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Schmutziger Krieg und wachsende Armut

In Kolumbien ist eine Verbesserung der Lage für die Bevölkerung nicht in Sicht

Von Santiago Baez *

In Kolumbien geht der schmutzige Krieg gegen die Opposition weiter. Am Dienstag (2. Feb.) wurde ein Führungsmitglied des Gewerkschaftsbundes CUT im Departamento Antioquia von unbekannten Tätern angegriffen, als er seine Wohnung verließ. Einem Bericht des Rundfunksenders Caracol zufolge wurde Alirio Salazar sofort in ein Krankenhaus der Provinzhauptstadt Medellín eingeliefert. Mittlerweile soll er außer Lebensgefahr sein.

Nach wie vor gilt Kolumbien laut Einschätzungen des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) als das für Aktivisten der Arbeiterbewegung gefährlichste Land der Welt. Allein im Jahr 2008 wurden dem IGB-Jahresbericht 2009 zufolge 49 Gewerkschaftsmitglieder ermordet. Bis Ende November zählte die CUT 36 getötete Gewerkschafter seit Beginn des Jahres 2009. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Ende Januar wurde in der kleinen Ortschaft La Macarena in der Region Meta, etwa 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Bogotá, das bislang größte Massengrab der jüngeren Geschichte Lateinamerikas entdeckt. Mehr als 2000 Leichen waren hier zwischen 2005 und 2009 verscharrt worden.

Der Sekretär des Ständigen Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte in Kolumbien, Jairo Ramírez, der gemeinsam mit britischen Parlamentariern den Ort des grausigen Fundes besuchen konnte, berichtete gegenüber Pressevertretern, daß der zuständige Befehlshaber der Armee erklärt habe, bei den Toten handele es sich um Guerilleros, die im Kampf getötet worden seien. Anwohner hätten ihm indessen von zahlreichen Bauern und sozialen Aktivisten berichtet, die in der Region spurlos verschwunden seien. Die kolumbianische Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung des Falles angekündigt, allerdings erst nach den Parlamentswahlen am 14. März.

Die kolumbianische Linke kandidiert bei diesen Wahlen auf den Listen des Alternativen Demokratischen Pols (PDA). Zu den bekanntesten Vertretern dieses Bündnisses gehören der Chefredakteur der kommunistischen Wochenzeitung Voz, Carlos Lozano, der sich um ein Mandat im Repräsentantenhaus bewirbt, sowie der Lehrer Gustavo Moncayo, der sich im Interesse seines seit mehr als einem Jahrzehnt von der Guerilla gefangengehaltenen Sohnes für eine friedliche Lösung des bewaffneten Konflikts in dem südamerikanischen Land einsetzt und Senator werden will.

Auch PDA-Präsident Jaime Dussán fordert konkrete Schritte für ein Ende der Gewalt und kritisierte deshalb den Vorschlag des kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe, Jugendliche als Informanten für die Sicherheitsorgane anzuwerben. In Medellín hatte Uribe Jugendlichen eine Belohnung in Höhe von 100000 Pesos (etwa 36 Euro) versprochen, wenn diese mit Polizei und Militär zusammenarbeiten. »Der Pol lädt die Jugendlichen ein, sich den Bewegungen für ein Zusammenleben, Versöhnung und Frieden anzuschließen«, antwortete Dussán. Auch der Jugendverband des Linksbündnisses wies die Vorschläge Uribes als »undemokratisch« zurück. Sie dienten nur dazu, die Aufmerksamkeit der Jugendlichen von einer guten Bildung und der Suche nach einem Arbeitsplatz abzulenken, kritisierte María Antonieta Cano von der Nationalkoordination des Jugendverbandes. Der Staat dürfe nicht seine Verantwortung auf die Jugendlichen abladen, denen Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten fehlen und die so zu Spitzeln der Regierung würden. Eine solche Strategie würde nur noch mehr Gewalt provozieren, warnte Cano.

Unterdessen gehen Experten in Kolumbien von einer weiteren Zunahme von Armut und Arbeitslosigkeit aus. Ende des vergangenen Jahres waren offiziell mehr als zwei Millionen Menschen von Erwerbslosigkeit betroffen, was eine Rate von zwölf Prozent entsprach und bereits eine Steigerung um 0,7 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr bedeutet hatte.

* Aus: junge Welt, 4. Februar 2010


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