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Kenia zählt Stimmen

Bisheriger Vizepremier Kenyatta liegt bei Präsidentschaftswahlen vorne

Von Simon Loidl *

Nach Auszählung von knapp der Hälfte der Stimmen nach den Präsidentschaftswahlen in Kenia, lag am Dienstag der bisherige Finanzminister und Vizepremier Uhuru Kenyatta in Führung. Ihm folgte an zweiter Stelle der Ministerpräsident des ostafrikanischen Landes, Raila Odinga, die weiteren sechs Kandidaten lagen weit abgeschlagen. Mit einem offiziellen Endergebnis wird für Mittwoch abend gerechnet. Die Anhänger Odingas zeigten sich kenianischen Medienberichten zufolge weiterhin optimistisch, daß ihr Kandidat die Wahl letztlich für sich entscheiden würde. Eine Entscheidung fällt nur, wenn einer der beiden Kandidaten eine absolute Mehrheit erzielt. Schafft keiner den Sprung über die 50-Prozent-Marke, kommt es am 11. April zu einer Stichwahl.

Die 14,3 Millionen Wahlberechtigten stimmten am Montag auch über die Zusammensetzung des Parlaments, über Gouverneure und Regionalvertretungen ab. Der Fokus der nationalen und internationalen Aufmerksamkeit lag aufgrund der starken Stellung des Präsidenten aber auf der Wahl des Staatsoberhaupts. Die Wahlbeteiligung lag laut der kenianischen Wahlkommission bei über 70 Prozent.

Kenyatta ist der Sohn des ersten kenianischen Präsidenten, Jomo Kenyatta, der das Land nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1963 bis zu seinem Tod 1978 regierte. 2002 war Uhuru Kenyatta überraschend vom scheidenden Präsidenten Daniel arap Moi als Nachfolgekandidat für das höchste Staatsamt präsentiert worden, konnte sich aber nicht gegen Mwai Kibaki durchsetzen. Letzterer wurde 2007 zum zweiten Mal gewählt. Nach dieser Abstimmung kam es infolge von Unregelmäßigkeiten zu Protesten und Unruhen, bei denen mehr als 1200 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben wurden. Erst auf Vermittlung des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan wurde ein Kompromiß erzielt. Kibaki behielt das Präsidentenamt und ernannte den damals zweitgereihten Odinga zum Ministerpräsidenten.

Dem jetzigen Favoriten Kenyatta wurde vorgeworfen, an der Eskalation der Gewalt vor sechs Jahren beteiligt gewesen zu sein. Im Dezember 2010 reichte der damalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Luis Moreno Ocampo, deshalb eine Klage gegen Kenyatta wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein, der im Januar 2012 stattgegeben wurde. Neben dem Präsidentschaftskandidaten ist unter anderem auch sein möglicher Vize, der frühere Minister William Ruto, angeklagt.

In vielen internationalen Medien wurde ein neuerlicher Gewaltausbruch während der Abstimmung und Auszählung geradezu herbeigeschrieben. Als es am Montag in den Küstenstädten Mombasa und Kilifi zu Auseinandersetzungen kam, wurde dies bereits als Wiederholung der Ereignisse von 2007 kommentiert, obwohl der Hintergrund der Vorfälle noch völlig unklar war. Bei Angriffen auf Sicherheitskräfte waren mindestens zwölf Menschen getötet worden, darunter den Meldungen zufolge sechs Polizisten. Die Behörden machten die Organisation »Mombasa Republican Council« (MRC) für die Angriffe verantwortlich. Mitglieder der Separatistenvereinigung, die für eine Loslösung bzw. Autonomie der Küstenregion eintritt, hätten gezielt Polizisten attackiert. Ein MRC-Sprecher lehnte die Verantwortung für die Taten jedoch ab.

