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Kolumbien: Chronik wichtiger Ereignisse

Januar/Februar 2008


Dienstag, 1. Januar, bis Mittwoch, 9. Januar
  • Anfang des Jahres deckt der kolumbianische Präsident, Álvaro Uribe auf, dass sich der dreijährige Sohn von Claro Rojas, die am 23. Februar 2001 von der FARC (den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens) entführt worden war und Wahlkampfleiterin der ebenfalls entführten ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt war, in einem kolumbianischen Kinderheim aufhält. Laut Uribe sei die für den 28. Dezember 2007 geplante Geiselübergabe deshalb gescheitert und nicht, wie von der FARC am 30. Dezember in einem Brief an Uribe behauptet, aufgrund militärischer Offensiven in der Übergabezone. Nach der Durchführung eines DNA-Tests bestätigt die FARC, dass sich der Junge im Kinderheim befindet. Der Vater des Kindes ist ein Guerillero, über den jedoch keine weiteren Informationen vorliegen.
Donnerstag, 10. Januar, bis Sonntag, 20. Januar
  • Am 10. Januar kommt es endlich zur Freilassung von Clara Rojas und Consuelo González, einer ehemaligen liberalen Parlamentsabgeordneten, die sich seit dem 10. September 2001 in den Händen der FARC befand. Die Übergabe an eine Vermittlerkommission aus venezolanischen, kolumbianischen und kubanischen Politikern sowie Vertretern des Internationalen Roten Kreuze fand in einer unzugänglichen Zone im Osten Kolumbiens statt. Uribe bedankte sich bei seinem venezolanischen Kollegen Hugo Chávez für dessen Vermittlungsbemühungen
  • Am 11. Jan. bezeichnet Chávez vor dem venezolanischen Parlament die Guerrillagruppen FARC und ELN als wahrhafte Armeen und beantragt deren Streichung von den Listen internationaler Terrororganisationen. Zudem forderte Chávez die internationale Gemeinschaft dazu auf, FARC und ELN als kriegsführende Parteien anzuerkennen. Die Forderungen stoßen weltweit auf Widerspruch, nur Nicaragua befürwortet sie. Das kolumbianische Parlament legte formalen Protest bei der venezolanischen Regierung gegen die "Einmischung in innere Angelegenheiten" ein.
  • Am 14. Jan. kommt es zu 6 Entführungen im Chocó. Es blieb allerdings unklar, ob der ELN (Nationales Befreiungsheer) oder die FARC die Urheber der Tat sind.
  • Am 15. Januar eröffnet Uribe die Aussicht, bei Zustandekommen eines Friedensprozesses mit der FARC die Bezeichung „Terroristen“ fallenzulassen.
  • Seit dem 16. Jan. haben Frankreich, Spanien und die Schweiz wieder die Vollmacht, bei den Vermittlungsbemühungen der kolumbianischen katholischen Kirche zur Freilassung der von der FARC verschleppten Geiseln zu helfen. Uribe hatte die Länder vier Monate zuvor von ihrer Aufgabe entbunden.
  • Am 18. Jan. hat das Venezolanische Parlament die kolumbianischen Rebellen in einem Gesetz als politische Gruppierungen anerkannt. Mit der "politischen Behandlung" solle eine "Klima des Vertrauens" für künftige Friedensverhandlungen geschaffen werden. Die Parlamentarier wiesen in dem Gesetz außerdem "von der US-Regierung aufgezwungene" Listen zurück, auf der "Befreiungsbewegungen" als Terror-Gruppen eingestuft würden.
  • Am 20. Jan. reiste Uribe nach Frankreich, Belgien, Spanien und die Schweiz, um über seine Politik gegenüber der linksgerichteten Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) zu sprechen. Die Guerilla hatte sich grundsätzlich bereit erklärt, 50 Geiseln freizulassen. Im Gegenzug sollte die kolumbianische Regierung 500 inhaftierte Rebellen entlassen.
Montag, 21. Januar, bis Donnerstag, 31. Januar
  • Vom 23. bis 25. Januar reiste die US-Außenministerin Condoleeza Rice zusammen mit einer Delegation nach Bogotá Medellín und Rionegro, um über das zwischen den beiden Ländern unterzeichnete, jedoch von der USA noch nicht ratifizierte, Freihandelsabkommen zu sprechen.
  • Seit Ende des Monats wird über eine mögliche Krebserkrankung des Anführers der FARC, Manuel Marulanda, spekuliert, was vonseiten der FARC durch Raúl Reyes, ihren Sprecher, jedoch bestritten wird.
