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Friedensinitiative aus Venezuela

Präsident Chávez bietet Kolumbien Vermittlung in bewaffnetem Konflikt an. Gespräch mit Betroffenen in Caracas. Vorstoß setzt Hardliner Uribe unter Druck

Von Harald Neuber *

Überraschend hat Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Montag nachmittag (Ortszeit) seine Bereitschaft erklärt, sich für die Freilassung von Gefangenen der linken Guerillaorganisation »Revolutionäre Streitkräfte« (FARC) im Nachbarland Kolumbien einzusetzen. Nach einem Treffen mit Angehörigen von Gefangenen bot er sich der Regierung in Bogotá als Vermittler an. Zu den Teilnehmern der Zusammenkunft im Präsidentenpalast Miraflores gehörten auch die Politikerin der Liberalen Partei Kolumbiens Piedad Córdoba und die Mutter der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die sich seit drei Jahren in FARC-Gefangenschaft befindet.

Die Initiative, die auf Bitte der Angehörigen zustande kam, straft Darstellungen Lügen, der venezolanische Staatschef unterstütze die linke Guerilla im Nachbarland. Er werde bald nach Kolumbien reisen, kündigte Chávez nun an, um mit seinem Amtskollegen Álvaro Uribe Vélez zu sprechen. Allerdings sei auch die FARC-Guerilla aufgefordert, Verhandlungsbereitschaft zu zeigen. »Beide Seiten werden nachgeben müssen«, sagte der venezolanische Staatschef, »und beide Seiten werden Gefangene freilassen müssen«. Als Zeichen des guten Willens kündigte er selbst die Entlassung von 27 kolumbianischen Paramilitärs an, die in Venezuela 2004 wegen der Vorbereitung eines Umsturzes inhaftiert worden waren.

Der Vorstoß von Chávez setzt den kolumbianischen Präsidenten Uribe unter Druck. Weil sich der ultrarechte Politiker seit Jahren vehement weigert, auf die Forderungen der Guerilla einzugehen, ist ein Gefangenenaustausch bislang nicht zustande gekommen. Es dürfte dem Hardliner in Bogotá nicht gefallen, daß nun ausgerechnet Chávez die Initiative an sich zieht. Grund dafür hat er: Der Jahrzehnte währende bewaffnete und soziale Konflikt in Kolumbien bedroht zunehmend die Sicherheit der Anrainerstaaten, darunter Venezuela.

»Ich habe gegenüber den Angehörigen gesagt, daß ich nur dann tätig werde, wenn die Regierung in Kolumbien das akzeptiert«, sagte Chávez am Montag. Nun ist Uribe am Zug. Nimmt er das Angebot aus Caracas an, überläßt er die Initiative dem Nachbarn. Lehnt er es ab, wird er sich der ohnehin wachsenden Kritik aussetzen, einen friedlichen Ausweg aus dem Konflikt durch seine Halsstarrigkeit zu verhindern.

* Aus: junge Welt, 22. August 2007


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