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Scheinofferte aus Bogotá

Kolumbiens Regierung bietet Freilassung von FARC-Gefangenen an. Doch zahlreiche Einschränkungen erschweren eine Einigung. Gesundheitszustand von Ingrid Betancourt massiv verschlechtert

Von Harald Neuber *

Die kolumbianische Regierung hat den Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) erstmals einen Gefangenenaustausch angeboten. Damit rückte die rechtsgerichtete Staatsführung scheinbar von ihrem strikt militärischen Kurs im Kampf gegen die Guerilla ab. Bei einer Pressekonferenz im Regierungssitz Casa Nariño in Bogotá richtete der »Hochkommissar für den Frieden«, Luis Carlos Restrepo, eine entsprechende Offerte an die FARC: »Wir bieten jede mögliche juristischer Unterstützung für ein humanitäres Abkommen«, sagte der Regierungspolitiker, »unsere Bedingungen wurden maximal reduziert«. Die Regierung sei bereit, zahlreiche inhaftierte Rebellen zu entlassen, wenn die FARC im Gegenzug die franko-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt übergeben.

Kurz vorher hatte ein Unterhändler über massive Gesundheitsprobleme der 46jährigen berichtet, die sich seit gut sechs Jahren in der Gewalt der FARC befindet. Betancourt leide unter Hepatitis B, von der die Funktion der Leber massiv betroffen ist. Zudem habe sie eine Leishmaniasis, einer stark entzündlichen tropische Hauterkrankung, die von Insektenstichen hervorgerufen wird. Im Februar sei sie wegen der akuten Symptome bereits in einem abgelegenen Gesundheitsposten behandelt worden, berichtete Wolmar Pérez.

Daß die Regierung des ultrarechten Präsidenten Alvaro Uribe Vélez auf die Nachricht mit einem Angebot reagierte, zeigt, daß sie stark unter Druck steht. In den vergangenen Monaten hatte sie jegliche Verhandlungsinitiativen oppositioneller Politiker und auch der venezolanischen Regierung sabotiert. Uribe setzt mit Unterstützung aus Washington auf einen aggressiven militärischen Kurs gegen die Aufständischen. Sie wird deswegen nicht nur von Angehörigen der FARC-Gefangenen kritisiert, sondern auch von der französischen Staatsführung. Paris setzt sich für die Freilassung Betancourts ein, weil sie neben der kolumbianischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt. Würde die Politikerin die Guerillahaft wegen der Blockadehaltung der kolumbianischen Regierung nicht überleben, wäre der Schaden auch für Bogotá enorm.

Trotzdem pokert die Regierung nach wie vor hoch, denn das Angebot Restrepos ist für die Guerilla kaum akzeptabel. Ließen die FARC Betancourt und den ebenfalls gesundheitlich angeschlagenen ehemaligen Kongreßabgeordneten Oscar Lizcano frei, bestünde die Möglichkeit, inhaftierte Guerilleros zu entlassen, deutete Restrepo vage an. Die Haftbefreiung würde aber auch dann nur auf Bewährung gewährt. Mehr Einschränkungen waren kaum mehr möglich. Auch auf die Forderung der FARC, für die Verhandlungen eine »entmilitarisierte Zone« zu schaffen, ist die Regierung nicht eingegangen. So war am Ende nur eines klar: Die Uribe-Führung spielt weiter mit dem Leben der Gefangenen.

* Aus: junge Welt, 29. März 2008

Das meldeten die Nachrichtenagenturen am 28. März

Kolumbien zu Austausch von Rebellen gegen Betancourt bereit

In der Geiselkrise um die Rebellenorganisation FARC ist die kolumbianische Regierung offenbar zu einem Gefangenenaustausch bereit. Friedenskommissar Luis Carlos Restrepo kündigte in Bogotá die mögliche Aussetzung von Haftstrafen für inhaftierte FARC-Rebellen an, sollte die verschleppte Politikerin Ingrid Betancourt "umgehend" freigelassen werden. Der Gesundheitszustand der vor mehr als sechs Jahren verschleppten Betancourt ist nach Angaben eines Vermittlers "sehr heikel". Betancourt leidet demnach an Hepatitis B sowie an einer durch Insektenstiche hervorgerufenen Hautinfektion.

Nach dem Fund radioaktiver Stoffe aus FARC-Besitz warf Bogotá den Rebellen vor, sich im internationalen Terrorismus betätigen zu wollen. Der nationale Polizeichef Oscar Naranjo sagte, die FARC bewege sich in der "Welt des Terrorismus" und wolle sich einen Namen als "weltweiter Aggressor" machen. Kolumbianische Behörden hatte nach eigenen Angaben in der vergangenen Woche 30 Kilo abgereichertes Uran in einem Elendsviertel von Bogotá sichergestellt. Die Informationen kommen demnach von Computerdateien des FARC-Vizechefs Raúl Reyes, den die kolumbianische Armee vor knapp einem Monat bei einem Angriff auf ecuadorianischem Territorium getötet hatte.

Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) kämpfen seit mehr als 40 Jahren gegen die Regierung in Bogotá. Die linksgerichteten Rebellen haben nach eigenen Angaben etwa 700 Menschen in ihrer Gewalt, darunter eine Gruppe von rund 40 sogenannten politischen Gefangenen. Unter ihnen ist die am 23. Februar 2002 verschleppte kolumbianisch-französische Grünen-Politikerin Betancourt, deren Schicksal international aufmerksam verfolgt wird.




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