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"Der Frieden wird kommen, weil wir ihn verdient haben"

Gespräch mit drei Comandantes der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Über die Verhandlungen in Havanna, die Rolle der Intellektuellen und die Störmanöver von Expräsident Uribe *


Unser Autor Hernando Calvo Ospina wurde am 6. Juni 1961 im kolumbianischen Cali geboren. 1985 wurde er, als er in Quito, Ecuador, studierte, von Geheimdienst­agenten verschleppt und der kolumbianischen Kriminalpolizei übergeben, tagelang gefoltert und monatelang ohne Prozeß im Gefängnis festgehalten. Aufgrund internationaler Proteste mußte er Ende Dezember 1985 freigelassen werden. Unter dem Schutz der französischen Regierung gelangte er nach Paris, wo er seither lebt. Auch in Havanna haben sie ihre Gewohnheit nicht aufgegeben, im Morgengrauen aufzustehen. »Wir stehen um 4.30 Uhr auf, um die Hähne zu wecken, damit sie krähen«, lächelt Ricardo Téllez, besser bekannt als Rodrigo Granda. Ich bin für sieben Uhr morgens zum Interview mit drei Mitgliedern des Sekretariats, der obersten Führungsinstanz der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), einbestellt. Die drei Comandantes leiten die Verhandlungsdelegation der Guerilla bei den Gesprächen mit den Abgesandten der kolumbianischen Regierung in Havanna. Neben Granda treffe ich in Havanna Iván Márquez und Pablo Catatumbo. Es ist das erste Mal, daß es einem Journalisten gelingt, diese drei Guerillaführer gemeinsam für ein Gespräch zu gewinnen.


Seit sieben Monaten verhandeln Sie mit der Regierungskommission über einen Friedensprozeß. Sind Sie immer noch optimistisch?

Iván Márquez: Der Optimismus der FARC schöpft sich aus der Entschlossenheit, eine politische Lösung für diese Konfrontation zu finden, die nun schon fast 50 Jahre andauert. Da sie uns nicht militärisch besiegen können und wir nicht sie, müssen wir eine Alternative suchen. Außerdem zeigen die Umstände, die heutigen Realitäten in Kolumbien wie auf dem Kontinent, daß dies der Moment ist, einen unblutigen Ausweg zu finden. Kriege dauern nicht ewig. Und auf dieser Ebene unternehmen wir alle notwendigen Anstrengungen, um zu einer Verständigung mit der Regierung zu gelangen.

Was fühlen Sie, wenn Sie jemandem so nah gegenübersitzen, den Sie als Ihren Feind betrachten?

Iván Márquez: Obwohl sich am Tisch zwei Gruppen mit sehr entgegengesetzten, fast antagonistischen Sichtweisen gegenübersitzen, müssen wir uns dort tolerieren, um uns verstehen zu können. An einem Verhandlungstisch muß man die Gegenseite respektieren, und ich glaube, das geschieht beiderseitig. Es gibt Momente mit hitzigen, scharfen Diskussionen, aber die Lage beruhigt sich sehr schnell wieder, denn wir wissen, daß wir zu einer Verständigung kommen müssen.

Die Verhandlungen laufen zwischen zwei Kriegsparteien. Ich habe aber den Eindruck, daß Sie mehr Leidenschaft in die Gespräche einbringen...

Iván Márquez: Das stimmt. In der Regierung hat es immer die Tendenz gegeben, Frieden als die Unterwerfung der Guerilla zu verstehen und nicht Frieden durch strukturelle Veränderungen. Dort will man einen kostenlosen Frieden für die Oligarchien. Wir unternehmen große Anstrengungen, um sie verstehen zu lassen, daß es notwendig ist, eine Atmosphäre für den Frieden zu schaffen, und daß eine solche durch institutionelle und politische Veränderungen geschaffen werden kann. Wir sind uns sicher, daß das wichtigste für Kolumbien ist, eine wirkliche Demokratie zu garantieren, in der der Souverän, das Volk, die strategische Politik bestimmt. Eine Demokratie, in der die Meinung der Menschen zur Kenntnis genommen wird, ohne daß sie stigmatisiert und ermordet werden.

