Manas macht dicht
Kirgisiens Staatschef verfügt Schließung des letzten US-Militärstützpunkts in Zentralasien. Moskau erläßt Bischkek Schulden
Von Tomasz Konicz *
Am vergangenen Dienstag (3. Feb.) ließ Kirgisiens Staatschef Kurmanbek Bakijew eine geopolitische Bombe platzen. Die Führung des zentralasiatischen, strategisch ungemein günstig zwischen China und Rußland gelegenen Landes entschied sich, die Schließung der US-Luftwaffenbasis Manas zu verfügen. »Kirgisiens Regierung hat beschlossen, die Aufenthaltsfrist für die Basis zu beenden«, verkündete Bakijew laut der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti in Moskau. Dieser inzwischen letzte den USA in Zentralasien verbliebene Militärstützpunkt wurde 2001 im Zuge des Afghanistan-Krieges errichtet, derzeit befinden sich dort über 1000 US-Soldaten.
Während der aufsehenerregenden Staatsvisite Bakijews in Moskau wurde auch deutlich, daß der Kreml den kirgisischen Präsidenten diese Entscheidung zu vergolden wußte. Zum einen wurden zwischen Moskau und Bischkek umfangreiche Regelungen zur Abschreibung der Auslandsschulden Kirgisiens gegenüber Rußland in einem Umfang von 180 Millionen US-Dollar getroffen. Als Gegenleistung für diesen Schuldenerlaß ist »die Übernahme einer Reihe von Immobilien und Unternehmen durch Rußland vorgesehen, wie Sergej Prichodko, der außenpolitische Berater des russischen Präsidenten, gegenüber RIA-Nowosti erklärte. Zu den wichtigsten Übernahmeobjekten zählen zweifellos der einzige kirgisische Rüstungsbetrieb »Dastan« wie auch das Wasserkraftwerk Kambarata am Fluß Naryn. Rußland übernimmt 48 Prozent aller Aktien von »Dastan«.
Zudem konnte Bakijews umfangreiche Finanzhilfen Rußlands erhalten. Der Kreml zahlt dem verarmten zentralasiatischen Staat ein »Hilfsgeld« in Höhe von 150 Milliarden US-Dollar, das nicht rückzahlbar ist. Außerdem erhält Kirgisien einen Kredit in Höhe von 300 Millionen US-Dollar zu dem günstigen Jahreszins von 0,75 Prozent, der binnen 40 Jahren rückzahlbar ist. Schließlich wurden noch weitere 1,7 Milliarden US-Dollar an russischen Krediten vereinbart, die in den Energiesektor Kirgisiens investiert werden sollen. »Diese Gelder sollen den kirgisischen Staatshaushalt stabilisieren sowie die Umsetzung maßgeblicher Infrastrukturprojekte insbesondere im Bereich Stromenergie fördern«, erläuterte Rußlands Präsident Dmitri Medwedew. Kirgistan leidet insbesondere im Winter unter chronischem Energiemangel.
Für die Vereinigten Staaten, die eine Aufstockung ihrer Besatzungstruppen in Afghanistan auf bis zu 30000 Mann planen, stellt die Entscheidung Bakijews eine schwere strategische Niederlage dar. Nachdem der usbekische Militärstützpunkt Chanabad von den USA bereits im November 2005 geräumt werden mußte, erhielt die nur 25 Kilometer von der kirgisischen Hauptstadt Bischkek entfernte Luftwaffenbasis Manas eine herausragende logistische Bedeutung. Manas hat eine zentrale Bedeutung als Drehkreuz bei der Versorgung der US-Truppen in Afghanistan. Wie wichtig den USA dieser Stützpunkt ist, wird allein aus der Tatsache ersichtlich, daß Washington Mitte 2006 einer Erhöhung der Pachtgebühren für Manas von zwei Millionen US-Dollar auf insgesamt 150 Millionen US-Dollar jährlich zustimmte.
