Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gauck lobt Kolumbien für Aussöhnung

Bundespräsident verweist auf "Modell" Südafrikas *

Bundespräsident Joachim Gauck hat die Fortschritte im kolumbianischen Friedensprozess gewürdigt und zur weiteren Aussöhnung aufgerufen. »Wir Deutschen finden, dass eine Menge getan ist«, sagte Gauck in der Hauptstadt Bogotá. Grundsätzlich gelte: »Ohne Wahrheit wird es nie eine innere Versöhnung geben.« Es müsse irgendwann klar sein, wer in dem südamerikanischen Land Täter und wer Opfer sei.

Zurückhaltend reagierte der Bundespräsident auf die Frage, wie sich Deutschland in den kolumbianischen Friedensprozess einbringen könne. »Ich möchte da nicht als Ratgeber auftreten, als hätte ich den Schlüssel, der die Tür zur Wahrheit aufschließt«, sagte er. Die Verhältnisse in Kolumbien seien auch wesentlich anders als in Deutschland nach dem Fall der Mauer und der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. »Hier stehen sich die Menschen in einer anderen Art von Todfeindschaft gegenüber.«

Gauck verwies auf das südafrikanische Modell, das hier eher Orientierung bieten könnte. Südafrika hatte in den Wahrheitskommissionen jenseits gerichtlicher Prozesse darauf hingearbeitet, dass klar wird, wer Täter und wer Opfer ist - und so Tätern die Möglichkeit gegeben, sich zu entschuldigen, und Opfern die Gelegenheit, zu verzeihen.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 11. Mai 2013


Gaucks beredtes Schweigen

Von Martin Ling **

Bundespräsident Joachim Gauck verfolgt bei seinem Besuch in Kolumbien ein hehres Ziel: die Unterstützung der Aussöhnung in einem seit Jahrzehnten von einem bewaffneten Konflikt geprägten Land. Seit in Havanna die kolumbianische Regierung mit der FARC-Guerilla verhandelt, ist dieser Aussöhnungsprozess im Gange, wenn auch schleppend.

Und manches, was Gauck zur Aussöhnung im Generellen sagte, ist durchaus nicht von der Hand zu weisen: »Es gibt keinen dauerhaften Frieden, wenn die Interessen der Opfer nicht annähernd gewahrt werden.« Doch um eine solche Position glaubhaft zu vertreten, darf man nicht über Deutschlands Rolle in Kolumbiens Konflikt schweigen. Kolumbien ist Deutschlands Hauptlieferant für Steinkohle. Was hierzulande in Kraftwerken verheizt wird, heizt in Kolumbien massiv die Landkonflikte an und sorgt für neue Opfer, deren Interessen nicht gewahrt werden. Das ist keine linke Propaganda, sondern bittere Realität. Von Gauck gab es kein Wort zum Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru zu hören, das von Deutschland gerade ratifiziert wurde. Dabei kam selbst eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie über die mutmaßlichen Folgen des Freihandelsabkommens zu dem Schluss, dass damit die bestehenden Landkonflikte weiter verschärft würden. Schon jetzt gibt es vier Millionen Binnenflüchtlinge, weil die Wirtschaftsinteressen weniger über die sozialen Interessen vieler gestellt werden. Von Gauck dazu kein Wort. Das ist beschämend.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 11. Mai 2013 (Kommentar)


Zurück zur Kolumbien-Seite

Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"

Zurück zur Homepage