Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kenia: Angst vernichtet Jobs

Fabrikschließungen vor Präsidentschaftswahl. Unternehmer fürchten neue Gewaltwelle

Von Thomas Berger *

Angst vernichtet Arbeitsplätze. Dieser ungewöhnliche Zusammenhang scheint auf Teile des ostafrikanischen Staates Kenia derzeit zuzutreffen. Aus Sorge, daß sich bürgerkriegsähnliche Zustände wie im Jahr 2007 wiederholen könnten, schließen immer mehr Firmen im damaligen Unruhegebiet im Westen des Landes vor den am 4. März anstehenden Präsidentschaftswahlen ihre Fabriken und entlassen Mitarbeiter. Schon mehrere tausend Beschäftigte stehen in der Region deshalb inzwischen ohne Job da. Teilweise sind sie zu einer Rückkehr in ihre früheren Heimatdörfer gezwungen, in den städtischen Gebieten gibt es keine Stellenangebote.

Im Zuge des Urnengangs vor sechs Jahren war es zu einem unerwarteten Ausbruch von Gewalt gekommen. Das bis dahin von vielen als Hort der Stabilität geltende 38-Millionen-Einwohner-Land wurde von den Exzessen in seinen Grundfesten erschüttert. Mindestens 1500 Menschen kamen bei den Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen ums Leben, eine halbe Million wurde in die Flucht getrieben. Vor allem in der Provinzstadt Kisumu, seinerzeit Zentrum des Konflikts, befürchten Geschäftsleute und Einwohner nun, daß sich die Ereignisse wiederholen könnten.

Fahad Abdullah, Chef einer größeren Baufirma, hat deren Niederlassung geschlossen und 1200 Mitarbeiter auf die Straße gesetzt. Nachdem er seinen Firmensitz seinerzeit in Flammen habe aufgehen sehen, bleibe ihm aus Vorsorge keine andere Möglichkeit, sagte er Reportern von IRIN, dem Informationsnetzwerk der Vereinten Nationen. Von Unternehmern aus seinem Familienkreis habe es inzwischen sieben derartiger Schließungen gegeben, die 2300 Menschen arbeitslos machten.

Im gleichen IRIN-Beitrag ist von einer Stahlfirma die Rede, die ihre Aktivitäten in Kisumu eingestellt hat – zunächst nur vorläufig, wie es heißt. Sollte bei den Wahlen alles friedlich bleiben, könne der Betrieb im März weitergehen. Bis dahin aber stehen 2000 Beschäftigte ohne reguläres Einkommen da und wissen nicht, wie sie ihre Familien über die Runden bringen können. Doch nicht nur die Arbeiter größerer Firmen sind betroffen. Ihr Ausfall als regelmäßige Kunden bringt auch Straßenhändler und kleine Geschäftsinhaber in Nöte, die schon jetzt massive Umsatzeinbußen zu verzeichnen haben.

Eine der Haupteinnahmequellen der kenianischen Volkswirtschaft kann unter den aktuellen Umständen ebenfalls nicht auf Erholung hoffen. Seit je trägt die Tourismusbranche erheblich zu Kenias ökonomischer Entwicklung bei, doch nach der Gewaltwelle 2007 blieben viele ausländische Besucher aus. Agenturberichten zufolge gab es auch in den ersten zehn Monaten 2012 einen weiteren Rückgang um zwei Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres – und das, obwohl sich die Lage beruhigt hat. An eine Aufschwung des Geschäfts mit vorwiegend ausländischen Urlaubern ist zumindest bis Anfang März kaum zu denken. Es sind weitere zwei Monate, in denen Hotels, Gastronomiebetriebe, Tourenanbieter und andere Geschäftsleute rund um die Branche ihr Personal knapp halten. Ganz egal, ob in der Nachfolge von Amtsinhaber Mwai Kibaki dessen damaliger Herausforderer Raila Odinga (derzeit Premier) oder Uhuru Kenyatta, Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta, neuer Präsident wird – der Kampf um wirtschaftliche Stabilität und Rückgewinnung verlorener Arbeitsplätze wird eine ihrer wichtigsten Herausforderungen sein.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 23. Januar 2013


Zurück zur Kenia-Seite

Zurück zur Homepage