Vielleicht täusche ich mich, aber mir scheint, daß Präsident Juan Manuel Santos mehrfach einen Schritt zurückgehen wollte...

Rodrigo Granda: Ich glaube nicht, daß er zurückweicht, aber es scheint, daß er Angst vor der eigenen Courage bekommen hat. Es ist, als wenn er Angst vor dem Expräsidenten Álvaro Uribe, den Viehzüchtern, dem Machtapparat der Drogenhändler und Paramilitärs und dem steinzeitlichen Flügel in den Streitkräften hat. Santos fürchtet sich, obwohl er die Unterstützung eines wichtigen Teils der Industriellen, der Banker und der Kirchen hat. Die Umfragen zeigen, daß 87 Prozent der Kolumbianer ebenfalls Frieden wollen. Das Kräfteverhältnis zugunsten des Friedens ist offensichtlich. Aber es scheint, daß sich Santos nicht gegen diese von Uribe geführten Sektoren stellen will, deshalb plustert er sich uns gegenüber militärisch auf und vertritt unversöhnliche Positionen, die einen korrekten Verlauf der Gespräche verhindern.

Wir wissen, daß Uribe 13000 Paramilitärs vorbereitet hat, die inoffiziell als »Armee gegen die Rückgabe von Grund und Boden« bekannt sind. Wissen das die Armee und Santos etwa nicht? Natürlich wissen sie es. Hat Santos deshalb Angst? Oder hält er sie für ein mögliches Manöver gegen uns bereit?

Es ist klar, daß Uribe die Verhandlungen torpedieren will. Will er vielleicht ins Präsidentenamt zurückkehren?

Rodrigo Granda: Er will das, um sich abzusichern. Er hat Angst davor, wegen Drogenhandels nach Miami geschickt zu werden, oder wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu kommen. Ihm würde es in den Kram passen, wenn die Verhandlungen scheitern, um sich dem Land dann als Lösung anbieten zu können. Obwohl auch er das »Problem« der Guerilla in den acht Jahren seiner Regierungszeit nicht lösen konnte.

Wie ich Ihren Erklärungen entnehme und in Dokumenten gelesen habe, fordern Sie Reformen in den staatlichen Institutionen und eine Modernisierung des Staates selber. Für eine kommunistische, marxistisch-leninistische Guerilla klingt das seltsam...

Iván Márquez: Am Verhandlungstisch schlagen wir keine radikalen Veränderungen der politischen oder ökonomischen Strukturen des Staates vor. Dort sprechen wir nicht von Sozialismus oder Kommunismus. Was wir anstreben, sind Bedingungen, um zu einer Verständigung mit der Regierung zu kommen, in einem Raum, in dem sich die unterschiedlichen Sichtweisen treffen. Wir wissen, daß uns deshalb einige linke Organisationen, nicht nur in Kolumbien, bereits vorwerfen, zu einer reformistischen Guerilla geworden zu sein.

Wir haben Minimalvorschläge gemacht, so die hundert Punkte über das System der Landwirtschaft, die nichts anderes darstellen als ein Projekt zur Modernisierung des agrarischen Kolumbien, denn dort leben wir noch im Feudalismus. Aber stellen Sie sich vor, sogar in dieser Frage stoßen wir auf den Widerstand der Regierung.

Während in Havanna die Gespräche laufen, gibt es schwere militärische Zusammenstöße in Kolumbien...

Rodrigo Granda: Es ist die Regierung, die keinen Waffenstillstand will. Wir führen täglich schwere Kämpfe, im Durchschnitt drei am Tag. Wir haben große militärische Aktionen durchgeführt, die sie vor der Nation verschweigen. Aber hier haben wir auf beiden Seiten beschlossen, daß alles, was außerhalb des Verhandlungstisches passiert, hier keinen Einfluß haben darf.

Wir haben Beweise für unseren Willen geliefert, so durch den einseitigen Waffenstillstand über die vergangenen Weihnachtstage, auch wenn wir uns gegen die Angriffe der Armee verteidigen mußten. Und was ebenfalls verschwiegen wird, ist, daß die transnationalen Konzerne in dieser Zeit ihre Gewinne steigern konnten, weil sie nicht unter unserem Druck standen. Deshalb ist für sie einer der Hauptgründe dafür, mit der Guerilla wie auch immer Schluß zu machen, daß die transnationalen Konzerne in aller Ruhe rauben können, was sie wollen.

