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Bohne nicht mehr konkurrenzfähig

Kolumbien: Protestierende Kaffeefarmer erhalten Millionenhilfen

Von Benjamin Beutler *

Kolumbiens Wirtschaft wird wegen des Exportbooms von der »Holländischen Krankheit« bedroht. Die Proteste dürften sich bald häufen.

Am Tag nach dem Friedensschluss mit der Kaffeewirtschaft verteidigte Präsident Manuel Santos höchstpersönlich den Millionen-Rettungsschirm für die Branche: »Sie schaffen viele Arbeitsplätze, sind in ihrer Mehrheit Kleinbauern und das Geld, das man den Cafeteros gibt, fließt sofort in die Wirtschaft zurück«, erklärte er.

Die Zugeständnisse sind für eine wirtschaftsliberale Regierung in der Tat ungewöhnlich. Allein in diesem Jahr 2013 greift Bogotá den Cafeteros mit umgerechnet 444 Millionen US-Dollar unter die Arme. Verpflichtet sich die Branche, einen Höchstpreis von 700 000 Pesos (388 US-Dollar) pro 125-Kilo-Sack nicht zu überschreiten, dann garantiert der Staat im Gegenzug einen Mindestabnahmepreis von 480 000 Pesos plus 145 000 Pesos staatlicher Subventionen. Fällt der Weltmarktpreis unter 346 Dollar, kommen weitere Subventionen hinzu. Günstige Kredite über die Zen-tralbank sind im Gespräch.

Zwölf Tage lang hatten Bauern und Unternehmer die südamerikanische Nation in Atem gehalten. Landesweite Straßenblockaden, Versorgungsnotstand, 75 Verletzte und mindestens 70 Verhaftete lautete die Bilanz des ersten »Kaffeestreiks« in der Geschichte Kolumbiens. Ein 30-Stunden-Verhandlungsmarathon in der Kaffee-Metropole Pereira an den westlichen Andenausläufern war nötig, um eine Einigung zu finden. Um fünf Uhr morgens setzten die Minister für Haushalt, Landwirtschaft, Arbeit, Gesundheit und Inneres sowie 32 Vertreter des Kaffee-Sektors ihre Unterschrift unter das Abkommen.

Lautstarke Forderungen nach Markteingriffen könnten sich bald häufen. Analysten zufolge bedroht die »Holländische Krankheit« - Exporterfolge führen zur Aufwertung der heimischen Währung, die den Außenhandelsboom abbremst - die kolumbianische Wirtschaft. Seit Jahren setzten die Regierungen auf den Export von Öl, Kohle sowie Mineralien. Der Außenhandel boomt auch dank Freihandelsabkommen mit Japan, den USA Staaten und künftig der EU. Doch die Überschüsse machen den Peso teuer. Weltmarkt-Verlierer ist neben der Industrie die Landwirtschaft. Reis, Mais, Baumwolle und Hühner können mit den hochsubventionierten High-Tech-Landwirten aus dem Norden gerade angesichts der Wechselkursentwicklung schwer mithalten. Bereits 2012 schrumpfte der Agraranteil an Kolumbiens Ausfuhren um 13 Prozent. Die Kaffeebranche ist besonders betroffen. Missernten, der starke Peso, harte Weltmarktkonkurrenz, Preisverfall und Importe setzen dem weltweit viertgrößten Produzenten der beliebten Bohne schwer zu.

Präsident Santos interessieren die Probleme nicht die Bohne. Die Rohstoff-Lokomotive bringe »Wohlstand für alle«, lautet sein Credo. Wer streikt, sei »unvernünftig« und »unpatriotisch«, erklärte er angesichts eines Ausstandes in einer großen Kohlemine. Kein Wunder, dass er bei der Einigung mit dem Kaffeesektor jetzt in Erklärungsnöten steckte.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 12. März 2013


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