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Pokern um Manas

Kirgisischer Flughafen bleibt Drehscheibe für den Afghanistan-Krieg der USA

Von Detlef D. Pries *

Manas heißt der legendäre kirgisische Nationalheld, der sein Volk vor rund 1000 Jahren im Kampf gegen die Uiguren führte. Von seinen Taten berichtet das gleichnamige Nationalepos. Manas heißt aber auch der Internationale Flughafen von Bischkek, um dessen Nutzung in den vergangenen Monaten ein bisweilen verwirrendes Manöver veranstaltet wurde.

Seit Dezember 2001 nutzt das USA-Militär einen Stützpunkt auf dem »Manas International Airport« nahe Bischkek als Nachschub-Drehscheibe für den Krieg in Afghanistan. Im Dezember 2008 hieß es jedoch aus Kreisen der kirgisischen Regierung, die Schließung der »Manas Air Base« werde vorbereitet. Präsident Kurmanbek Bakijew begründete dies im Februar mit »wirtschaftlichen Erwägungen«: Man habe sich mit den USA nicht über die Höhe der künftigen finanziellen Entschädigung einigen können. Außerdem werde die Basis von der Bevölkerung abgelehnt. Tatsächlich hatten Organisatoren einer Bewegung für den Abzug der USA-Truppen gemeldet, bereits 150 000 Unterschriften unter einen entsprechenden Aufruf gesammelt zu haben.

Der Kampf gegen den Terrorismus sei durch die Schließung der Luftwaffenbasis nicht gefährdet, erklärte Außenminister Kadyrbek Sarbajew, denn der werde nicht nur von den USA, sondern auch von Russland getragen. Die russische Armee unterhält im nahen Kant ebenfalls einen Stützpunkt, den sie sich erst jüngst für 49 Jahre sicherte. Und obwohl US-Außenministerin Hillary Clinton die Entscheidung als »bedauerlich« bezeichnete, beschloss das kirgisische Parlament am 20. Februar mit 78 Stimmen (gegen eine), dass die USA die Basis binnen 180 Tagen zu räumen hätten. Bauarbeiten und Truppentransporte auf dem Flughafen dauerten dessen ungeachtet an.

Zu gleicher Zeit wurde bekannt, dass Russland seinem armen Verbündeten Kredite im Gesamtumfang von 2 Milliarden Dollar und eine Finanzhilfe von 150 Millionen Dollar gewähren wird. Mit russischer Unterstützung soll unter anderem die Wasserkraftwerkskaskade am Fluss Naryn ausgebaut werden, um den empfindlichen Energiemangel in der Gebirgsrepublik zu mildern.

Sofort hieß es, Moskau leiste Kirgistan solche Hilfe nur unter der Bedingung, dass die Kirgisen die US-Truppen des Landes verweisen. Pentagon-Sprecher Geoff S. Morrell beschuldigte Russland des Versuchs, die Nutzung der Anlagen durch die USA zu »unterminieren«. Und Verteidigungsminister Robert Gates persönlich beklagte russische Doppelzüngigkeit. Russlands Präsident Dmitri Medwedjew und sein Außenminister Sergej Lawrow indes bestanden darauf, dass die Entscheidung zur Schließung der Basis allein von der kirgisischen Regierung getroffen wurde.

Kirgistans Premierminister Igor Tschudinow bestritt es zwar, doch hinter den Kulissen wurde derweil längst um die weitere Nutzung der Basis durch die USA und die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) gepokert. Afghanistans Präsident Hamid Karsai bat seinen Kollegen Bakijew brieflich, den Stützpunkt nicht zu schließen. Und am 11. Juni erhielt Bakijew auch ein Schreiben von Barack Obama, Manas betreffend. Knapp zwei Wochen später war eine neue Vereinbarung unter Dach und Fach. Am 25. Juni wurde sie vom kirgisischen Parlament mit fast dem gleichen Stimmenverhältnis wie vier Monate zuvor der Schließungsbeschluss abgesegnet.

Dem neuen Abkommen zufolge heißt das Unternehmen nicht mehr »Manas Air Base«, sondern »Transitzentrum am Internationalen Flughafen Manas«. Statt US-amerikanischer sollen kirgisische Soldaten die äußere Sicherung der Anlagen übernehmen. Vor allem aber zahlen die USA für deren Nutzung nicht mehr 17, sondern 60 Millionen Dollar jährlich. Weitere 117 Millionen sollen dem Ausbau des Flughafens, dem Kampf gegen Drogenschmuggel und der wirtschaftlichen Entwicklung Kirgistans zugute kommen.

Zunächst hieß es, nur nichtmilitärische Güter sollten künftig auf dem Flughafen umgeschlagen werden, doch Experten sehen in dem neuen Abkommen keine Einschränkungen im Vergleich zur bisherigen Praxis. Manas bleibt eine Drehscheibe für Truppen und militärischen Nachschub. Und Präsident Bakijew rettet mit dem Geschäft hunderte Arbeitsplätze für seine Landsleute. Was vor der Wahl nicht unbedeutend gewesen sein dürfte.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Juli 2009


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