An welchem Punkt gibt sich die Regierung in den Verhandlungen bislang am meisten unnachgiebig?

Iván Márquez: Ohne jeden Zweifel in ihrer Entschlossenheit, das Eigentum der Großgrundbesitzer nicht anzutasten, die sich den größten Teil ihres Besitzes durch die gewaltsame Vertreibung der Landbevölkerung angeeignet haben. Sie haben Angst. Ihre Vertreter haben uns im Gespräch gesagt, daß diese Frage »die Dämonen des Paramilitarismus« heraufbeschwören könnten. Sie haben Angst davor, den Viehzüchtern und Großgrundbesitzern ein Drittel der 30 Millionen Hektar in ihrem Besitz wegzunehmen, obwohl über diese Ländereien nicht mal Kühe laufen.

Aber eine Agrarreform, ohne den Großbesitz anzutasten, ist keine Reform. Dem Landbesitz müssen Grenzen gesetzt werden. Die Regierung hat nicht einmal daran gedacht, eine Abgabe als Strafe einzuführen, um den Besitz unproduktiver Ländereien aufzulösen. Als wir vorgeschlagen haben, diesen Großgrundbesitz zu belasten, hat die Regierung geantwortet, sie wisse nicht, wo sich dieser befinde und welche Ausdehnung er habe. Deshalb hat sie vorgeschlagen, zuerst einmal ein Kataster einzuführen, was sieben oder zehn Jahre dauern könnte. Was sie nicht sagen, ist, daß die Großgrundbesitzer in dieser Zeit die Latifundien an die transnationalen Konzerne verkaufen oder verpachten können. Das ist die Strategie, die sie entwickeln.

Wenn sich die kolumbianische Regierung zu Verhandlungen mit den FARC bereitgefunden hat, dann, weil Washington damit einverstanden war. Wie ist die politische Haltung gegenwärtig?

Iván Márquez: Vor kurzem haben 62 Kongreßabgeordnete der Vereinigten Staaten, unter ihnen zwei Republikaner, unter der Führung von Jim McGovern einen Brief zur Unterstützung des Dialogs unterzeichnet. Diese Botschaft wurde an Außenminister John Kerry übersandt. Wir haben diese altruistische Geste begrüßt. Aber auch das Weiße Haus und das State Department haben ihre Unterstützung erklärt.

Natürlich gibt es auch dort Interessengegensätze, denn der kolumbianische Konflikt bringt Geld. Die mächtigen Rüstungskonzerne wollen dieses Geschäft nicht verlieren.

Sie sind entschlossen, den bewaffneten Kampf aufzugeben. Was muß Ihnen die Regierung anbieten, um das zu erreichen? Und in was würden Sie sich verwandeln?

Rodrigo Granda: Präsident Santos hat uns in dem Briefwechsel, den er am Anfang mit uns hatte, mitgeteilt, daß er die Türen für eine wirkliche Demokratie im Land öffnen möchte. Das hat uns aufmerksam gemacht, denn wir haben nie gesagt, daß der bewaffnete Kampf der einzige Weg zur Veränderung des Landes wäre. Wir haben uns bewaffnet erhoben und kämpfen weiter, weil die Gewalt die Türen zu einer politischen Beteiligung verschlossen hatte.

Wenn sich die Möglichkeit öffnet, gleichberechtigt legal Politik zu betreiben, ohne in der ständigen Gefahr einer Ermordung zu stehen, und wenn politische Reformen durchgeführt werden, die das Land zu einer partizipativen Demokratie entwickeln können, sind wir dabei. Denn so könnte ein für die revolutionäre Bewegung vorteilhaftes Kräfteverhältnis geschaffen werden, um die notwendigen radikalen Veränderungen auf den Weg zu bringen. Wir nehmen diese Herausforderung an.

