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Kolumbien: Chronik wichtiger Ereignisse

Januar/Februar/März 2009


Januar
  • Wie die kolumbianische Polizei am 22. Januar bekannt gab, sind in Kolumbien 2008 insgesamt 16 140 Menschen ermordet worden , eine niedrigere Anzahl als in den letzten 30 Jahren. Zudem sind 407 Geiseln freigekommen, von denen laut des Nationalen Fonds für die Verteidigung der Persönlichen Freiheit 165 durch kolumbianische Sicherheitskräfte befreit wurden, die meisten aus den Fängen krimineller Gruppen. 242 Geiseln wurden von ihren Geiselnehmern freigelassen.
  • In dem am 23. Januar veröffentlichten Abschlussdokument der von Caritas international in Berlin organisierten Konferenz "Drogenkonsum: Neue Antworten, Neue Politik" wird die Entkriminalisierung von Konsumenten und Kokabauern gefordert. Die repressive Politik sieht die Caritas aufgrund wachsender Konsumentenzahlen steigender Anbauflächen als gescheitert an. In Kolumbien hat sich die Anbaufläche von Koka trotz aufwändiger Vernichtungskampagnen in den vergangenen Jahren verdreifacht. Drogen sollen als Teil der gesellschaftlichen Realität akzeptiert, Konsumenten und Kleinbauern entkriminalisiert sowie die Wechselbeziehung von Drogen und Armut anerkannt werden.
  • Hugo Chávez und Álvaro Uribe haben sich auf einem Gipfeltreffen in Cartagena am 24. Januar wieder versöhnt. Neben dem Beschluss, aufgrund der Weltwirtschaftskrise eine gemeinsame Wirtschaftskommission zu gründen, möchten sie auch Fonds zur Unterstützung von Kleinbetrieben, zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen entlang der gemeinsamen Grenze und zur Ermutigung zu Investitionen einrichten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Zudem wurden neue Botschafter für beide Länder ernannt, für Venezuela der frühere venezolanische Außenhandelsminister Gustavo Márquez, für Kolumbien die Leiterin der kolumbianisch-venezolanischen Handelskammer, María Luisa Chiappe.
  • Am 27. Januar sind bei einem Bombenanschlag im Viertel La Cabrera in Bogotá zwei Menschen ums Leben gekommen. Laut Regierungsangaben ist der Anschlag den FARC zuzuschreiben, wofür es aber keine Indizien gibt.
  • Álvaro Uribe kandidiert nicht für eine dritte Amtszeit im Jahr 2010. Dies zumindest sagte der 56-Jährige am Samstag, den 31. Januar, nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Berliner Bundeskanzleramt. Zuvor war in Kolumbien über ein Referendum spekuliert worden, um Uribe mithilfe einer Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Uribe lobte sein Konzept der “demokratischen Sicherheit” und betonte die Erfolge bei der Demobilisierung der Paramilitärs. Nach eigenen Angaben wurden bisher etwa 31 000 Personen demobilisiert. Andere Quellen bestreiten jedoch diese Zahl und den Erfolg des Projektes. Merkel wies darauf hin, dass sich die Menschenrechtslage zwar verbessert habe, jedoch noch nicht “ideal” sei. Hauptproblem sei nun der Drogenhandel, früher wären es die Auseinandersetzungen zwischen Armee, Paramilitärs und FARC gewesen.
Februar
  • Am Sonntag, den 1. Februar, haben die FARC unilateral vier Geiseln freigelassen, drei Polizisten und einen Soldaten. Das kolumbianische Militär hatte die Geiselübergabe zuvor um zwei Stunden verzögert, da es über der Freilassungszone gekreist war.
  • In Cali wurde währenddessen ein Autobombenanschlag verübt, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen und 18 weitere verletzt wurden. Die Bombe explodierte vor der Polizeizentrale. Die Regierung macht die FARC für den Anschlag verantwortlich, Beweise gibt es dafür jedoch keine.
