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USA suchen Basis in Kirgistan zu retten

Eine zweite "Tulpenrevolution" käme zupass

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Der Beschluss des kirgisischen Parlaments, das im Februar die Schließung der US-amerikanischen Luftwaffenbasis Manas nahe der Hauptstadt Bischkek verfügte, ist eindeutig: Bis zum 1. August muss Washington die dort stationierten 1200 Soldaten abziehen und die gesamte Infrastruktur demontieren.

Bisher ist von Vorbereitungen für einen Abzug jedoch nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Letzte Woche trafen neue Einheiten ein, darunter auch Mitarbeiter der Agentur für Nationale Sicherheit, die, wie das russische Staatsfernsehen berichtet, sogar neue Anlagen zur Überwachung des Internets und des gesamten Telefonverkehrs in Kirgistan installieren.

Aus gutem Grund: Manas ist seit dem Rausschmiss der USA aus Usbekistan 2005 der mit Abstand wichtigste Umschlagplatz für die Afghanistan-Operation, deren erfolgreiche Beendigung für den neuen Präsidenten Barack Obama absoluten Vorrang hat. Von Manas sind es ganze zwei Flugstunden bis Kabul. Von den Stützpunkten in Saudi-Arabien dagegen sechs bis acht. Den USA, so Professor Alexander Knjasjew vom Institut für die GUS-Staaten, sei daher jedes Mittel recht, die Basis in Kirgistan zu halten. Notfalls mit einer Neuauflage der »Tulpenrevolution«.

Tulpen blühen im Frühjahr überall auf den Bergwiesen Kirgistans und gaben daher schon jenem Umsturz den Namen, der Präsident Askar Akajew Ende März 2005 zum Rücktritt zwang. Vorbereitet hatten ihn auch damals nichtstaatliche Organisationen aus den USA, die ähnlich wie in Georgien und der Ukraine, in Kirgistan ein eindeutig prowestliches Regime an die Macht hieven wollten. Akajew, der auf gleiche Nähe zu Moskau und Washington setzte, störte dabei.

Der Coup ging damals nach hinten los. Die Drahtzieher setzten gegen Akajew, den Exponenten der traditionell herrschenden nördlichen Clans, die Massen im unterentwickelten, benachteiligten Süden Kirgistans in Marsch. Denen aber ging es nicht um einen außenpolitischen Kurswechsel, sondern um Teilhabe an der Macht. Jetzt herrscht Kurmanbek Bakijew in Bischkek. Der ist zwar der Vormann des Südens, doch er betreibt zum Ärger Washingtons eine konsequent prorussische Politik. Mehr noch: Für einen Erlass von Schulden und einen russischen Stabilisierungskredit über zwei Milliarden Dollar, mit dem Kirgistan neue Wasserkraftwerke bauen und seine permanenten Stromengpässe beseitigen will, gab Bakijew sogar dem Drängen Moskaus auf Schließung der US-amerikanischen Truppenbasis nach.

Die Opposition lief von Anfang an Sturm dagegen und droht jetzt mit neuen landesweiten Unruhen. »Wenn die Amis uns viel Geld geben«, ließ sich Temir Sarijew, der Führer der oppositionellen »Bewegung für Reformen« vor laufender Kamera von Russlands Staatssender RTR vernehmen, »werden wir Ende März ein zweites Mal Tulpen pflanzen.«

Seinen Hintermännern kommt dabei nicht nur latente Unzufriedenheit wegen katastrophaler Wirtschaftsdaten und Sozialleistungen zugute. Kirgistans Bevölkerung hat ein Durchschnittsalter von ganzen 27 Jahren, und die Jungen sind leicht manipulier-, oft sogar erpressbar. »Wenn die Amis die Basis räumen müssen«, sagt Aydan Alijewa, Studentin an der Amerikanische Universität in Bischkek, » kommt aus Washington auch kein Geld mehr für unsere Ausbildung und unsere Stipendien.«

* Aus: Neues Deutschland, 19. März 2009


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