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Kolumbiens Präsident im Korruptionssumpf

Bestechungsskandal holt Uribe ein. Aussage vor Parlamentsausschuß unter Ausschluß der Öffentlichkeit

Von Helda Martínez (IPS), Bogotá *

Kolumbiens stramm-rechter Staatspräsident Álvaro Uribe mußte Ende vergangener Woche vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß erscheinen. Dort sollte er zu Bestechungsvorwürfen Stellung nehmen und wurde diesbezüglich über zwei Stunden lang befragt. Uribe wird vorgeworfen, die Verfassungsänderung von 2004, die seine Wiederwahl erst ermöglichte, durch die Bestechung von Abgeordneten herbeigeführt zu haben. Die Befragung selbst fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt; und an der vorgeblichen »Neutralität« der Kommission zweifelten nicht nur Hunderte Studierende der Universidad Distrital, die vor dem Parlamentsgebäude gegen den Präsidenten demonstrierten und verhinderten, daß dieser den Vordereingang benutzen konnte.

Ein Abgeordneter des Oppositionsbündnis »Polo Democrático Alternativo« (PDA) hatte den Präsidenten vor vier Monaten schwer belastet. Er sei verantwortlich für Schmiergeldzahlungen an Abgeordnete, um eine Verfassungsänderung herbeizuführen, so der Vorwurf von Senator Carlos Avellaneda. Tatsächlich war die kolumbianische Verfassung 2004 mit äußerst knapper Mehrheit geändert worden, um Uribes erneute Kandidatur zu ermöglichen. Bis dahin war eine Wiederwahl des Staatsoberhauptes verboten.

Für einen Skandal sorgte vor allem die Aussage der früheren konservativen Kongreßabgeordneten Yidis Medina, die derzeit unter Hausarrest steht. Sie hatte im Juni zugegeben, von Uribe seinerzeit Begünstigungen für ihre Zustimmung zu der Verfassungsänderung erhalten zu haben. Freunde Medinas hätten von Regierungsvertretern dafür lukrative Stellenangebote erhalten, erklärte Medina. Einmal sei sogar der Präsident selbst bei einem Treffen zugegen gewesen.

Nach Überzeugung von Opposi­tionspolitiker Avellaneda müßten sich nunmehr die Regierung und auch Uribe selbst für die Schmiergeldaffäre verantworten. »Wenn Yidis Medina der Bestechlichkeit für schuldig befunden wird, dann muß es innerhalb der Regierung einen Verantwortlichen hierfür gegeben haben«, erklärte der Senator. Die Fakten sprächen für die Anschuldigungen Medinas.

Avellaneda zweifelt überdies an der Integrität des Untersuchungsausschusses. Mindestens zwei Ausschußmitglieder, die dem Regierungsblock angehören, seien befangen. Eines der beiden umstrittenen Mitglieder ist Edgar Eulises Torres, der die Ermittlungen gegen Uribe leitet. Torres wies sämtliche Anschuldigungen der Parteilichkeit zurück – und bestätigte zugleich, daß Uribe Ermittlungen gegen den Journalisten Daniel Coronell verlangt habe. Der Direktor des Fernsehprogramms »Noticias Uno« ist Autor eines »Enthüllungsinterviews« mit Yidis Medina, in dem die Exparlamentarierin sich selbst der Bestechlichkeit bezichtigt und zugegeben hatte, von Regierungsvertretern Schmiergelder und Begünstigungen für ihre Freunde erhalten zu haben.

Torres fordert nun die Veröffentlichung des Videos. Die Aufzeichnung werde den Präsidenten entlasten, so seine Überzeugung, denn es handele sich um ein arrangiertes Interview. Damit liegt Torres genau auf Regierungslinie. Im April hatte die Regierung Uribe eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin beschuldigte sie den Nachrichtenjournalisten und die frühere Abgeordnete, das Interview bereits seit August 2004 geplant zu haben, um dem Präsidenten zu schaden. Nach allem, was bisher bekannt sei, habe der Journalist die Antworten vorgegeben, hieß es in der Regierungserklärung.

* Aus: junge Welt, 25. August 2008


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