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Kirgisischer Poker um Luftwaffenbasis Manas

Ertragreiche Schaukelpolitik zwischen Russland und USA

Von Christian Weisflog, Moskau *

Erst die Kündigung, nun der Kompromiss: Die USA sollen die Luftwaffenbasis Manas in Kirgistan weiterhin als Versorgungskreuz für Afghanistan nutzen dürfen. Allerdings zu einem stark erhöhten Preis und nur noch für nichtmilitärische Güter.

Die USA, Russland und China ringen zur Zeit um Einfluss in den rohstoffreichen Weiten Zentralasiens. Wer in dem »großen Spiel« die Oberhand behalten wird, ist angesichts der pragmatischen Politik der lokalen Potentaten nicht zuletzt eine Geldfrage. Der Kuhhandel um die US-Luftwaffenbasis in Kirgistan zeigt dies anschaulich.

Anfang Februar hatte der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew bei einem Besuch in Moskau in schroffem Ton das Ende der US-Präsenz in seinem Land angekündigt. Die amerikanische Militärbasis in Kirgistan ist Russland seit langem ein Dorn im Auge. Mit Krediten und Finanzhilfen von über zwei Milliarden Dollar versuchte der Kreml zuletzt, seinen Einfluss auf die Politik des zentralasiatischen Staates zu vergrößern.

Eigentlich hätten die USA und ihre Bündnispartner den kirgisischen Stützpunkt Manas bis Mitte August räumen müssen. Doch nun kam es am Montag zu einer überraschenden Wende: Washington und Bischkek unterzeichneten ein Regierungsabkommen, das es den USA erlaubt, die Luftwaffenbasis weiterhin als »Transitzentrum« für die Truppenversorgung in Afghanistan zu nutzen. Bereits gestern hießen die kirgisischen Parlamentsausschüsse für Außen- und Verteidigungspolitik das Projekt gut.

Die neue Vereinbarung gestattet jedoch nur noch den Umschlag nichtmilitärischer Güter und dies zu einem weit höheren Preis: »Die Pachtzahlungen wurden von 17 auf 60 Millionen Dollar im Jahr angehoben«, teilte der kirgisische Außenminister Kadyrbek Sarbajew mit. Washington soll sich zudem dazu verpflichtet haben, weitere Millionen in die Modernisierung des Flughafens zu investieren. Darüber hinaus will die USA dem armen Gebirgsstaat weitere 50 Millionen Dollar an Wirtschaftshilfe zukommen lassen.

Sarbajew rechtfertigte die kirgisische Kehrtwende mit der verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan und Pakistan, die sich auch auf die ganze zentralasiatische Region auswirken könne. Seine Regierung handle daher im nationalen Interesse, wenn sie den Kampf gegen den internationalen Terrorismus in Afghanistan unterstütze.

Noch vor wenigen Monaten allerdings hatte Präsident Bakijew, der sich Ende Juli zur Wiederwahl stellt, genau das Gegenteil behauptet und die Schließung der US-Basis mit einer angeblich verbesserten Sicherheitslage in der Region begründet. Dieser Opportunismus spricht für die These, dass die kirgisische Regierung die US-Amerikaner nie ernsthaft loswerden wollte. Es ging ihr vielmehr darum, die Dienste ihres Landes zu einem höheren Preis und besseren Bedingungen zu verkaufen. Inwiefern der neue Kompromiss nun jedoch mit Moskau abgesprochen wurde, ist ungewiss. Letztlich aber hat der Kreml ebenfalls ein Interesse an Stabilität in Afghanistan, auch wenn die US-Präsenz in der Region die russische Großmachtseele schmerzt.

Manas ist seit dem Beginn der Afghanistan-Operation 2001 ein wichtiges Drehkreuz für Stationierung und Versorgung der Koalitionstruppen. Knapp 200 000 Soldaten wurden im vergangenen Jahr von dort ins oder aus dem Krisengebiet geflogen. Die Bedeutung der Basis hat dabei aufgrund verschiedener Faktoren laufend zugenommen: 2005 mussten die USA ihren Stützpunkt im benachbarten Usbekistan räumen, weil sie von der Regierung in Taschkent eine unabhängige Untersuchung der äußerst blutig niedergeschlagenen Proteste in Andishan verlangten.

