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Kenia: Vermittlungsversuche bisher gescheitert

Kibaki ernennt Kabinett - Odinga sagt Treffen mit Kabiki ab - Bush fordert die Widersacher zu "Dialog" auf - UNO-Konferenz spricht von "Völkermord"

Bisherige Vermittlungsversuche zur Beilegung der Wahlkrise in Kenia sind gescheitert. Auch die Angebote des Oppositionsführers Raila Odinga an den mutmaßlichen Wahlbetrüger und Staatschef Mwai Kibaki sind folgenlos geblieben.
Im Folgenden informieren wir über die jüngste Entwicklung, in die sich neben den USA auch die Afrikanische Union eingeschaltet hat.



Massenproteste in Kenia abgesagt. Hoffnung auf afrikanische Vermittlung

Das - vorerst - letzte Wort lag offensichtlich bei den mächtigen USA. Zumindest sagte der kenianische Oppositionsführer Raila Odinga die für den heutigen Dienstag (8. Januar) geplanten neuerlichen Massenproteste unmittelbar nach einem Treffen mit der als »Vermittlerin« auftretenden US-Diplomatin Jendayi Frazer am Montag ab. Odinga verwies darauf, daß der ghanaische Präsident und amtierende Vorsitzende der Afrikanischen Union, John Kufuor, am Mittwoch (9. Jan.) in Kenia erwartet werde und daß dessen »Mission« in friedlicher Atmosphäre stattfinden solle.

Die kenianische Regierung hatte zuvor die geplanten Kundgebungen gegen die umstrittene Auszählung der Präsidentenwahl erneut als »illegal« bezeichnet. Diese würden weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen Vorschub leisten, erklärte Regierungssprecher Alfred Mutua -- derweil ebenfalls am Montag erneut Regierungspolizei mit Gewalt gegen Demonstranten in der Hafenstadt Mombasa vorging.

Die US-Gesandte Frazer verteilte die Schuld an den Protesten gegen die offensichtlichen Wahlmanipulationen gleichmäßig. Das kenianische Volk, so die im US-Außenministerium für Afrika zuständige Unterstaatssekretärin, sei von »seinen politischen Führern und Institutionen betrogen« worden. Die Wahlkommission müsse »reformiert« werden, meinte Frazer auf einer Pressekonferenz und sprach sich für eine »Konsolidierung« der Verhältnisse aus -- eine Position, die auch von der EU propagiert wurde. Ein Einfrieren der »Entwicklungshilfe« für Kenia werde »zum gegenwärtigen Zeitpunkt« abgelehnt, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Da die Unruhen weitgehend abgeklungen seien, gelte es nun, die Suche nach einer politischen Lösung für das ostafrikanische Land »zu unterstützen«. Kenias »Ministerium für Sonderprogramme« erklärte am Montag, bei den Unruhen seien 486 Menschen getötet worden -- weitere 255000 seien weiter auf der Flucht.
(AFP/AP/jW)

* Aus: junge Welt, 8. Januar 2008


Odinga setzt auf internationale Vermittlung

Kenias Oppositionsführer sagte Großkundgebung ab und plädiert für Übergangsregierung **

Mit der Absage einer für diesen Dienstag geplanten Großkundgebung hat der kenianische Oppositionsführer Raila Odinga am Montag den internationalen Vermittlungsbemühungen Vorrang gegeben.

Odingas Partei Orange Democratic Movement (ODM) wolle einen Besuch des Präsidenten der Afrikanischen Union (AU), John Kufuor, abwarten, der sich um Vermittlung bemühe, teilte ein Sprecher mit. In einem Zeitungsinterview bot Odinga zudem eine dreimonatige Übergangsregierung mit anschließender Wiederholung der Präsidentenwahl an. Bei den Unruhen nach der umstrittenen Wahl Ende Dezember starben nach jüngsten Angaben mindestens 600 Menschen.

