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Büffel für den Frieden

Eine Bauernvereinigung ist eine der größten Basisorganisationen Kolumbiens

Von Knut Henkel *

Rund 25 000 Bauern gehören der Organisation aus dem Cimitarra-Tal in Kolumbien an, die für den friedlichen Wandel eintritt. Gerade haben die Bauern den nationalen Friedenspreis in Bogotá erhalten – auch ein Wink an die Regierung, mit der Kriminalisierung der Organisation aufzuhören.

»Die Büffel sind für uns ein wichtiger ökonomischer Eckpfeiler. Als die ersten Tiere über ein Hilfsprojekt von den Vereinten Nationalen zu uns kamen, waren wir froh, Hilfe zu erhalten. Heute geben wir Tiere gezielt an andere Bauernorganisationen weiter, damit sie die Zucht fortsetzen. Das ist ein Ziel des Hilfsprojekts, das wir gerne untersützen«, erklärt María Irene Ramírez. Sie ist Schatzmeisterin der Asociación de Campesinos del Valle del Río Cimitarra, einer Bauernorganisation aus dem Tal des Cimitarra. Das liegt im Nordwesten Kolumbiens, nahe kolumbiansichen Erdölmetropole Barrancabermeja. In der am Magdalena Medio gelegenen Stadt, die eine der größten Raffinierien des Landes beherbergt, befindet sich auch das Büro der Bauernorganisation. Die besteht seit Mitte der 1990er Jahre und tritt für die Rechte der Bauern in der Region ein.

Viele von ihnen, wie Álvaro García, der mit María Irena Ramírez das Büro teilt, stammen aus anderen Landesteilen. »Ich bin mit meiner Familie 2007 von Paramilitärs vertrieben worden und will mir nun eine neue Perspektive aufbauen«, erklärt der schlaksige Mann von Mitte fünfzig. Das gilt für viele Bauern, die der Organisation angehören. Die tritt für die Menschenrechte ein und für den Schutz kleinbäuerliche Perspektiven in der an Ressourcen reichen Region. »Der Reichtum an Ressourcen wie Öl, Gold, Wasser oder Holz hat dazu geführt, dass das Tal des Cimitarra in den Blickpunkt internationaler und nationaler Investoren geraten ist«, sagt Álvaro García und streicht sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn.

Die Vertreibung der Bauern ist seither ein wiederkehrendes Thema und darauf haben die Bauern erstmals 1996 mit Protestmärschen in Barrancabermeja und San Pablo aufmerksam gemacht, um die Regierung zu sozialen Investitionen und den Schutz der Menschenrechte zu bewegen. Mit bescheidenem Erfolg, denn die Bauern leben nach wie vor gefährlich. »In der Region operieren immer noch Paramilitärs. Heute nennen sie sich Aguilas Negras und es ist ein offenes Geheimnis, dass sie von den Militärs gedeckt werden«, erklärt María Irene Ramírez mit fester Stimme. Die 41-jährige Mutter dreier Kinder ist mit einem der Gründer der Bauernorganisation liiert und kennt den Alltag der Verfolgung en détail.

Viele der Repräsentanten der Bauernorganisation, die in gleich zwölf Gemeinden in vier verschiedenen Verwaltungsdistrikten Kolumbiens präsent ist und rund 25 000 Bauern vertritt, werden verfolgt. Nicht nur von den Paramilitärs, sondern auch von der staatlichen Justiz, die mehrere der Bauernführer als angebliche Guerilleros einkerkerte. »Zwar haben sich derartige Vorwürfe immer als haltlos herausgestellt, aber sie erschweren die Arbeit der Bauernorganisation«, erklärt Yenly Mendez vom Anwaltskollektiv Humanidad Vigente, die den ACVC vertritt. Der hat sich im Laufe der Jahre immer besser organisiert und auch den Anstoß für die Gründung weitere Bauernorganisationen geliefert. »So funktioniert die Bauernorganisation Ascomcat im weiter nördlich gelegenen Catatumbo ähnlich wie wir und wir haben unser Büffelprojekt auch an sie weitergegeben«, erklärt María Irene Ramírez mit stolzer Stimme. Die Büffel haben den Bauern im Tal des Cimitarras neue Optionen gebracht und die Ernährungsgrundlagen verbessert. So wird Büffel-Mozarrela verkauft und immer mehr der 120 Dörfer, die der Bauernorganidsation angehören, verfügen über eine kleine Herde. »Immer elf Tiere werden an die Bauern, die sich bei uns bewerben, weitergegeben und den Bauern genau erklärt, worauf sie bei der Zucht achten müssen«, so Ramírez. Nunmehr sind die Büffel in vielen der Dörfer heimisch und so wie von den Experten der UN-Entwicklungsorganisation UNDP angedacht, wird das Büffelprojekt in andere Regionen des Landes weitergetragen.

Dieses Engagement für Frieden, ländliche Perspektiven und Umweltschutz hat der Bauernorganisation nun den nationalen Menschenrechtspreis 2010 eingebracht. Ende November wurde der Preis, der von der Friedrich Ebert Stiftung gemeinsam mit der kolumbianischen Tageszeitung »El Tiempo«, der Wochenzeitung »Semana« und der UN-Entwicklungsorganisation UNDP vergeben wird, in Bogotá von Miguel Huepa, einem der ACVC-Gründer, entgegengenommen. Für die Bauern ist der Preis eine Anerkennung für vierzehn Jahre des Engements für die Menschenrechte und für alternative Entwicklungsmodelle. »Ziel ist es, ein von der Regierung akzeptiertes und geschütztes bäuerliches Schutzgebiet aufzubauen«, erklärt María Irene Ramírez. Die Auszeichnung hat für die Bauern somit gleich doppelte Bedeutung. Zum einen sorgt sie für internationale Aufmerksamkeit, zum anderen ist sie auch ein Wink an die Regierung, alternative Entwicklungsmodelle ernst zu nehmen.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Januar 2011


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