolumbien? Garcia: Ich denke schon, daß es möglich ist, einen Friedensvertrag zwischen der Guerilla und der Regierung zu schließen. Aber die Entwaffnung der in den Bürgerkrieg involvierten Gruppen allein kann keinen Frieden bringen. Erst soziale Gerechtigkeit schafft eine stabile Basis für einen wirklichen Frieden.
Interview: Nick Brauns