Die Erklärung von Odingas ODM wurde von der Regierung des Präsidenten Mwai Kibaki begrüßt. »Es ist gut zu wissen, dass er auf den Appell der Regierung zum Frieden reagiert hat«, sagte Regierungssprecher Alfred Mutua.

Die US-Sondergesandte Jendayi Frazer traf zum dritten Mal mit Staatschef Kibaki und Odinga zusammen. Auch der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und ehemalige Erzbischof Desmond Tutu bemühte sich weiter um eine Vermittlung zwischen den beiden Parteien. Odingas Partei bestreitet, dass der bisherige Präsident Kibaki die Präsidentschaftswahl vom 27. Dezember gewonnen hat. Am Donnerstag und Freitag hatte die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas Kundgebungen der Opposition in Nairobi verhindert.

»Wir bieten eine Übergangsregierung zwischen Kibakis und meiner Partei an. Die Koalition soll drei Monate dauern«, sagte Odinga. In dieser Zeit müsse die Wiederholung der Präsidentenwahl vorbereitet werden. Kibaki hatte der Opposition am Wochenende eine Einheitsregierung angeboten, was Odinga aber zunächst ablehnte. Von seiner Bereitschaft, eine Neuauszählung der Stimmen vorzunehmen, rückte Odinga hingegen ab: »Die Dokumente sind in den vergangenen Tagen gefälscht worden. Sie noch einmal auszuwerten, macht keinen Sinn.«

Odinga warnte auch vor einem drohenden Bürgerkrieg in Kenia. »Es besteht zurzeit eine große Gefahr, denn im ganzen Land herrschen Unruhen. Viele Kenianer sehen die Demokratie bedroht.« Kenia müsse »eine Situation wie in der Elfenbeinküste im Jahr 2000 nach den Wahlen« vermeiden. Dort war es ebenfalls zu schweren Unruhen gekommen.

Die von der UNO mitgetragene Konferenz der Großen Seen erklärte unterdessen, die Gewalttaten in Kenia wiesen Elemente von Völkermord auf. »Einige dieser Morde werden mit kalter Planung vorgenommen, was an ethnische Säuberung und Völkermord erinnert«, erklärte der Chef der Konferenz, Liberata Mulamula, in Nairobi. Dabei werde auf die »Verletzlichsten, einschließlich Frauen und Kinder, gezielt«, betonte Mulamula. Darüber hinaus beklagte die Konferenz »Vertreibungen, Hetzkampagnen und Drohungen mit Völkermord«.

** Aus: Neues Deutschland, 8. Januar 2008

Letzte Meldungen

Kenias Oppositionschef stellt Bedingungen für Krisengespräch

Kenias Oppositionsführer Raila Odinga hat für direkte Verhandlungen mit Staatschef Mwai Kibaki über die schwere innenpolitische Krise Bedingungen gestellt. Odinga werde sich nur mit Kibaki treffen, wenn der Präsident der Afrikanischen Union (AU), Ghanas Präsident John Kufuor, vermittle, sagte Odingas Sprecher. Mehrere afrikanische Ex-Präsidenten reisten zu Vermittlungsversuchen nach Nairobi. Im Wirtschaftsleben Kenias sind wegen der blutigen Unruhen starke Beeinträchtigungen festzustellen. Unterdessen stellte Kibaki Teile seines neuen Kabinetts vor.

Bei der Zusammensetzung habe er darauf geachtet, "das Land vereint, friedlich und erfolgreich zu erhalten", sagte der Präsident am 8. Jan. in einer kurzen Fernsehansprache. Er setze darauf, dass die Führung von einer breiten Basis getragen werde. Der neuen Regierung werden demnach auch zwei Mitglieder der Partei von Präsidentschaftskandidat Kalonzo Musyoka angehören, der zum Vize-Staatschef ernannt wurde. Dass das Kabinett nur etwa zur Hälfte aufgestellt wurde, soll die Tür für Kibakis Widersacher Raila Odinga offen lassen.