Pablo Catatumbo: Notwendig ist der Aufbau einer starken Massenbewegung, die die Veränderungen durchsetzt, denn das Establishment wird sie uns nicht schenken. Das ist eine Aufgabe von uns, den Aktivisten der Linken und der Demokraten. Es gilt, einen Machtblock zu bilden, der alle umfaßt, die für ein neues Kolumbien eintreten.

Aber während wir davon am Verhandlungstisch sprechen, geht die Repression im ganzen Land weiter. Die Regierung ist kein bißchen von ihrem Umgang mit den sozialen Protesten abgewichen: Sie werden stigmatisiert und mit der Guerilla in Verbindung gebracht, um sie zu kriminalisieren und militärisch zu zerschlagen. Wenn es etwas gibt, das uns sehr klar ist, dann, daß wir nicht bereit sind, die Erfahrung der Unión Patriótica zu wiederholen, als fast 4000 Mitglieder und Führungspersönlichkeiten ermordet wurden. (Die UP wurde 1985 als Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Regierung Belisario Betancur und den FARC als legale Partei gegründet. Gegen sie wurde ein schmutziger Krieg entfesselt, den die kolumbianische Justiz als »politischen Genozid« bezeichnet – d. Autor)

Wenn sie nicht manipuliert wird, lügt die Geschichte nicht: Die Gewalt ging von ihnen aus. Wenn wir die Abgesandten der Regierung bei diesen Verhandlungen daran erinnern, antworten sie, daß sie nicht da seien, um davon zu hören. Warum? Wovor haben sie Angst oder Scham? Wenn man die Geschichte der politischen Gewalt in Kolumbien nicht kennt, wie sollen wir wissen, warum wir in die gegenwärtige Lage geraten sind und wie wir sie lösen können?

Iván Márquez: Es gibt drei Punkte auf der Tagesordnung, die behandelt werden müssen: Garantien, um politische Aktivitäten realisieren zu können, die politische Beteiligung sowie eine bilaterale und endgültige Feuereinstellung. In letzterem Zusammenhang wird auch über das Niederlegen der Waffen zu sprechen sein. Aber verstehen Sie mich richtig: es geht nicht darum, Waffen abzugeben. Wir können uns jetzt zu diesen Punkten nicht ausführlicher äußern, solange sie nicht am Verhandlungstisch diskutiert wurden, und sie sind die letzten auf der Agenda.

Und was passiert mit dem Paramilitarismus?

Iván Márquez: Er muß endgültig ausgerottet werden, denn ohne das kann es keine Sicherheit für eine aufständische Organisation geben, die sich in das legale politische Leben integriert. Das ist eine unumgängliche Bedingung für ein Friedensabkommen. Und es ist die Regierung, die ihren Generälen den Befehl geben muß, diese Aufstandsbekämpfungsstrategie des Staates aufzugeben.

Sind Sie bereit, für den Teil des Leidens, den Sie in diesem Krieg verursacht haben, um Verzeihung zu bitten?

Pablo Catatumbo: Es stimmt, wir haben Fehler begangen, auch schwere Fehler. Aber was auch immer die Propaganda behauptet, Aggressionen gegen die Bevölkerung waren nie eine Strategie der FARC. Im Gegenteil, wir haben sie vor allem auf dem Land gegen die Armee und ihre Paramilitärs verteidigt.

Ich habe kein Problem damit, einer Dame oder einer Familie zu sagen: »Ich teile den Schmerz, den wir durch den Tod Ihres Angehörigen angerichtet haben.« Aber die Sache ist sehr viel komplizierter. Muß um Verzeihung gebeten werden? Nun gut, dann sollen sich die Unternehmerverbände, die den Krieg und die Paramilitärs finanziert haben, mit uns zusammen hinsetzen. Alle Institutionen des Staates sollen kommen, denn sie sind auf Repression und straflose Verbrechen ausgerichtet. Auch die großen Massenmedien sollen kommen, denn sie haben die von den Sicherheitsorganen verbreitete Stigmatisierung reproduziert, die den Morden und Massakern vorausgegangen sind. Auch die rechten Parteien sollen sich hinsetzen und zu ihrer großen Verantwortung stehen. Die Expräsidenten der Republik, die die Befehle gegeben haben. Nicht einmal die katholische Kirche darf ihre Schuld verleugnen! Und bei diesem Akt außen vor bleiben dürfen auch nicht die Regierungen der USA, Israels, bestimmter Länder Europas und andere, die die verschiedenen verbrecherischen Regierungen Kolumbiens unterstützt haben. Wenn alle zusammen sitzen, können wir sehen, wer die Terroristen und die Mörder des Volkes gewesen sind.

