Anklage gegen Handlanger der Paramilitärs
Kolumbiens Justiz untersucht Verbindungen von Kongressabgeordneten zu rechtsextremen Milizen
Von Tommy Ramm, Bogota *
Der Oberste Gerichtshof Kolumbiens hat nach jahrelanger Untätigkeit der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen, die Verbindungen von Abgeordneten zu Paramilitärs juristisch aufzuarbeiten. Gegen
drei untergetauchte Politiker wurden Haftbefehle ausgestellt, weitere Fälle sollen untersucht werden.
Die Haftbefehle gegen drei kolumbianische Abgeordnete vom vergangenen Donnerstag, denen
enge Verbindungen zu Paramilitärs vorgeworfen werden, könnten einen der größten politischen
Skandale Kolumbiens ans Licht bringen. Hatte Mitte der neunziger Jahre die Wahlkampffinanzierung
mit Geldern der Drogenmafia, in die 14 Abgeordnete verstrickt waren, für Schlagzeilen und Prozesse
gesorgt, könnte der jetzige Skandal diesen noch in den Schatten stellen. Es geht nicht nur um die
Veruntreuung von Staatsgeldern, die von den Angeklagten zur Finanzierung der paramilitärischen
Strukturen benutzt wurden, sondern auch um schwerste Menschenrechtsverletzungen.
Den Abgeordneten Jairo Enrique Molano, Erik Morris und Alvaro Garcia Romero warf das Gericht
den Aufbau rechtsextremer illegaler Milizen in der nordkolumbianischen Provinz Sucre vor, die dort
die politischen Interessen der Parlamentarier mit Gewalt durchsetzten. Garcia Romero war laut
Justiz auch Drahtzieher eines Massakers im Jahr 2000, bei dem 15 Bauern von Paramilitärs
ermordet wurden.
Ihr Einfluss und der Terror erlaubten es den Politikern trotz vielfacher Vorwürfe über Jahre hinweg,
bis in die höchsten Ebenen der kolumbianischen Politik vorzudringen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich
die Angeklagten ihrer Gegner durch Morde entledigten. Der ausgestiegene Paramilitär Jairo Castillo
Peralta machte gegenüber zwei Staatsanwältinnen 2001 eine Aussage, mit der Garcia Romero und
weitere Lokalpolitiker schwer belastet wurden. Nur kurze Zeit später wurde die Staatsanwältin
Amparo Paternina, die die Aussage aufnahm, ermordet, ihre Kollegin Monica Gaitan flüchtete nach
Drohungen ins Ausland. Der damalige Generalstaatsanwalt Luis Camilo Osorio wies die
Äußerungen Castillos trotz Stichhaltigkeit als unzureichend zurück. Daher konnten die betroffenen
Politiker ihre politische Karriere unbeirrt fortsetzen.
Laut Justiz haben die angeklagten Politiker seit 1997 den Aufbau einer politisch-militärischen
Struktur in Sucre verfolgt. Garcia Romero habe mit dem damaligen Provinzgouverneur und jetzigen
Senats-Abgeordneten Erik Morris Verträge für öffentliche Aufträge geschlossen, die Gelder wurden
jedoch an Paramilitärs umgeleitet. Deren Terror wurde genutzt, um dem dritten Beschuldigten, Jairo
Enrique Merlano, im Jahr 2002 die Wahl in den Kongress zu sichern: Hunderte Wähler seien auf
Druck der Paramilitärs an die Wahlurnen gezwungen worden, um für Merlano ihre Stimme
abzugeben.
Die Aktivitäten der Lokalpolitiker in ihrer Provinz hinterließen blutige Spuren. In den vergangenen
Jahren berichteten die Bewohner von Sucre über mehr als 5000 Opfer der Gewalt – Ermordete,
Verschwundene und Vertriebene. Massengräber, die in den letzten Monaten von den Behörden
nach Hinweisen entdeckt wurden, belegten die Vorwürfe. Die sterblichen Überreste von über 110
Opfern wurden bisher freigelegt.
Die politischen Folgen des Falls könnten weit reichen. Zwar erklärte der kolumbianische Präsident
Alvaro Uribe Velez zu dem Vorgang knapp, dass »Kolumbien ein Land mit Gesetzen« sei. Doch in
der Regierung dürfte Panik ausbrechen. Schließlich gehören die betroffenen Politiker zur
Regierungskoalition. »Ich glaube, Präsident Uribe muss erklären, warum sich in seinen eigenen
politischen Bewegungen Persönlichkeiten befinden, denen Menschenrechtsverletzungen
vorgeworfen werden«, sagte der Linkspolitiker Gustavo Petro, der seit Jahren auf den Einfluss der
Paramilitärs im Kongress aufmerksam macht und erst vor wenigen Wochen von Garcia Romero als
»politischer Clown« bezeichnet wurde.
Romeros Schwester Teresita Garcia Romero besetzt derzeit den Posten der Generalkonsulin in
Frankfurt am Main, obwohl sie keinerlei politische Erfahrungen in Kolumbien gesammelt hatte. Laut
der kolumbianischen Tageszeitung »El Tiempo« bekam Frau Romero den Posten durch den
Einfluss ihres Bruders – als Gegenleistung für die Unterstützung der Regierung durch Alvaro Garcia
Romero.
* Aus: Neues Deutschland, 14. November 2006
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