Präsident Uribe in doppelten Schwierigkeiten
Kolumbien: Staatskrise wegen Geheimdienstaffäre - Streik der Ölarbeiter gegen die Regierung
Die im Folgenden dokumentierten Artikel illustrieren die gespannte Situation im südamerikanischen Drogen- und Bürgerkriegsland Kolumbien Ende Oktober 2005.
Geheimdienst bringt Uribe in Bredouille
Präsident muss zwei Vertraute entlassen
Von Gerhard Dilger, Porto Alegre
Der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe hat die Führung des Geheimdienstes DAS wegen
illegaler Kontakte zu den rechten Paramilitärs entlassen.
Peinlich für Álvaro Uribe: Nach kompromittierenden Berichten der rechtsliberalen Tageszeitung »El
Tiempo« muss Kolumbiens Präsident die Führungsspitze des kolumbianischen Geheimdienstes
DAS neu besetzen. Am Dienstag [25. Oktober] nahm Jorge Noguera, Uribe-Intimus und Leiter der Behörde,
seinen Hut. Sein uneinsichtiger Stellvertreter José Miguel Narváez wurde vom Staatschef entlassen.
Beiden werden Verbindungen zu den rechtsextremen Paramilitärs nachgesagt, die wegen
zahlreicher Massaker an der Zivilbevölkerung gefürchtet sind.
Ein Vertrauensmann Nogueras, so ein jüngst bekannt gewordener Tonbandmitschnitt, hatte offenbar
geplant, einen privaten Informationsdienst für die Todesschwadronen zu gründen. Der bedrängte
Chef bemühte sich daraufhin, das Ganze als Komplott seines Vizes darzustellen. Doch vorgestern
übernahm er die politische Verantwortung für eine »nebulöse Situation« und »Dinge, die im Staat
nicht vorkommen dürfen«. Ob ausgerechnet die ebenfalls Uribe-treue Staatsanwaltschaft den
jüngsten Skandal aufklären kann, darf allerdings bezweifelt werden.
Im Februar hatte »El Tiempo« enthüllt, dass im DAS Daten über Paramilitärs und Drogenhändler
gelöscht worden waren, die an die USA ausgeliefert werden sollten. Außerdem wurden Ein- und
Ausreisedaten straffällig gewordener Personen manipuliert. Der DAS ist direkt dem Präsidenten
unterstellt und auch für die Sicherheit führender Politiker im bevorstehenden Wahlkampf
verantwortlich.
Das ambivalente Verhältnis des Staatsapparates zu den mächtigen Todesschwadronen droht sich
zu einem Stolperstein für die angestrebte Wiederwahl Uribes im Mai 2006 auszuwachsen. Obwohl
der Präsident die Auslieferung des inhaftierten Bandenchefs und Drogencapos Diego Fernando
Murillo an die USA abgelehnt hatte, setzten die Paras letzte Woche den Entwaffnungsprozess aus.
Sie fordern die Rückkehr Murillos an den Verhandlungstisch mit der Regierung. Seit 2003 sollen
rund 11.000 rechte Kämpfer die Waffen niedergelegt haben. Es gehe darum, in Kolumbien und
international Glaubwürdigkeit für einen seriösen Prozess zu schaffen, appellierte Uribe vor Tagen an
die Paramilitärs, die vor allem in Nordkolumbien große Teile der öffentlichen Verwaltung fest im Griff
haben. Diese Aufgabe ist nun noch ein bisschen schwieriger geworden.
Aus: Neues Deutschland, 27. Oktober 2005
Investieren statt privatisieren
Kolumbianische Arbeiter im Hungerstreik gegen Regierungspläne, Teile der staatliche Ölgesellschaft zu verkaufen
Von Timo Berger
Die Auseinandersetzung zwischen Mineralölarbeitern und der kolumbianischen Regierung um die Zukunft der staatlichen Erdölgesellschaft ECOPETROL spitzt sich zu: Am Donnerstag vergangener Woche traten fünf Gewerkschaftsführer in einen unbefristeten Hungerstreik. Sie richten ihren Protest gegen Pläne der Regierung, eine Erdölraffinerie in Cartagena zu verkaufen. Am Dienstag demonstrierten Unterstützter in der Innenstadt von Cartagena gegen das Vorhaben.
»Wir sind bereit, bis zur letzten Konsequenz zu gehen«, kündigten Rafael Cabarcas, einer der Streikenden und Anführer der Mineralölarbeitergewerkschaft USO, gegenüber der kolumbianischen Tageszeitung El Universal vom Mittwoch an. Die Arbeiter wollen mit ihrer Aktion die Regierung zum Dialog über die Privatisierung bewegen. Den geplanten Verkauf eines mindestens 51-prozentigen Anteils an der Raffinerie von Cartagena lehnen sie ab.
Die Regierung argumentiert dagegen, für die längst fällige Erweiterung der Anlage würden nicht genügend Finanzmittel bereitstehen. Sie will deshalb ein neues Unternehmen gründen, für das ein internationaler Partner gesucht werden soll. Mit dem Verkauf der Raffinerie, so befürchten die Gewerkschafter jedoch, würde ein Prozeß der Privatisierung eingeleitet, in dessen Verlauf die staatliche Erdölgesellschaft ganz zerschlagen werden könnte.
Der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe hatte während des Wahlkampfs versprochen, ECOPETROL nicht zu privatisieren. Doch nach seinem Amtsantritt im Jahr 2002 verlängerte die Regierung Verträge, die die Multis Chevron Texaco und Oxy begünstigen. Einzelne Anlagen von ECOPETROL wurden bewußt dem Verfall überlassen, um sie leichter privatisieren zu können. Dagegen wehrten sich die Mineralölarbeiter im vergangenen Jahr mit einem einmonatigen Streik, der nach Zusagen der Regierung, ECOPETROL als staatlichen Betrieb zu erhalten und die Erweiterung und Modernisierung der Raffinerie in Cartagena endlich durchzuführen, Ende Mai 2004 beendet wurde.
Die Raffinerie von Cartagena liegt verkehrstechnisch für den Export und die Versorgung des Inlandes günstig. Doch die Anlagen aus dem Jahr 1956 sind mittlerweile so veraltet, daß sie dringend erneuert werden müssen, um die Rentabilität zu steigern und die Umweltauflagen zu erfüllen. Seit 2000 gab es immer wieder Initiativen aus den Reihen der Gewerkschaften und der lokalen Behörden, die Anlagen zu modernisieren. Bislang wurden sie aber nicht umgesetzt.
Aus: junge Welt, 28. Oktober 2005
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