Im vergangenen Jahr wurde die südliche Versorgungsroute durch Pakistan nach Afghanistan aufgrund wiederholter Taliban-Attacken zunehmend unsicher. Dieser Versorgungsengpass gefährdete letztlich auch die vom neuen US-Präsidenten Barack Obama angekündigte Truppenaufstockung um 20.000 bis 30.000 Mann. Die somit gestiegene Bedeutung des nördlichen Transitkorridors durch Zentralasien gibt Staaten wie Kirgistan und Russland gegenüber dem Westen jetzt einen Machthebel in die Hand, um ihre Interessen geltend zu machen.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Juni 2009

Meldungen aus Russland

Medwedew hat nichts gegen US-Transitzentrale in Kirgisien

Die Einrichtung einer Transitzentrale für den Afghanistan-Nachschub in Kirgisien wird zum internationalen Anti-Terror-Kampf beitragen, gab Dmitri Medwedew zu, plädierte aber für die Schließung der US-Luftwaffenbasis. „Aus meiner Sicht trägt das zu gemeinsamen Bemühungen im Kampf gegen den Terror bei“, sagte der russische Präsident am Donnerstag in Namibia. Der Kreml rechne aber nach wie vor mit der Auflösung der US-Luftwaffenbasis bei Bischkek. Der Nachschub stütze sich hoffentlich auf neue Ansätze und erfolge ohne die „Präsenz vieler US-Soldaten“, so der russische Staatschef.

Kirgisien und die USA hatten am Montag die Einrichtung einer Transitzentrale am Flughafen Manas nahe der kirgisischen Hauptstadt Bischkek besiegelt. Zurzeit befindet sich dort ein US-Luftwaffenstützpunkt, der den Einsatz in Afghanistan unterstützt. Mitte Februar 2009 hatte Präsident Kurmanbek Bakijew ein Gesetz über die Schließung des Stützpunktes unterzeichnet. Demnach sollen die US-Soldaten Kirgisien bis Mitte August verlassen.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 25. Juni 2009; http://de.rian.ru


US-Luftwaffenbasis wird termingerecht aus Kirgisien abgezogen - Abgeordneter

Das Militärkontingent der aufzulösenden US-Luftwaffenbasis Manas in Kirgisien wird zum vereinbarten Termin, bis zum 18. August, die Republik verlassen. Das teilte der Vize-Chef des Auswärtigen Ausschusses des kirgisischen Parlaments, Kabai Karabekow, am Donnerstag Journalisten mit.

Auf dem Basisgelände, das zum internationalen Flughafen Manas gehört, würden nur das Verwaltungs- und technische Personal sowie diejenigen Militärangehörigen zurückbleiben, die zum Schutz der zukünftigen US-Nachschubbasis eingesetzt werden sollen, so Karabekow.

Auf dem Luftwaffenstützpunkt sind zurzeit mehr als 1000 US-Militärangehörige stationiert.

Die US-Luftwaffenbasis Manas war im Dezember 2001 entsprechend einem UN-Mandat für Kampfhandlungen und humanitäre Hilfeleistung im Rahmen der US-Antiterror-Operation „Enduring Freedom“ in Afghanistan eröffnet worden.

Das kirgisische Parlament kündigte im Frühjahr 2009 den Vertrag mit den USA und den anderen Koalitionsmitgliedern über die Stationierung ihrer Militärkontingente in Kirgisien. Demnach soll der Luftwaffenstützpunkt innerhalb von sechs Monaten, bis zum 18. August, geschlossen werden. Vor der Vertragskündigung durch Bischkek hatte Russland Kirgisien einen Kredit von zwei Milliarden US-Dollar und 150 Millionen US-Dollar Finanzhilfe gewährt.

Das kirgisische Ministerkabinett schloss dennoch am 22. Juni ein Abkommen mit der US-Regierung über die Einrichtung einer Nachschub-Basis für die Militäreinsätze der multinationalen Schutztruppe in Afghanistan. Die Basis soll die Infrastruktur des Luftwaffenstützpunktes übernehmen. Das Abkommen wurde am Donnerstag (25. Juni) vom kirgisischen Parlament ratifiziert.