  • Laut einer Studie der Universität Yale befindet sich Kolumbien auf Platz 9 in Bezug auf nationale Maßnahmen einzelner Länder zum Umweltschutz.
  • Der venezolanische Präsident Hugo Chavez warf Kolumbien am 26. Jan. vor, mit Unterstützung der USA einen militärischen Angriff auf sein Land zu planen. Bei einer militärischen Auseinandersetzung würde er sämtliche Erdöllieferungen einstellen.
Freitag, 1. Februar, bis Donnerstag, 14. Februar
  • Am 4. Februar um 12 Uhr versammelte sich mehr als eine Millionen Kolumbianer im Zentrum Bogotás und viele mehr im ganzen Land, um für eine Freilassung der Geiseln und für Frieden zu demonstrieren. Nicht nur in 40 Städten Kolumbiens, sondern weltweit fanden Proteste statt, in insgesamt 130 Städten auf vier Kontinenten. Auch in Deutschland gingen die Menschen auf die Straße, u.a. in Berlin, München und Frankfurt. Die ursprünglich von Facebook-Nutzern ins Leben gerufene Demonstration machte sich jedoch auch die Regierung zunutze, änderte das Motto, sodass der Protest nunmehr direkt gegen die FARC gerichtet war und befestigte Botschaften wie „mit Uribe gegen den Terrorismus“ in der ganzen Stadt. Die Angehörigen der FARC-Geiseln nahmen nicht an dem Protest teil, weil sie um Konsequenzen für ihre Angehörigen fürchteten.
  • In der kolumbianischen Provinzhauptstadt Villavicencio haben Unbekannte mehrere Millionen Pesos an Bewohner armer Stadtteile verschenkt. Teilweise wurden Beträge von bis zu US $ 1000 direkt auf der Straße überreicht, teilweise in Briefkästen und im Eingang des Hauses gefunden. Das Geld stammt wahrscheinlich aus dem Drogengeschäft und erinnert an Maßnahmen von Pablo Escobar.
Freitag, 15. Februar, bis Freitag, 29. Februar
  • Am 21. Feb. kündigte der französische Außenminister Kouchner an, dass die FARC planen, weitere vier Geiseln freizulassen. Dabei handelt es sich um die kolumbianischen Exparlamentarier Gloria Polanco, Luis Eladio Pérez und Orlando Beltran, die seit über sechs Jahren von den Rebellen festgehalten werden. Außerdem sollte möglicherweise eine weitere Geisel befreit werden, deren Name jedoch noch nicht verkündet wurde. Der Tag der Freilassung stand zu dem Zeitpunkt noch nicht fest.
  • Eine Deutsche Touristin, die 2003 von der ELN zusammen mit weiteren 6 Personen 74 Tage lang entführt worden war, muss Teile der Befreiungskosten selbst tragen, so das Gerichtsurteil des Berliner Oberlandesgerichtes vom 21. Feb. 2008, das damit dem Auswärtigen Amt Recht gegeben hat. In den kolumbianischen Medien wurde darüber, zusammen mit einem Bild der ehemaligen Entführten, auf dem diese ein Maschinengewehr in der Hand hält, ausführlich berichtet.
  • Am 28. Feb. wurden die früheren Senatoren Jorge Gechem und Luis Eladio Pérez sowie die Exabgeordneten Orlando Beltrán und Gloria Polanco aus gesundheitlichen Gründen von den FARC freigelassen. Den drei US-Geiseln geht es nach Aussage von Pérez noch schlechter als ihnen, die FARC haben jedoch gedroht, dass diese weitere 60 Jahre im Dschungel bleiben sollten, um die 60 jährige Haftstrafe des Guerrilla-Kämpfers Simón Trinidad zu vergelten, zu der dieser im Januar in Washington verurteilt worden war.
  • Am 24. Feb. jährte sich der Tag von Ingrid Betancourts Entführung zum sechsten mal. Nach Aussage von Mitgefangenen sei sie an chronischer Hepatitis erkrankt und werde laut Expertenmeinung im Dschungel nur noch wenige Wochen zu leben haben, wenn sie nicht bald angemessen medizinisch versorgt würde. Der französische Präsident Nicolás Sarkozy hat sich deshalb am 28. Feb. dazu bereiterklärt, persönlich an die kolumbianisch-venezolanische Grenze zu reisen, um Betancourt zu befreien. Chávez hatte zuvor den Anführer der FARC Manuel Marulanda, in einer Ansprache darum gebeten, auf den Gesundheitszustand der Gefangenen Rücksicht zu nehmen und ihr deshalb so bald wie möglich die Freiheit zu schenken.


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