Entführter Gouverneur in Kolumbien getötet
Cuéllar kam vermutlich bei versuchter Geiselbefreiung ums Leben / Kritik an der Militärpolitik von Präsident Uribe
Von Harald Neuber *
Wenige Stunden nachdem er am Montagabend von einem Kommando entführt
worden war, wurde der Gouverneur des südkolumbianischen Departements
Caquetá, Luis Francisco Cuéllar, am Dienstag getötet.
Bauern fanden die Leiche des 69-jährigen Viehzüchters und
Regionalpolitikers in einem Flussbett nahe der Regionalhauptstadt
Florencia. Der rechtsgerichtete Präsident des Landes, Alvaro Uribe
Vélez, machte für den Tod Cuéllars die Guerillaorganisation
Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) verantwortlich.
Cuéllar hatte am Dienstag seinen 69. Geburtstag begangen. Nach Ende
einer Feier am Montagabend waren Unbekannte schwer bewaffnet in das Haus
des Regionalpolitikers eingedrungen und hatten ihn verschleppt. Bei der
Aktion wurde ein Polizist, der vor dem Anwesen stationiert war, von den
Angreifern erschossen, zwei weitere Beamte wurden verletzt.
In einer Radio- und Fernsehansprache gab Uribe den Tod Cuéllars bekannt.
Als er von dem Kidnapping erfuhr, habe er umgehend die militärische
Befreiung des Gouverneurs angeordnet. Was dann geschah, ist unklar. Nach
Uribes Angaben wurde Cuéllar von Mitgliedern der FARC »auf
niederträchtige Weise abgeschlachtet«. Zuvor schon hatte der
Regierungssekretär von Caquetá, Edilberto Ramón Endo, Details bekannt
gegeben. Wie die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina unter
Berufung auf Endo berichtete, wies die Leiche Cuéllars neben einer Wunde
im Nacken zahlreiche Einschüsse auf. Dies könnte darauf hinweisen, dass
der Regionalpolitiker bei einem Feuergefecht im Rahmen des militärischen
Befreiungsversuchs ums Leben kam. Uribe hatte dies in seiner Rede nicht
erwähnt. Stattdessen rief er die Staatengemeinschaft auf, die
Rebellengruppen des Landes als terroristische Organisationen
einzustufen. Der gewaltsame Tod Cuéllars bedroht nun auch Versuche,
Gefangene der Guerilla auf diplomatischem Weg zu befreien. Ebenfalls am
Dienstag hatte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes erklärt,
sich nicht weiter für eine humanitäre Lösung der Gefangenenkrise
einzusetzen. Angesichts des Beharrens der Regierung Uribes auf
militärische Lösungen fehlten dafür die notwendigen Garantien. Kritik
kam am Dienstag auch von Gustavo Moncayo. Der Hochschulprofessor setzt
sich seit Jahren für die Freilassung seines Sohnes Pablo Emilio ein. Der
junge Soldat war vor zwölf Jahren während eines Gefechtes in die Hände
der FARC gefallen. Die liberale Senatorin und Uribe-Kritikerin Piedad
Córdoba äußerte nach dem Tod Cuéllars die Hoffnung auf eine humanitäre
Lösung des Problems. Nach Angaben des Internetdienstes ANNCOL, der über
enge Kontakte zur FARC-Guerilla verfügt, ist diese Organisation weiter
zu einem humanitären Abkommen bereit.
Der gewaltsame Tod Cuéllars ist der schwerwiegendste Fall politischer
Gewalt seit 2002. Damals waren der Gouverneur des Departements
Antioquia, Guillermo Gaviria, und der ehemalige Verteidigungsminister
Gilberto Echeverri von einem Rebellenkommando entführt worden. Beide
kamen 13 Monate später bei einem Befreiungsversuch ums Leben.
* Aus: Neues Deutschland, 24. Dezember 2009
Entführter Gouverneur tot **
Luis Francisco Cuéllar ist tot. Der am Montag abend (21. Dez.) in der
Provinzhauptstadt Florencia entführte Gouverneur des im Süden Kolumbiens
gelegenen Departamentos Caquetá wurde keine 24 Stunden später in einem
Vorort der Stadt ermordet aufgefunden. Der kolumbianische Präsident
Álvaro Uribe machte umgehend die Guerilla der Revolutionären
Streitkräfte Kolumbiens (FARC) für das Verbrechen verantwortlich. »Weil
sie von den Sicherheitskräften verfolgt wurden, haben die Terroristen
dem Herrn Gouverneur die Kehle durchgeschnitten, um nicht schießen zu
müssen«, sagte Uribe in Bogotá. Der Staatschef forderte die Armee auf,
alle Gefangenen der Guerilla militärisch zu befreien.
Diese Forderung hat der als »Friedenswanderer« bekannt gewordene Lehrer
Gustavo Moncayo entsetzt zurückgewiesen. Der Vater des seit zwölf Jahren
von den FARC gefangengehaltenen Soldaten Pablo Emilio Moncayo, dessen
angekündigte Freilassung durch die jüngsten Ereignisse in weite Ferne
gerückt sein dürfte, warnte, daß Militäroperationen das Leben seines
Sohnes und der anderen Gefangenen in Gefahr brächten.
Zugleich wachsen jedoch auch die Zweifel, ob tatsächlich die Guerilla
hinter dem Anschlag auf den Gouverneur steht. Miguel Suárez verweist in
Café Stereo, einem von kolumbianischen Journalisten im schwedischen Exil
betriebenen Webradio, auf die geringe Zahl von Polizisten, die den
Politiker zum Zeitpunkt des Überfalls beschützten. »Wenn sie, wie ein
hoher Offizier erklärte, wußten, daß die FARC ›etwas Großes‹ planten,
warum ließen sie die Residenz des Gouverneurs dann nur von zwei
Polizisten bewachen, die von der angeblichen Guerillagruppe leicht
überwältigt werden konnten?« Überhaupt sei die Region weniger von
Aktivitäten der Guerilla geprägt, sondern vielmehr von einem »Krieg«
zwischen rechten Paramilitärs und der Copa-Mafia.
Bereits im November 2008 hatte Radio Santa Fé aus Bogotá berichtet, die
kolumbianische Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen gegen Gouverneur
Cuéllar wegen dessen mutmaßlicher Verbindungen zu paramilitärischen
Gruppen aufgenommen. Gestützt hatten sich die Ermittlungen damals auf
Aussagen des früheren Paramilitärs Luis Alberto Medina, genannt
»Cristomalo«, der ausgesagt hatte, daß der Gouverneur ebenso wie die
Bürgermeisterin von Florencia, Patricia Farfán, Verbündete der
Todesschwadronen seien. Cuéllar habe den damaligen obersten Chef der
Paramilitärs, Carlos Castaño, bereits 1997 gebeten, eine
»Selbstverteidigungsgruppe« in dem Departamento zu installieren. Auch
Geldmittel seien von der Provinzregierung an die Paramilitärs geflossen.
André Scheer
** Aus: junge Welt, 24. Dezember 2009
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