Laut den kirgisischen Behörden werden über die Nachschub-Basis nichtmilitärische Güter umgeschlagen. Die kirgisische Opposition hingegen äußerte, dass die künftige Basis für Transitflüge nach Afghanistan den Charakter eines Militärobjektes haben werde.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 25. Juni 2009; http://de.rian.ru


US-Stützpunkt: Russland verärgert über Kirgisiens Kehrtwende - Russlands Presse

Kirgisien hat sich mit den USA auf die Einrichtung eines Flugplatzes für Transitflüge zur Versorgung der Koalitionstruppen in Afghanistan geeinigt, schreiben die russischen Zeitungen "Wedomosti" und "Kommersant" vom Mittwoch.

Zuvor hatte die zentralasiatische Republik geplant, den US-Militärstützpunkt Manas völlig aufzulösen. Die jetzige Kehrtwende Kirgisiens ist eine unangenehme Überraschung für Russland.

Die Basis in Kirgisien dient der Versorgung der Nato-geführten Truppen in Afghanistan. Russland sollte im Grunde ebenfalls an einem positiven Ergebnis interessiert sein. Doch Moskaus diplomatische Bemühungen in der letzten Zeit beruhten eher auf folgender Erwägung: Die Amerikaner würden im Süden ein Aufmarschgebiet einrichten, Russland um seinen Einfluss bringen und seine Grenze bedrohen.

Nach dem im Frühjahr von Moskau versprochenen Kredit über zwei Milliarden Dollar und der Finanzhilfe von 150 Millionen und der zugesicherten Hilfe beim Bau des Wasserkraftwerks Kambaratin verfolgte Kirgisien die Schließung des US-Stützpunkts: Das Parlament kündigte das Abkommen mit den USA auf und für den Truppenabzug wurde ein zeitnaher Termin festgelegt.

Damit wollte sich Kirgisien wohl eine stärkere Position in der Region zusichern und den Amerikern signalisieren: Vereinbarungen sind mit uns zu treffen und wir bestimmen den Preis. Jetzt bleiben die Amerikaner, auch wenn sich ihr Status formell ändert. Bitter für Moskau, das Geld ist futsch, der Einfluss nichts wert.

Noch unangenehmer ist, dass so etwas nicht zum ersten Mal und nicht nur in Kirgisien geschieht. Turkmeniens Behörden versprechen, ihr Gas teils an Gazprom, teils nach China und teils nach Europa (über die Nabucco-Pipeline) zu liefern.

In Moskau hoffte man, Weißrussland werde die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkennen, gewährte Kredite und lieferte Gas zu einem niedrigeren Preis - das Ergebnis ist gleich null. Lukaschenko beeilt sich auch nicht, weißrussische Unternehmen abzugeben.

Moskaus bislang gerissene Diplomatie - Kuhhandel, Versprechungen, komplizierte Kombinationen - bleibt ohne Wirkung. Die Nachbarstaaten haben schon längst gemerkt, dass geäußerte informelle Versprechungen nichts bedeuten: Russland wird trotzdem mit dem Zuckerbrot und einer weiteren Bitte wieder kommen: Wir geben euch Geld, ihr gebt uns die Anerkennung Abchasiens, eine Gasleitung oder etwas anderes.

Moskau hat Bischkek bereits eine "adäquate Antwort" angedroht, aber die Hoffnung dennoch nicht verloren, einen Skandal zu vermeiden. Die Hoffnung wird in Erfüllung gehen, wenn die Frage nach der militärischen US-Präsenz in Zentralasien bei den Verhandlungen zwischen den Präsidenten Dmitri Medwedew und Barack Obama am 7. Juli behandelt wird.

Als Gegenleistung sollen die USA Zugeständnisse bei anderen Fragen machen: Stationierung des Raketenabwehrsystems in Osteuropa oder Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die Nato. Konstantin Satulin, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses der Staatsuma (Parlamentsunterhaus) für GUS-Fragen, schließt eine solche Möglichkeit nicht aus.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 24. Juni 2009; http://de.rian.ru




Dollars für Manas

Washington kann Schließung seines Militärstützpunktes in Kirgisien abwenden. Neue Transitbestimmungen und neues Statut für die Basis vereinbart

Von Tomasz Konicz **

Den Vereinigten Staaten ist es offensichtlich gelungen, die drohende Schließung ihres letzten in Zentralasien verbliebenen Militärstützpunktes abzuwenden - allerdings nur unter gravierenden Einschränkungen. Die unweit der kirgisischen Hauptstadt Bischkek gelegene Luftwaffenbasis Manas spielt eine zentrale Rolle bei der Versorgung der westlichen Besatzungstruppen in Afghanistan. An die 500 Tonnen Versorgungsgüter und 15 000 Mann wurden allmonatlich durch Manas nach Afghanistan befördert. Wie wichtig dieser Stützpunkt den USA ist, wird allein aus der Tatsache ersichtlich, daß Washington 2006 einer Erhöhung der Pachtgebühren von zwei Millionen US-Dollar auf insgesamt 167 Millionen US-Dollar zugestimmt hatte.