  • Am Dienstag, den 3. Februar, haben die FARC eine fünfte Geisel, den Gouverneur der Provinz Meta, Alan Jara, freigelassen. Im Urwald im Süden Kolumbiens wurde er Piedad Córdoba sowie Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben. Ursprünglich hätte die Übergabe bereits am Montag stattfinden sollen, was jedoch von Uribe vereitelt worden war, der gegen die Freilassung von Geiseln ist, da laut ihm damit der Erfolg seines Projektes der „demokratischen Sicherheit“ gefährdet wäre. Aus diesem Grund war ein Streit zwischen Vermittlern und dem Präsidenten entbrannt, den jedoch das IKRK am Montag beilegen konnte. Am Donnerstag soll der frühere Abgeordnete Sigifredo López dem Komitee übergeben werden
  • Am 4. Februar wurden im Reservat Tortugaña Telembí in Nariño 17 Indigene der Gruppe Awá von den FARC hingerichtet. Eine Woche darauf, am 11. Februar, fand ein weiteres Massaker statt, bei dem 10 Awá ums Leben kamen. Insgesamt haben die FARC seit September 2008 44 Awá getötet. Als Begründung geben die FARC die angebliche Zusammenarbeit der Awá mit dem Militär an, welches seit Beginn des Jahres (trotz vorheriger Proteste der Awá, da diese zu Recht befürchteten, dadurch zur Zielscheibe der FARC zu werden) in den Reservaten stationiert ist.
  • Am Donnerstag, den 12. Februar, sind bei einem Angriff von Guerilleros in der Nähe der Stadt Convención im Nordosten Kolumbiens sechs Menschen, darunter drei Polizisten, getötet worden. Bisher ist unbekannt, ob der Anschlag von den FARC oder von ELN durchgeführt wurde. Die Polizisten waren in einen Hinterhalt gelockt worden und ihr Auto unter Beschuss genommen worden. Auch drei Bewohner der Region wurden getötet, 10 weitere verletzt.
  • Am Samstag, den 14. Februar, sind bei einer Explosion in einem Kohlebergwerk vier Bergarbeiter ums Leben gekommen und drei weitere schwer verletzt.
  • Wie die Wochenzeitschrift SEMANA am 21. Februar mitteilte, hat das Amt für Administration und Sicherheit (DAS) seit mehreren Monaten auf Wunsch von Paramilitärs, FARC, Drogendealern, obskuren politischen Kreisen und anderen kriminellen Organisationen Telefonate von Richtern des Verfassungsgerichts, von Journalisten, Politikern der Opposition und weiteren ausgewählten Persönlichkeiten abgehört und diese an die entsprechenden Gruppen verkauft. Da am 22. Januar der neue Direktor des DAS, Felipe Muñoz, seine Arbeit begann, wurden zwischen dem 19. und dem 21. Januar kistenweise Aufzeichnungen und Dokumente zerstört, um die illegalen Machenschaften zu vertuschen.
Sonntag, 1. März bis Sonntag, 15. März
  • Journalismus bleibt in Kolumbien lebensgefährlich. Am 2. März mussten die Dreharbeiten für die arte-Doku „Impunity“ über den seit 2005 geführte Prozess gegen mehr als 40 führende Paramilitärs abgebrochen werden, da das Filmteam Todesdrohungen aus dem paramilitärischen Milieu erhalten hatte.
  • Nachdem der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bereits 2006 in einem Urteil der kolumbianischen Regierung die Schuld an einem 1990 verübten Massaker an 43 Bauern in Pueblo Bello an der Grenze zu Panama zugewiesen hatte, entschuldigte sich diese nun Mitte der ersten Februarwoche dafür. Mitglieder einer paramilitärischen Gruppe hatten damals die Ansiedlung überfallen, sechs Dorfbewohner erschossen und 37 Landarbeiter auf Lastwagen verschleppt, gefoltert und ermordet. Dabei passierten die LKW zwei Straßensperren des Militärs.
  • Wie Spiegel Online am 09.03. berichtete, hält der ehemalige französische Konsul in Bogotá, Noël Saez, die spektakuläre Befreiung von Ingrid Betancourt aus der Gewalt ihrer Entführer für eine Inszenierung. Er vermutet, dass Lösegeld geflossen ist. Die Frau des FARC-Kommandanten "César", der für die Bewachung der Geiseln zuständig war, sei vor der Aktion festgenommen worden. Von diesem Augenblick an sei César beeinflussbar gewesen, sagte Saez.
