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FARC ließen US-amerikanische Geisel frei

Kolumbianische Guerilla möchte mit Geste des guten Willens stockende Friedensverhandlungen mit Bogotá beleben

Von David Graaff, Bogotá *

Die kolumbianische FARC-Guerilla hat am Sonntag den im Juni entführten US-Amerikaner Kevin Scott Sutay freigelassen.

Mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes und unter Vermittlung Kubas und Norwegens, der Garantiestaaten der Friedensverhandlungen zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) und der kolumbianischen Regierung, wurde der 27-jährige US-Amerikaner Kevin Scott Sutay in der südkolumbianischen Provinz Guaviare an eine internationale Delegation übergeben.

»Früher mussten wir an die Landstraße gehen, um Menschen zu entführen, heute fallen sie uns vom Himmel.« Diese Aussage soll seit einiger Zeit in den Reihen der Guerilla kursieren. Denn obwohl die FARC seit fast zwei Jahren offiziell auf wirtschaftlich motivierte Entführungen von Zivilisten verzichten, sind ihnen in den vergangenen Monaten mehrfach mutige oder naive Abenteurer meist ausländischer Herkunft »zugelaufen«. So auch Kevin Scott Sutay. Der junge Amerikaner, ehemaliger US-Soldat und Afghanistan-Kriegsteilnehmer, befand sich auf einer Rucksackreise durch Lateinamerika und hatte sich trotz Warnungen der örtlichen Bevölkerung auf den Weg in eine abgelegene Region des kolumbianischen Amazonasgebietes gemacht – bewaffnet nur mit einer Machete und einem GPS-Gerät.

Dort wurde er vom »Bloque Oriental« der FARC gefangen genommen, der ihn zunächst für einen Söldner hielt. In einem Anfang dieses Monats veröffentlichten Mitteilung bezeichneten die Rebellen den gebürtigen New Yorker dann jedoch als »typischen Kaugummi kauenden und Marihuana rauchenden Gringo, der mit einem Rucksack auf dem Rücken, in Jeans und mit ein paar Dollars in der Tasche und einer sehr eigenartigen Lebensauffassung durch die Welt reist.«

Scott selbst hatte in dem Schreiben den Aufenthalt bei der FARC als angenehm bezeichnet und bedauert, dass er das Guerillacamp bald wieder verlassen müsse. «Hier im Dschungel bin ich von Leben und Tieren umgeben, und das macht mich glücklich«, wird der ehemalige Marine zitiert.

Der Befreiung war ein mehrwöchiges diplomatisches Tauziehen vorausgegangen. Die FARC versuchten, die Freilassung Kevin Scotts im Zuge der stockenden Friedensverhandlungen als »Geste des Friedens« zu inszenieren, und hatten die Vermittlung durch den US-Bürgerrechtler Jesse Jackson gefordert. Dies war von Präsident Juan Manuel Santos ebenso abgelehnt worden wie die Beteiligung der linken ehemaligen Senatorin Piedad Córdoba.

Die FARC beschuldigten die Regierung daraufhin, nicht einmal die »minimalen Bedingungen« zu erfüllen und so die Freilassung des US-Amerikaners zu verzögern. Präsident Manuel Santos wollte große mediale Aufmerksamkeit in der Angelegenheit unbedingt vermeiden – und hat sich dem Anschein nach durchgesetzt: Die Übergabe des Gefangenen verlief am Sonntag ohne mediale Begleitung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Nachdem Scott in der Hauptstadt Bogotá am Sonntagabend (Ortszeit) den US-Behörden übergeben worden war, dankte Außenminister John Kerry in einer kurzen Stellungnahme der kolumbianischen Regierung ebenso wie den Regierungen Kubas und Norwegens. Die Verhandlungsdelegation der FARC sagte in Havanna, man hoffe, dass sich die unilaterale und bedingungslose Freilassung Scotts durch die Guerilla günstig auf eine Einigung im Friedensprozess auswirke.

Die Verhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC verlaufen bereits seit mehreren Monaten ohne konkrete Ergebnisse. Präsident Santos forderte von den Guerilla-Vertretern bereits zum wiederholten Male, »aufs Gaspedal zu drücken«. Der Verhandlungsführer der FARC, Iván Márquez, sagte dagegen, die Regierung solle aufhören, den zahlreichen von der Guerilla eingebrachten Vorschlägen »unnötige Hindernisse« in den Weg zu legen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 29. Oktober 2013


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