Politik kungelte mit Paramilitärs
Chef der rechten Milizen Kolumbiens bringt Präsident Uribe in Bedrängnis
Von Tommy Ramm, Bogotá *
Ein Abkommen zwischen kolumbianischen Politikern und Paramilitärs aus dem Jahre 2001 wirbelt
viel Staub auf, nachdem der inhaftierte Paramilitärchef Salvatore Mancuso das Dokument mit
Namen veröffentlichte.
Kolumbiens Außenministerin Maria Consuelo Araújo, die am heutigen Dienstag in Berlin eintrifft, will
in Deutschland unter anderem um politische Unterstützung für die seit mehr als drei Jahren
andauernde Demobilisierung paramilitärischer Verbände werben. Über 30 000 Paras haben seit
Ende 2002 die Waffen niedergelegt, nachdem die rechte kolumbianische Regierung einen »Friedensprozess
« eingeleitet hatte.
Der wird allerdings seit Wochen von einem Skandal überschattet: Dutzende Politiker sollen enge
Verbindungen mit den Paramilitärs unterhalten und politische Abkommen mit ihnen unterzeichnet
haben. Ausgerechnet mehrere Brüder von Außenministerin Aráujo werden derzeit vom Obersten
Gerichtshof überprüft. Dem Senatsabgeordneten Álvaro Araújo etwa wird vorgeworfen, bei den
Paramilitärs die Entführung eines Politikers in Auftrag gegeben zu haben. Anlässlich des Besuchs
der Ministerin haben deutsche Menschenrechtsorganisationen die Bundesregierung deshalb
aufgerufen, eine vollständige Auflösung der paramilitärischen Strukturen zu fordern. Die volle
Wahrheit müsse aufgedeckt und die Schuldigen müssten bestraft werden, fordert beispielsweise die
Kolumbien-Koordination kolko.
Paramilitärchef Salvatore Mancuso sagte inzwischen vor der Justiz aus, bei den Wahlen 1998 hätten
Milizen die Wähler in den von ihnen beherrschten Gebieten zur Stimmabgabe für bestimmte
Kandidaten gezwungen. Ähnlich sei man 2002 vorgegangen, um Präsident Alvaro Uribe zum
Wahlsieg zu verhelfen. Uribe selbst wies allerdings darauf hin, dass er in den Zonen der Paramilitärs
verlor. Überhaupt habe er nie in Kontakt mit Mancusos Leuten gestanden.
Für noch größeren Wirbel sorgte derweil die Veröffentlichung eines Dokuments zur »Neugründung
des Vaterlandes«, das 32 Politiker im Juli 2001 gemeinsam mit Paramilitärs unterzeichnet hatten.
Neben zwölf Kongressabgeordneten waren daran vier Bürgermeister und zwei Gouverneure aus
Nordkolumbien beteiligt, von denen die meisten heute noch hohe politische Posten besetzen. Einige
erklärten, sie seien von den Paramilitärs zur Unterschrift gezwungen worden, andere bestritten die
Freiwilligkeit ihrer Teilnahme nicht. Ob freiwillig oder unter Zwang: Die Politiker folgten den
Anweisungen der Paramilitärs. Und die Tatsache, dass ihr Treffen mehr als fünf Jahre geheim blieb,
lässt politische Konspiration vermuten. Mitglieder aller Parteien der Uribe-Koalition und selbst
Politiker der oppositionellen Liberalen waren darin verwickelt. Eine klare Aussage Uribes fordert der
Sprecher des linken Demokratischen Pols, Jorge Robledo: »Mehr als 50 politische Chefs seiner
Koalition und Freunde, die ihm viele Stimmen beschafft haben, sind hinter Gittern, auf der Flucht,
unter Anklage ... Und der Präsident sagt nichts dazu.«
Das Oberste Gericht will das Dokument nun untersuchen und entscheiden, ob gegen die
Unterzeichner Klage erhoben wird. Bereits Ende 2006 waren drei Politiker wegen Gründung und
Unterstützung paramilitärischer Strukturen verhaftet worden.
* Aus: Neues Deutschland, 30. Januar 2007
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