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FARC lassen frei

Kolumbien: Guerilla kündigt Ende der Entführungen an. Staatschef Santos: Das reicht nicht

Von Santiago Baez *

Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) wollen einen wichtigen Schritt zu einer politischen Beendigung des seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieges in dem südamerikanischen Land tun. In einer am Sonntag (Ortszeit) verbreiteten Erklärung kündigte die Guerillaorganisation an, alle noch in ihrer Gewalt befindlichen Soldaten und Offiziere freizulassen und künftig auf die Gefangennahme von Zivilisten zu verzichten.

Bereits im Dezember hatten die FARC versprochen, sechs Militärs aus der Gefangenschaft zu entlassen. Nun sollen auch die »übrigen vier« freikommen, wie es in dem Kommuniqué heißt. Ob die Guerilla damit tatsächlich alle ihre Gefangenen entläßt, ist unklar. Bürgerliche Medien spekulieren über mehrere hundert Zivilisten, die von den Aufständischen entführt worden seien, um Lösegeld zu erpressen. Diese Zahl ist schwer zu überprüfen, da auch kriminelle Banden in dem südamerikanischen Land gelegentlich unter dem Label der Guerilla Zahlungen erzwingen. »Es ist an der Zeit, daß klar wird, wer und warum heute in Kolumbien Entführungen begeht«, heißt es dazu in der vom Sekretariat des FARC-Oberkommandos unterzeichneten Erklärung.

Die FARC selber wollen künftig auf Geiselnahmen »aus finanziellen Gründen« verzichten. Man habe das im Jahr 2000 verkündete »Gesetz 002« aufgehoben, heißt es in der Erklärung. Diesem Papier zufolge verlangte die Guerilla von jedem Unternehmen und jeder Personen, das bzw. die über mehr als eine Million Dollar verfügt, eine Revolutionssteuer von zehn Prozent. Wer nicht zahlte, lief Gefahr, von den Guerilleros bis zur Begleichung der Schuld gefangengenommen zu werden.

Nun kündigen die Aufständischen an, auf andere Möglichkeiten zurückgreifen zu wollen, ihren Kampf zu finanzieren und politischen Druck auf das Regime auszuüben. Die Kraft dafür habe man: »Die militärische Stärkung der FARC, die sich heute vor der Nase derjenigen zeigt, die bereits das Ende vom Ende (der Guerilla) verkündet hatten, bringt diese dazu, die Notwendigkeit einer Verschärfung von Terror und Gewalt zu proklamieren. Wir unsererseits denken, daß die Möglichkeit zur Aufnahme von Gesprächen nicht länger hinausgeschoben werden sollte.«

Tatsächlich hatten in den vergangenen Monaten unter anderem das Rote Kreuz oder der verteidigungspolitische Berater des früheren Staatschefs Álvaro Uribe, Alfredo Rangel Suárez, davon gesprochen, daß die FARC nach den schweren Rückschlägen der vergangenen Jahre wieder stärker geworden sei. Die Regierung habe die wachsende Zahl von Operationen als Zeichen von deren Schwäche gewertet, so Rangel Suárez Anfang Februar im Rundfunksender Actualidad 1020 AM, »aber die Wahrheit ist, daß es eine Stärkung und neuen Auftrieb der Aktionen der Guerilla in vielen Departamentos Kolumbiens gibt«.

Staatschef Juan Manuel Santos begrüßte die Ankündigung der FARC. Die Freilassung aller gefangene Militärs sei ein »wichtiger und notwendiger Schritt«, reiche jedoch noch nicht aus, erklärte er über den Internetdienst Twitter. Die Regierung werde alle für die Durchführung der Freilassung der zehn Uniformierten notwendigen Garantien geben, betonte er. Als Vermittler hatten beide Seiten die brasilianische Regierung eingeschaltet. Als Datum für die Übergabe wird inzwischen Ende März genannt.

Die FARC entstanden Anfang der 60er Jahre aus dem auch bewaffnet geführten Widerstandskampf von Landbewohnern gegen die Großgrundbesitzer, die Tausende Kleinbauern von deren Grund und Boden vertrieben hatten. Zentrale Forderungen der Organisation, die bis Anfang der 90er Jahre als bewaffneter Arm der Kolumbianischen Kommunistischen Partei (PCC) galt, sind daher eine Bodenreform und die Errichtung einer tatsächlichen Demokratie in dem südamerikanischen Land. Bogotá, die USA und die EU werfen den FARC vor, ihren Kampf mit allen Mitteln aus dem Drogenschmuggel zu finanzieren, was diese bestreiten.

* Aus: junge Welt, 28. Februar 2012


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