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Kenia in der Warteschleife

Die Ergebnisse der jüngsten Wahlen harren weiter ihrer Verkündung

Von Anja Bengelstorff, Nairobi *

In Kenia wachsen Anspannung und Enttäuschung unter den Wählern, während die Überforderung der nationalen Wahlkommission immer deutlicher zutage tritt.

Den dritten Tag in Folge kleben Millionen Kenianer an ihren Fernsehbildschirmen, Computermonitoren, Handy-Displays oder Radios. Am ersten Tag, Montag, sahen sie landesweit endlose Schlangen vor Wahllokalen, hörten Interviews mit geduldigen Männern und Frauen, entschlossen, ihre Stimme abzugeben, wie lange es auch dauern würde. Seit Dienstag Statistiken, Prognosen, Experten und noch mehr Experten. Quälend langsam schrauben sich die Zahlen hinter den Namen Uhuru Kenyatta und Raila Odinga, den beiden führenden Präsidentschaftskandidaten, aufwärts.

Seit Mittwoch, Tag 3, Stillstand. Das elektronische System, das die Übertragung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl von den Wahllokalen zur Wahlzentrale beschleunigen und sicherer machen sollte und das Kenia mit viel Steuergeldern angeschafft hatte, hat schlicht versagt.

Die Vertreter der 290 Wahlbezirke sind nun persönlich zur Wahlzentrale beordert, wo die Ergebnisse geprüft und offiziell verkündet werden sollen. 11,5 Millionen der 14,3 Millionen registrierten Wähler hatten ihre Stimme abgegeben.

Auch wenn die Wahlkommission darauf beharrt, dass sie per Gesetz sieben Tage Zeit hat, die Ergebnisse bekannt zu geben, sind die Kenianer alarmiert. Eine nicht zufriedenstellend begründete Verzögerung der Ergebnisse, Verwirrung über das Prozedere über Tage hinweg und uninformiert erscheinende Offizielle erinnern zu schmerzlich an das Chaos, das dem Ausbruch der Gewalt nach den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2007 vorausging. Noch zwei Wochen vor den Wahlen am Montag hatten einer Umfrage zufolge 89 Prozent der Kenianer Vertrauen in die neue Kommission. Jetzt schwindet es stündlich. Ersetzt wird es durch Ungeduld und Enttäuschung. Aber nach wie vor nicht durch Gewalt. Die Fernsehsender zeigen Trickfilme statt stagnierender Wahlmonitore.

Kandidaten für regionale Positionen in der Küstenstadt Mombasa kündigten bereits an, Ergebnisse vor Gericht anfechten zu wollen. Es hätte »Unregelmäßigkeiten« bei der Auszählung gegeben. Dennoch: Die Tatsache, dass Gerichte und nicht Gewalt auf der Straße den Konflikt schlichten sollen, ist ein nicht zu unterschätzender Fortschritt, den Kenia seit mit einer umfassenden Reform der Justiz gemacht hat. Noch wird das Vertrauen in die Gerichte und vor allem seine obersten Richter nicht angezweifelt.

Die EU-Beobachtermission bescheinigte Kenia am Mittwoch in einem vorläufigen Bericht ein »starkes Bekenntnis zu demokratischen Wahlen«. Chefbeobachter Alojz Peterle bestätigte, »die Atmosphäre während der Wahlen war im Allgemeinen ruhig, und der demokratische Geist der Kenianer setzte sich durch«. Eine Einschätzung zur Glaubwürdigkeit und Transparenz der Wahlen insgesamt könne aber erst nach Abschluss des gesamten Wahlprozesses gegeben werden.

Die Wahl vom 4. März war die bislang komplexeste: Zum ersten Mal waren die Wähler aufgerufen, über sechs Positionen vom Präsidenten bis zum lokalen Bezirksvertreter abzustimmen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 07. März 2013


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