Dennoch gelang es dem Kreml im vergangenen Februar, die kirgisische Führung vermittels großzügiger Kreditvergabe im Umfang von rund zwei Milliarden US-Dollar dazu zu bewegen, der US-Armee diesen zwischen China und Rußland ungemein günstig gelegenen Stützpunkt zu kündigen. Die Regierung in Bischkek hatte den USA eine Frist bis zum 18. August gesetzt, um die Basis gänzlich zu schließen.

Keine Soldaten und Waffen

Am vergangenen Dienstag folgte dann die Kehrtwende: Der amerikanische Luftwaffenstützpunkt Manas, auf dem an 1000 US-Soldaten ihren Dienst versehen, soll kirgisischen Regierungsangabenzufolge erhalten bleiben. Es wurden aber neue Transitvereinbarungen sowie ein neues Statut für die Basis vereinbart. Demnach dürfen über Manas künftig nur »nichtmilitärische Güter« zur Versorgung der westlichen Truppen in Afghanistan befördert werden. Der Transport von Soldaten, Munition und Waffen sind von dieser für ein Jahr gültigen Vereinbarung ausgeschlossen. Der neue Vertrag hat ähnliche Abkommen zum Vorbild, die Washington etwa mit Tadschikistan oder Usbekistan in Reaktion auf die drohende Schließung seiner kirgisischen Basis abschloß.

Diesem neuen Deal gingen intensive diplomatische Bemühungen voraus. Ende Mai fungierte der türkische Präsident Abdullah Gül während seiner Visite in Kirgisien als Vermittler zwischen Washington und Bischkek. Anfang Juni wandte sich der afghanische Präsident Hamid Karsai in einem persönlichen Schreiben an seinen kirgisischen Amtskollegen Kurmanbek Bakijew, in dem er vor einer Destabilisierung der gesamten Region - ausdrücklich auch Kirgisiens - warnte, sollte der amerikanische Stützpunkt geschlossen werden. Schließlich sandte am 11. Juni auch US-Präsident Barack Obama höchstpersönlich ein ähnliches Schreiben an die kirgisische Führung. Erst nach diesem Appell erklärte Bakijew öffentlich, eventuell ein Angebot an die USA zum »Ausbau der Beziehungen« in Erwägung zu ziehen.

Lukrativer Vertrag

Das neue Abkommen soll ersten Einschätzungen zufolge für Kirgisien äußerst lukrativ ausfallen. Die New York Times meldet, das die direkte Pacht 60 Millionen US-Dollar betragen werde, hinzu kämen kämen 36,6 Millionen US-Dollar für den Flughafenausbau, sowie »Dutzende Millionen Dollar« zur Stimulierung der wirtschaftliche Entwicklung. Zuvor zahlte Washington 17 Millionen US-Dollar Pacht und 150 Millionen US-Dollar Entwicklungshilfe. Der kirgisische Politologe Alexander Knjasew erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti, daß Kirgisien so Einnahmen von bis zu »350 Millionen Dollar im Jahr« erzielen könnte.

Dabei geht Knjasew davon aus, daß diese neue Vereinbarung keinesfalls gegen den Willen Moskaus zustande kam: »Die endgültige Entscheidung wird wahrscheinlich von den Präsidenten Rußlands und der USA bei ihrer Begegnung im Juli getroffen.« Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der kirgisischen Präsidentenpartei »Große Einheit«, Emil Kaptagajew, gegenüber RIA-Nowosti: »Diese Frage wird nicht Kurmanbek Bakijew, sondern Dmitri Medwedew lösen. Unser Präsident hat von Rußland 450 Millionen Dollar erhalten und damit Moskau gleichsam das Recht abgetreten, über die Basis zu entscheiden.«/

** Aus: junge Welt, 25. Juni 2009


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