Odinga-Sprecher Salim Lone sagte, der Oppositionschef habe keine direkte Einladung Kibakis zu den für Freitag (11. Jan.) geplanten Gesprächen erhalten: "Deshalb können wir das nicht ernstnehmen." Odinga und Kibaki beanspruchen beide den Sieg bei der Präsidentenwahl vom 27. Dezember für sich. Der bisherige Amtshinhaber Kibaki wurde zwar zum Gewinner erklärt, die Opposition wirft seinem Lager jedoch massive Wahlfälschung vor. Durch den Streit um den Wahlausgang kam es zu blutigen Unruhen im Land, durch bislang mehr als 600 Menschen starben. Nach Regierungsangaben sind mehr als 255.000 Kenianer auf der Flucht.

Internationale Vermittler bemühen sich unter Hochdruck um eine Beilegung der Krise. AU-Chef Kufuor wird am frühen Abend des 8. Jan. in der Hauptstadt Nairobi erwartet. Nach Darstellung der Regierung in Nairobi wird Kufuor Kibaki seine "Unterstützung" versichern. Nach Oppositionsangaben indes reist Kufuor als Vermittler an, der dem Land Wege aus der Krise zeigen soll.

Durch die Unruhen sind dem Land auch erhebliche wirtschaftliche Schäden entstanden. Dies sei auf Zerstörung, Geschäftsausfälle, Stornierungen in der Tourismusbranche und durch Arbeitnehmer zurückzuführen, die wegen der Gewalt nicht zur Arbeit gekommen seien, sagte ein Ministeriumssprecher in Nairobi.

(Nachrichtenagentur AFP, 8. Januar 2008)

Kenianischer Präsident ernennt Teil seines Kabinetts

Ungeachtet der politischen Krise hat der kenianische Präsident Mwai Kibaki am Dienstag (8. Jan.) einen Teil seines Kabinetts vorgestellt. Die meisten Ämter gingen an Mitglieder seiner Partei, für Vertreter der Opposition um den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga waren zunächst keine Posten vorgesehen. Allerdings wurde ein weiterer Präsidentschaftskandidat, Kalonzo Musyoko, zum Vizepräsidenten ernannt. Odinga lehnte ein Treffen mit Kibaki ab. Das Staatsoberhaupt wolle mit seinem jüngsten Gesprächsangebot nur von der politischen Krise im Lande ablenken und internationale Vermittlungsbemühungen torpedieren, sagte Odinga am Dienstag (8. Jan.) vor Journalisten in Nairobi. Ursprünglich hatte er sich bereiterklärt, Kibaki am Freitag (11. Jan.) zu treffen - aber nur unter der Bedingung, dass diese Begegnung einen Teil von internationalen Vermittlungsbemühungen bildet.

Odingas Orangene Demokratische Bewegung (ODM) gewann bei der Parlamentswahl, die gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl stattfand, 95 Sitze. Kibakis Partei kam nur auf 43 Sitze und kann damit ohne Zugeständnisse an Odinga kaum regieren. Der amtlich verkündete Sieg Kibakis bei der umstrittenen Präsidentenwahl am 27. Dezember hatte in Kenia schwere Unruhen ausgelöst, denen mindestens 500 Menschen zum Opfer fielen.

Odinga sagte dem Rundfunksender BBC, der demokratische US-Präsidentschaftsbewerber Barack Obama habe ihn zwei Mal angerufen. Er sei sehr besorgt gewesen und habe angekündigt, auch Kibaki anzurufen, um ihn zu überzeugen, gemeinsam eine Verhandlungslösung zu suchen.

In Washington begrüßte US-Präsident George W. Bush am Dienstag (8. Jan.) die Bemühungen der Afrikanischen Union (AU), zwischen den Seiten zu vermitteln. Er forderte Kibaki und Odinga auf, den Dialog aufzunehmen. Der britische Premierminister Gordon Brown erklärte, Regierung und Opposition müssten sich mit dem AU-Gesandten, dem ghanaischen Präsidenten John Kufuor, treffen. Die Gewalt in Kenia bezeichnete Brown als inakzeptabel.

Nachrichtenagentur AP, 8. Januar 2008




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