Kolumbien: Todesschwadronen schlagen zu
Zunehmende Gewalt der rechten "Paras" macht Regierung zu schaffen
Den folgenden Text haben wir der jungen welt vom 19. Mai 2001 entnommen.
»Paras« schlugen wieder zu
Kolumbien: Rechte Kräfte demonstrierten mit Massenentführung Machtanspruch
Am vergangenen Dienstag wurde der Gewalt in Kolumbien ein neues trauriges Kapitel
hinzugefügt. Rechtsgerichtete Paramilitärs verschleppten 205 Menschen in dem kleinen
Dorf Villanueva in der Provinz Casanare, 130 Kilometer östlich der Hauptstadt Bogotá.
Eine Gruppe vermummter und schwerbewaffneter Männer stoppte Busse, mit denen die
Landarbeiter von den nahen Ölpalmenplantagen in das Dorf zurückkehrten. Sie zwangen
die Campesinos, sich nach Alter in zwei Reihen aufzustellen. Die Entführer suchten die
jüngeren Leute heraus - darunter zwei Frauen und 53 Minderjährige - und verschwanden
mit ihnen auf eine etwa 100 Kilometer weiter östlich gelegene Finca. Trotz unmittelbar
eingeleiteter Suchaktionen der Armee konnten die Entführten zunächst nicht ausfindig
gemacht werden.
In einem Kommuniqué erklärten die »Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens«
(AUC), sie wollten mit dieser Aktion eine Unterwanderung der Region durch linke
Rebellen belegen. »Die Landarbeiter können ihrer Arbeit wieder nachgehen, sobald wir
jeden einzelnen Lebenslauf überprüft haben. Nur 26 Personen müssen bestimmte
Verhaltensweisen erklären.«
Diese Ankündigung ließ Schlimmes ahnen. Die Todesschwadronen sind in den
Konfliktgebieten, wo sie mit den Guerillagruppen um die Herrschaft ringen, immer mit
äußerster Brutalität vorgegangen. Zu ihren Opfern gehören Mitarbeiter von
Menschenrechtsgruppen ebenso wie vermeintliche Sympathisanten der linken Rebellen.
Nach Regierungsangaben haben die AUC seit Jahresbeginn schon mehr als 500 Zivilisten
umgebracht.
Doch mittlerweile haben die Paramilitärs, die Armbinden der »Bäuerlichen
Selbstverteidigungsgruppen« Casanare (ACC) trugen, ihre Opfer wieder freigelassen.
Zunächst hatten sie angedroht, sie zwangsweise zu rekrutieren und in einem
sechsmonatigen Grundkurs auf den Bürgerkrieg vorzubereiten. Schon seit Wochen hatten
die ACC eine derartige Aktion in Villanueva angekündigt.
Seit 1999 kontrollieren sie dieses Gebiet, in dem riesige Pflanzungen afrikanischer Palmen
entstanden sind. Die systematischen Verhöre der Campesinos über deren
Arbeitsverhältnisse sprechen dafür, daß es bei der Massenentführung auch um
wirtschaftliche Konkurrenz und Absatzmärkte für das lukrative Geschäft ging. Die
Entwicklungsstrategie der Regierung setzt auf Palmöl, dessen Produktion in immer
größerem Stil in Kolumbien Einzug hält und das zur Substitution des Anbaus von
Drogenpflanzen beitragen soll. Nach Auffassung der lokalen Behörden haben die ACC
aber auch versucht, ihren Machtanspruch in dieser Region durch gezielte Einschüchterung
zu untermauern.
Der Anführer des Entführerkommandos, Humberto Caicedo Grosso, saß bis vor kurzem
in einer Kaserne in Haft, bis ihm uniformierte Gesinnungsgenossen zur Flucht verhalfen.
Lange schon steht die kolumbianische Armee unter dem Verdacht, gemeinsame Sache mit
den rechten Todesschwadronen zu machen. Vor allem in den Konfliktgebieten mit den
linksgerichteten Guerillaverbänden FARC und ELN operieren die »Paras« oftmals von
Kasernen aus oder können von der Armee unbehelligt ihre schmutzige Arbeit verrichten.
Auf Druck der FARC, die mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte, sieht sich
Kolumbiens Präsident Andrés Pastrana zu einer etwas härteren Gangart gegenüber den
rechten Todesschwadronen gezwungen. Mehrere führende »Paras« wurden in den letzten
Wochen festgenommen, gegen den unbestreitbaren Chef der
»Selbstverteidigungstruppen«, Carlos Castańo, Haftbefehl erlassen. Doch solange die
Gefängnisgitter so durchlässig bleiben wie im Fall von ACC-Chef Humberto Caicedo,
werden die Paramilitärs weiter Angst und Schrecken im Land säen.
Jens Holst
Aus: junge welt, 19. Mai 2001
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