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Evakuierung eines Staates

Die Inselrepublik Kiribati versinkt im Pazifik. Suche nach einer neuen Heimat

Von Thomas Berger *

Während auf internationalen Konferenzen noch immer weitgehend ergebnislos über Maßnahmen zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen diskutiert wird, ist der Klimawandel für Millionen Menschen weltweit schon bittere Realität – nicht zuletzt für die Bewohner zahlreicher Südseeinseln. Mit der Republik Kiribati könnte in den nächsten drei bis fünf Jahrzehnten sogar ein ganzer Staat infolge steigenden Meeresspiegels komplett von der Landkarte verschwinden. Die rund 30 Inseln des Atolls ragen meist nur zwei bis drei Meter aus den Weiten des Pazifischen Ozeans heraus. Ein auch nur geringer Anstieg des Meeresspiegels würde also reichen, um die Eilande völlig zu überspülen. Schon heute müssen die 113000 Insulaner immer enger zusammenrücken. Vormalige Felder sind bereits überflutet, erste Siedlungen mußten aufgegeben werden.

Tatenlos zusehen, wie die Katastrophe immer weiter voranschreitet, will Kiribatis Präsident Anote Tong nicht. Rastlos sucht er deshalb nach einer neuen Heimat für seine Landsleute. Da technische Lösungen wie der Bau künstlicher Inseln ungeachtet etwaiger Probleme bei der praktischen Umsetzung als unbezahlbar eingestuft werden, bemüht sich Kiribatis Regierung seit Monaten um einen Landerwerb in der Nachbarschaft. Mit der Regierung des von einem Militärregime beherrschten Fidschi könnte es demnächst eine Einigung geben, hieß es dieser Tage. Persönlich führt Tong die Verhandlungen um ein 20 Quadratkilometer großes Areal auf der fidschianischen Insel Vanua Levu.

Dies würde aber natürlich nicht reichen, um allen Einwohnern Kiribatis eine neue Heimat zu bieten. Im Visier hat der Präsident deshalb auch noch ein Gebiet unweit der Metropole Auckland im Norden von Neuseeland. »Wir müssen jede Option prüfen, weil uns die Möglichkeiten ausgehen«, sagte Tong bereits vor einem halben Jahr am Rande einer Tagung des Südpazifikforums. Sein angefügter Satz, man nehme gerne auch Tasmanien, wenn der große Nachbar Australien das anbiete, erntete in der Runde zwar seinerzeit Gelächter. Die Bedrohung ihrer Inseln ist für die Bewohner Kiribatis jedoch bitterernst

* Aus: junge Welt, 12. März 2012

Kiribati in Kürze

Kiribati (früher: Gilbert Islands, Phoenix Islands, Line Islands) liegt östlich von Indonesien und nördlich von Neuseeland im Pazifik. Es handelt sich um 33 Koralleninseln, von denen 21 bewohnt sind. Sie liegen sowohl oberhalb als auch unterhalb des Äquators und werden von der internationalen Datumsgrenze durchschnitten. Seit 1892 ein britisches Protektorat, ab 1915 eine britische Kolonie. Japan eroberte die Inseln im 2. Weltkrieg (1941). US-Truppen verdrängten die Japaner 1943 von den zur Inselgruppe gehörenden Inseln Makin und Tarawa. 1979 wurde Kiribati unabhängig. Im selben Jahr schlossen der Staat einen Freundschaftsvertrag mit den USA.

Größe: 811 qkm, also etwa vier Mal so groß wie Washington DC (Rang 187 der Staaten der Welt).
Die höchste Erhebung der Inselgruppe beträgt gerade einmal 81 Meter.

Rohstoffe: Phosphat (Produktion 1979 wegen Erschöpfung der Vorkommen eingestellt)

Bevölkerung: 101.998 Einwohner (2012); Rang 194.
55 % Katholiken, 36 % Protestanten, 3,1 % Mormonen, 2,2 % Baha'i
Durchschnittsalter der Bev.: 22,5 Jahre.
44 % leben in Städten. Die größte Stadt: Tarawa mit 43.000 EW (2009)

Kiribati hat kein Militär. Sicherheitsaufgaben werden von Australien und Neuseeland wahrgenommen.

Wirtschaft: Das Land gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern des Pazifik. Produktion und Handel mit Kopra (getrocknete Kokosnüsse) und Fisch. Die Wirtschaft leidet unter einem Rückgang der Fachkräfte un einer unterentwickelten Infrastruktur. Die Arbeitslosigkeit beträgt rund 2 Prozent (unter Jugendlichen aber 11 %).
Ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (612 Mio US-Dollar PPP) kommt durch den Fremdenverkehr herein. Zwischen 20 und 25 % des BIP stammen aus Finanzhilfen der EU, der USA, Neuseelands, Australiens, Kanadas, Taiwans und von UN-Einrichtungen.

Quelle: CIA Factbook, 2012




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