Sie machen, sicherlich mit Recht, die Streitkräfte und die großen Massenmedien für die psychologische Kriegführung und Propaganda gegen die Aufständischen verantwortlich. Aber ich glaube, auch ein wichtiger Teil der sogenannten Intellektuellen wütet gegen den bewaffneten Kampf, den sie bis gestern selbst noch unterstützt haben...

Pablo Catatumbo: Die Mehrheit der Intellektuellen in Kolumbien und sicherlich weltweit leidet unter Feigheit, Anpassung oder beidem. Fast alle haben sich vom System in das Lügengeflecht hineinziehen lassen und nutzen es, um zu »theoretisieren«, Falschheiten zu kreieren und zu wiederholen. Viele verbringen ihren Tag mit Reden gegen die Manipulation der Me­dien, aber wenn das System eine Kampagne gegen ein Ziel startet, plappern sie das wie Papageien nach.

Im Fall Kolumbiens hat das System ihnen in den Kopf gesetzt, daß die Guerilla an allem schuld ist. Obwohl sich viele von ihnen für Linke gehalten haben oder immer noch halten, stimmen sie in den Chor ein, daß wir für Gewalt, Drogenhandel, Entführungen, Armut, Benzinpreissteigerung und die Verteuerung der Bananen verantwortlich sind. Wenn morgen die Vögel aufhören würden zu singen, würden diese »Intellektuellen« wiederholen, was die Regierung und die Medien sagen: Die Guerilla ist daran schuld! Ihre Analysen und Theorien vertragen nicht die kleinste Debatte, zumindest keine Diskussion mit uns.

Ich muß anerkennen, daß ich nicht sehr optimistisch über diese Verhandlungen bin. Ich glaube, daß Kolumbien und die Kolumbianer einen Frieden mit sozialer Gerechtigkeit verdient haben, aber ich kenne den kolumbianischen Staat, und ich kenne seinen Herrn, die Vereinigten Staaten, der in letzter Instanz entscheidet. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß diese lange Nacht, die der Staatsterrorismus über die Kolumbianer gebracht hat, beendet wird und es endlich Morgen wird.

Pablo Catatumbo: Die politischen Bedingungen in Lateinamerika haben sich geändert. Wer hätte sich vorstellen können, was in Venezuela und Bolivien geschehen ist, seit Chávez und Evo gekommen sind? Wer hätte sich vorstellen können, daß andere Regierungen Lateinamerikas von den USA die Respektierung ihrer Souveränität fordern würden?

In Kolumbien gibt es eine Anhäufung von Hunger, Ausgrenzung, Ungerechtigkeit und Repression. Es kommt ein Moment, an dem die Menschen es nicht mehr aushalten können. Es gibt viele Prozesse, die sich noch im Larvenstadium befinden, die aber in jedem Augenblick ausbrechen können. Es herrscht Druck im Kessel, der schon morgen explodieren kann.

Zudem üben die Nachbarländer Druck auf die Regierung aus, weil sie der Auswirkungen des Konflikts müde sind. In Venezuela leben vier Millionen Vertriebene aus Kolumbien, in Ecuador fast zwei Millionen.

Wir sind Optimisten. Wir Revolutionäre müssen Optimisten sein, auch in den schlimmsten Situationen. Und wir glauben, daß der Frieden nach Kolumbien kommen wird, weil wir ihn verdient haben. Die andere Perspektive ist der totale Krieg. Deshalb sage ich, daß der Zeitpunkt gekommen ist, auch wenn es nicht leicht ist.

Interview: Hernando Calvo Ospina

[Übersetzung: André Scheer]

* Aus: junge Welt, Samstag, 10. August 2013


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