US-Kommandeur David Petraeus hatte erst kürzlich bei einem Besuch in Zentralasien erklärt, Manas wäre »ein Schlüssel für die geplante Truppenverstärkung« in Afghanistan. Am vergangenen Dienstag hieß es seitens des russischen Präsidenten Medwedew hierzu nur, daß Rußland und Kirgistan die »Antiterroroperationen in Zentralasien« auch zukünftig »unterstützen« werden. Doch nachdem der Nachschub für die NATO-Truppen in Afghanistan durch die Sprengung einer Brücke am strategisch wichtigen Khyber-Paß behindert wird, könnten sich die westlichen Besatzungstruppen zukünftig gravierenden logistischen Problemen ausgesetzt sehen.
Es ist somit nicht verwunderlich, daß die USA so schnell die Flinte nicht ins Korn werfen wollen. Man sei über eine Schließung des US-Stützpunktes »nicht informiert«, hieß es in einer am Mittwoch von der US-Botschaft in Bischkek veröffentlichten Erklärung. Ferner beteuerte die diplomatische Vertretung Washingtons in Kirgisien, daß man sich immer noch in Verhandlungen über den weiteren Betrieb des Stützpunktes sehe. Die kirgisische Führung zeigte sich hiervon unbeeindruckt: Ein entsprechender, die Schließung der US- Basis besiegelnder Gesetzesentwurf wurde gestern im kirgisischen Parlament eingebracht.
* Aus: junge Welt, 5. Februar 2009
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Kirgisien knüpft russischen Kredit nicht an Schließung von US-Basis
BISCHKEK, 05. Februar (RIA Novosti). Nach der Regierung in Moskau hat nun auch Kirgisiens Führung einen Zusammenhang zwischen den von Russland zugesicherten Finanzhilfen und der angekündigten Schließung der US-Luftwaffenbasis bei Bischkek abgestritten.
„Es gibt vielleicht ein Zusammenfallen, der Verzicht auf die Basis hängt jedoch nicht mit der Gewährung des russischen Kredits zusammen“, sagte der kirgisische Regierungschef Igor Tschudinow am Donnerstag (5. Feb.) vor Journalisten.
Die Kreditgespräche mit Russland seien seit zwei Jahren gelaufen, betonte Tschudinow.
Auch der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin hatte sich am Mittwoch (4. Feb.) ähnlich zum Thema geäußert: „Wir sind nicht der Meinung, dass diese beiden Ereignisse zusammenhängen“. Kirgisien habe sich „souverän“ für den Verzicht auf den US-Militärstützpunkt Manas entschieden.
Die Schließung der US-Basis und die Gewährung der russischen Finanzhilfen für Kirgisien waren am Dienstagabend (3. Feb.) nahezu zeitgleich vom kirgisischen Präsidenten Kurmanbek Bakijew und seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew nach ihrem Treffen in Moskau angekündigt worden.
Kirgisiens Parlament entscheidet kommende Woche über US-Luftstützpunkt
BISCHKEK, 05. Februar (RIA Novosti). Kirgisiens Parlament wird den Regierungsbeschluss über die Kündigung des Vertrags über die Stationierung des US-Luftstützpunkts frühestens kommende Woche behandeln.
Das teilte Kabai Karabekow, Vizechef des Parlamentsausschusses für Auswärtiges am Donnerstag (5. Feb.) in einem RIA-Novosti-Gespräch mit. "Zunächst sollen die zuständigen Parlamentsausschüsse ihre Gutachten zu dieser Frage vorlegen", sagte er.
Der US-Luftstützpunkt war im Dezember 2001 zur Unterstützung der Koalitionstruppen in Afghanistan auf dem Gelände des Flughafens in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek geschaffen worden. Derzeit sind dort etwa 1 200 US-Soldaten und Militärtransport- bzw. Nachtankflugzeuge stationiert.
Kirgisiens Präsident Kurmanbek Bakijew hatte bei seinen Verhandlungen zu Wochenbeginn in Moskau die Auflösung des Abkommens mit den USA über den Luftstützpunkt angekündigt.
Beide Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 5. Februar 2009; http://de.rian.ru
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