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Zwei Tote in Catatumbo

Kolumbianische Sicherheitskräfte schlagen Bauernproteste nieder

Von Santiago Baez *

Zwei Tote und mindestens 16 Verletzte hat am vergangenen Wochenende die brutale Unterdrückung von Bauernprotesten im ostkolumbianischen Catatumbo gefordert. Die Aktionen hatten vor rund zwei Wochen mit der gewaltfreien Blockade einer Fernverkehrsstraße begonnen, sich dann aber ausgeweitet und waren in den vergangenen Tagen eskaliert. Hintergrund ist die vom Militär in der Region betriebene Vernichtung von Kokaplantagen. Die Bauern kritisieren, daß sie nichts hätten, um die Pflanze durch andere ersetzen zu können. Normaler Gemüseanbau ist wegen der schwierigen und damit teuren Verkehrsverbindungen in der an der Grenze zu Venezuela gelegenen Region kaum profitabel. Auch von den Behörden versprochene Entschädigungszahlungen für die betroffenen Familien habe es bislang nicht gegeben.

Die rund 7000 Bauern der Region fordern von der Regierung, in ihrer Heimat eine Schutzzone einzurichten und durch staatliche Hilfen einen Umbau der landwirtschaftlichen Produktion zu fördern. »Wir haben 70 Jahre Vernachlässigung ertragen und die Repression der Paramilitärs erlitten, aber wir setzen unseren Widerstand fort«, unterstrich der Präsident der örtlichen Bauernvereinigung ASCAMCAT, José del Carmen Abril, im Gespräch mit dem Fernsehsender TeleSur. Seine Kollegin Olga Quintero berichtete der Tageszeitung El Espectador, Grund für den Unmut seien die Verzögerungen bei der Einrichtung der Schutzzone. »Der Vorschlag dazu ist von 800 Bauern unterzeichnet worden. Das Kolumbianische Institut für ländliche Entwicklung (INCODER) hat die Studien für einen alternativen Entwicklungsplan finanziert. Die Initiative umfaßt sieben Bezirke, wir sprechen von 340000 Hektar, wovon 80000 Menschen profitieren würden. Alle Eingaben wurden gemacht, aber seit mehr als einem Jahr warten wir nun auf die Entscheidung des Instituts.« Die Kampagne gegen den Koka-Anbau sei in dieser Situation der Tropfen gewesen, der das Faß habe überlaufen lassen.

Während die Demonstranten Polizei und Militär für die Eskalation der Auseinandersetzungen verantwortlich machen und erklären, die beiden Getöteten seien von Soldaten erschossen worden, äußerte Polizeigeneral Rodolfo Palomino die Vermutung, die Demonstranten seien beim Bau von Sprengsätzen getötet worden. Der Einsatz der selbstgebauten Handgranaten sei zudem ein Beweis dafür, daß die Proteste von den Guerillaorganisationen FARC und ELN unterwandert seien. Auch Staatschef Juan Manuel Santos machte am Sonntag die Delegation der Aufständischen bei den Friedensverhandlungen in Havanna für die Zusammenstöße verantwortlich. Die Delegation der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens hatte die Sicherheitskräfte aufgerufen, die Bevölkerung nicht zu unterdrücken. »Das beweist, daß diese Demonstrationen von der Guerilla unterwandert worden sind«, so Santos.

Oppositionelle Bewegungen in Kolumbien sehen sich regelmäßig dem Vorwurf ausgesetzt, im Dienst der Guerilla zu stehen. Damit werden sie von den zuständigen Stellen praktisch zu Freiwild erklärt und nicht nur dem gewaltsamen Vorgehen der offiziellen Sicherheitskräfte, sondern auch dem Terror paramilitärischer Banden ausgeliefert.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 25. Juni 2013


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