In Kenia wurde der Fokus vieler Beobachter auf mögliche Gewaltausbrüche kritisiert. Beim Kurznachrichtendienst Twitter kommentierten zahlreiche kenianische Nutzer das gespannte Warten internationaler Journalisten auf Ausschreitungen mit ironischen Sensationsmeldungen wie »Gewaltausbruch für 13 Uhr erwartet, wenn mit Messern und Löffeln bewaffnete Menschen Teller voll Essen angreifen« oder »Ausländische Journalisten sitzen in Hotels fest, weil Friede ihnen Arbeit schwer macht«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 6. März 2013


Kenyatta führt in Präsidentschaftswahl

Nach überwiegend friedlichem Wahlverlauf und hoher Beteiligung wartet Kenia auf das Wahlergebnis

Von Anja Bengelstorff, Nairobi **


Entgegen allen Prognosen vor den allgemeinen Wahlen im ostafrikanischen Kenia am vergangenen Montag ist Präsidentschaftskandidat Uhuru Kenyatta mit dem Beginn der Stimmenauszählung in Führung gegangen.

Kenyatta (51) ist ein Sohn des ersten Staatspräsidenten Jomo Kenyatta und vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach den Wahlen im Dezember 2007 angeklagt. Er ließ seinen stärksten Konkurrenten, den ehemaligen Premierminister Raila Odinga (68), mit mehreren Hunderttausend Stimmen hinter sich. Bei Redaktionsschluss führte Kenyatta mit 54 Prozent, Odinga erzielte 42 Prozent, bei etwa der Hälfte der ausgezählten Stimmen. Die Wahlkommission hat sieben Tage Zeit, um das endgültige Ergebnis bekannt zu geben; ein konkreter Termin wurde bisher nicht genannt.

Die Wahlbeteiligung war nach Angaben der Wahlkommission mit mehr als 70 Prozent oder zehn Millionen Wählern sehr hoch. Schon Stunden vor dem Öffnen der Wahllokale um 6 Uhr bildeten sich lange Schlangen Wartender, deren Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde, wenn Wahllokale spät öffneten oder die extra angeschafften biometrischen Überprüfungssysteme nicht funktionierten und auf das manuelle Wählerregister zurückgegriffen werden musste. »Ich warte hier seit 5 Uhr«, sagte die 28-jährige Mitei in einem Wahllokal im Kawangware-Slum der Hauptstadt Nairobi, als sie um 13 Uhr endlich ihre Stimme abgeben konnte. »Beim letzten Mal habe ich nicht gewählt, weil ich dachte, es sei nicht wichtig. Dann hatte wir Gewalt. Jetzt wähle ich einen Kandidaten, der unser Land liebt und das Volk vereinen kann.«

Die umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2007 hatten in Kenia zu einem bis dahin ungekannten Ausmaß an Blutvergießen geführt. Etwa 1300 Menschen starben bei Gewalt, eine halbe Million musste aus ihren Häusern fliehen. Um einer Wiederholung vorzubeugen, verabschiedete Kenia 2010 eine neue Verfassung, die die Macht des Präsidenten beschnitt und dezentralisierte. Eine neue Wahlkommission erfreut sich - noch - des Vertrauens der Kenianer. Doch für den Superreichen Kenyatta, der einen beispiellos aufwendigen und teuren Wahlkampf bestritten hat, aber auch für Odinga steht eine Menge auf dem Spiel: Kenyatta könnte sich als Präsident vor dem Haager Tribunal schützen wollen, auch wenn er stets versichert, er wolle auch als Präsident kooperieren. Odinga, der zum dritten und aufgrund seines Alters wohl letzten Mal kandidiert und den viele Beobachter für den eigentlichen Gewinner der Wahl 2007 halten, will diesmal unbedingt siegen und seiner Ethnie, der Luo, endlich einen Präsidenten bescheren, nachdem sein Vater sich diesen Wunsch schon nicht erfüllen konnte.

In den 50 Jahren seit Erlangung der Unabhängigkeit wurde das Land von Präsidenten nur zweier Ethnien, der Kalenjin und Kenyattas Kikuyu, regiert. Dadurch fühlen sich die anderen Volksgruppen marginalisiert.

Wenn die Wahl auch weitgehend friedlich verlief, starben doch bei zwei Anschlägen an der Küste vor Öffnung der Wahllokale am Montagmorgen 15 Menschen.

Sollte im ersten Wahlgang kein Kandidat eine Mehrheit erzielen, würde eine Stichwahl am 10. April oder bei Wahlanfechtung am 1. Mai stattfinden.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 06. März 2013


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