  • Am Freitag, den 13. März vereinbarten Ministerin Annette Schavan und Alvaro Uribe in Bogotá konkrete Schritte in den Bereichen schulische und berufliche Bildung sowie beim Studierenden- und Forscheraustausch. Schwerpunkte sollen Klimaforschung, Biotechnologie und Gesundheitsforschung bilden.
  • Nach einem Ausbruch des Vulkans Galeras im Süden Kolumbiens sind rund 3000 Menschen am 13. März in Sicherheit gebracht worden.
  • Wie am 14.3. bekannt wurde, hat, laut einer Studie des Uno-Büros für Drogenbekämpfung, die Anbaufläche für Kokapflanzen in Kolumbien um 27 Prozent zugenommen, obwohl dieses Jahr mehr Kokapflanzen denn je vernichtet worden sind.
Montag, 16. März bis Dienstag, 31. März
  • Am 18. März ist bei einem Erdrutsch in der Stadt Iquira in der Provinz Huila ist eine fünfköpfige Familie ums Leben gekommen, die in ihrem Haus von den Geröll- und Erdmassen überrascht worden war. Das Haus hatte an einem Hang gelegen, der durch tagelange Regenfälle aufgeweicht worden war. Trotz der bekannten Gefahr wohnen an solchen Hängen viele Menschen, da andere Grundstücke für sie nicht bezahlbar sind.
  • Sechs der sieben Angeklagten der Firma "Fighters + Lovers" wurden am 18.3. des Verstoßes gegen das Antiterrorgesetz für schuldig befunden und zu einem halben Jahr auf Bewährung verurteilt, da diese vor drei Jahren T-Shirts mit den Symbolen Farc-Guerilla und der palästinensischen Befreiungsfront PFLP verkauft hatten und das Geld den Organisationen spenden wollten. Der Prozess in Dänemark war wohl auf Druck Kolumbiens zustande gekommen.
  • Am 18.3. haben die FARC-Rebellen ihre letzte ausländische Geisel freigelassen. Der Schwede Erik Roland Larsson wurde in der nördlichen Region Córdoba an Polizisten übergeben. Der 69-Jährige leidet an Lähmungserscheinungen und wurde in der Stadt Montería von Ärzten untersucht. Es ist unklar, ob die von den FARC geforderten fünf Millionen Dollar für die Freilassung von Larsson gezahlt wurden.
  • Am 20. März reichten die Kinder von den drei ermordeten Gewerkschaftsführern Valmore Locarno, Victor Orcasita und Gustavo Soler in Birmingham, Alabama, eine Klage gegen das US-Bergbauunternehmen Drummond Co. ein, da sie dieses beschuldigen, den Mord an ihren Eltern beauftragt zu haben. 2007 hatten die Gewerkschaft und die Witwen einen Prozess verloren, jedoch ist nun ein Zeuge aus der Haft entlassen worden, der gesehen haben soll, wie ein Drummond-Manager in Kolumbien einem Vertreter einer rechtsgerichteten Miliz eine Tasche voller Bargeld übergeben habe.
  • Bei dem Versuch, ein Minenfeld zu räumen, sind am 27.3. mindestens fünf Soldaten getötet worden. Die Minen waren nach Informationen der Behörden in dem Gebiet von Antioquia von linken FARC-Rebellen gelegt worden.
  • Wie die AFP am 29. März mitteilte, sind die FARC von einer ihrer Hauptforderungen zur Freilassung weiterer politischer Gefangener abgerückt. Die Entmilitarisierung bestimmter Gebiete sei keine Bedingung mehr für eine Befreiung "von Kriegsgefangenen", hieß es in einer Erklärung, die von der den Rebellen nahestehenden Nachrichtenagentur Anncol im Internet verbreitet wurde. Auch in Bezug auf künftige mögliche Verhandlungsorte zeigte sich die Rebellenorganisation gesprächsbereit.
  • Wie die Süddeutsche am 30.03. berichtete, soll in Mariquita ein Mann seine Tochter 30 Jahre lang missbraucht und mit ihr acht Kinder gezeugt haben. Nachdem die Frau von dem Inzestfall in Österreich gehört hatte, war sie zur Polizei gegangen. Zum ersten Mal sei sie laut Polizeiangaben im Alter von neun Jahren schwanger geworden. Einige ihrer Kinder seien von dem Vater ebenfalls missbraucht worden.


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