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Zähe Friedensverhandlungen in Havanna

Kolumbiens Kriegsparteien einigen sich auf die Verschiebung der nächsten Runde

Von Leo Burghardt, Havanna *

Die Friedensverhandlungen in Havanna zwischen der kolumbianischen Guerilla FARC und der Regierung in Bogotá kommen nur schleppend voran. Der Beginn der siebten Gesprächsrunde wurde deswegen auf den 15. April verschoben.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Unterhändler der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation FARC/EP, die seit November in Havanna nach Wegen zur Beendigung ihres jahrzehntelangen Krieges suchen, haben sich vertagt. Statt am 2. April startet die geplante siebte Gesprächsrunde am 15. April. Beide Seiten versicherten in einer Erklärung sinngemäß, dass nicht etwa besorgniserregende Diskrepanzen aufgetaucht seien, vielmehr müssten trotz aller Fortschritte zum Punkt 1, dem komplizierten Thema der Entwicklung einer integralen Agrarpolitik und einer gerechten Landverteilung, einige Unstimmigkeiten noch bereinigt werden. Das sei abseits des Verhandlungstisches und von jeder Seite für sich »passgerechter« möglich. Während der Pause wollen sie erneut die Nationaluniversität Kolumbiens und die UNO kontaktieren. Für Ende des Monats haben sie außerdem zu einem weiteren nationalen Forum eingeladen. Beim ersten leisteten im Dezember etliche Sachverständige, soziale Organisationen und Parteien ihren Beitrag zur Suche nach Frieden.

Der Krieg hatte sich vor Jahrzehnten an der extrem ungerechten Verteilung des Bodens und den barbarischen Methoden entzündet, mit denen die Landlords die kleinen Bauern von ihrer Scholle vertrieben. 600 000 Menschen wurden Opfer von Gewalt und Gegengewalt. Um den Großen und deren Verbündeten in der Stadt nicht schutzlos ausgeliefert zu sein, schlossen sich die Bauern zu Guerillaorganisationen zusammen. Daraus gingen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens/Volksheer (FARC/EP) hervor, die in ihren besten Zeiten 18 000 Männer und Frauen unter Waffen hatten. Sie kontrollierten gemeinsam mit zwei anderen Organisationen ein Gebiet von der Größe Deutschlands. Der erste Versuch, einen gerechten Frieden auszuhandeln (1999), misslang ebenso, wie zwei weitere.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen registrierte 2011 »eine alarmierende Konzentration des Bodenbesitzes in Kolumbien«. Während drei Millionen Familien zusammen knapp fünf Millionen Hektar Land besitzen, nennen 3000 Latifundistas 40 Millionen Hektar ihr Eigen. 64 Prozent der bäuerlichen Bevölkerung sind arm.

Präsident Juan Manuel Santos, seit 2010 im Amt, glaubt an seine Chance, das ändern zu können. Denn beiden Seiten ist klargeworden, dass sie militärisch nicht siegen können. Doch Santos hat es nicht leicht. Erbitterter Gegner ist zum Beispiel sein Vorgänger Alvaro Uribe, der nie die Vorwürfe aus der Welt zu schaffen vermochte, er sei Partner der Drogenmafia gewesen. Es war Uribe, der den USA Militärstützpunkte in Kolumbien zur Verfügung stellte. Allerdings hatte auch er versucht, mit der Guerilla zu verhandeln. Nachdem das geplatzt war, tat und tut er sich als lautstarker Trommler gegen die Gespräche hervor.

Die vom ehemaligen Vizepräsidenten Humberto de la Calle geleitete Regierungsdelegation hat wiederholt erklärt, dass sie nur über die Themen verhandeln wird, die in den Vorgesprächen in Oslo und Havanna festgelegt worden waren. Die FARC versucht dennoch, immer wieder auch Themen wie die Auslandsverschuldung Kolumbiens oder den Streik der Kaffeebauern unterzubringen. Das verzögert die Verhandlungen, unterläuft sie aber offenbar nicht. Comandante Tellez sprach davon dass man »Vertrauen zueinander gewonnen« habe. Und Humberto de la Calle: »Es hat keinen Schritt zurückgegeben.«

* Aus: neues deutschland, Samstag, 6. April 2013


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