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Countdown im Schwarzen Meer

Moskau besorgt über Anwesenheit eines NATO-Schiffsverbands

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Der Countdown läuft, aber vorerst zählen nur Experten die Tage, die bis zum 15. September verbleiben. Dann nämlich läuft die Frist für den Aufenthalt eines NATO-Schiffsverbandes ab, der seit 23. August im Schwarzen Meer kreuzt.

Kriegsschiffen aus Nichtanliegerstaaten gestatten das 1936 in Kraft getretenen Abkommen von Montreux, die die Durchfahrt durch Bosporus und Dardanellen regelt, maximal drei Wochen Aufenthalt im Schwarzen Meer -- sofern eine Genehmigung der Türkei vorliegt, zu deren Hoheitsgebiet die Meerengen gehören. Eine solche Erlaubnis erteilte die Regierung in Ankara Mitte August -- auf dem Höhepunkt der Kaukasus-Krise. Russische Experten haben inzwischen insgesamt 18 Schiffe gezählt. Auch Deutschland ist an der NATO-Mission mit einer Fregatte beteiligt.

Das Gros der Schiffe patrouilliert gegenwärtig im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres. Moskau fühlt sich dennoch bedroht, und das aus gutem Grund: Offiziell begründete die Militärallianz ihre geballte Präsenz im Pontos Euxeinos -- dem gastfreundlichen Meer, wie die alten Griechen das Gewässer nannten -- mit humanitärer Hilfe für Georgien. Moskau fragt sich jedoch, wieso Weizen nicht mit speziell dafür ausgerüsteten Frachtern, sondern mit Kriegsschiffen transportiert wird. Darunter sind Zerstörer, zu deren Bewaffnung etwa 50 Kurzstreckenraketen des Typs »Tomahawk« gehören. Sie können auch mit Kernsprengköpfen bestückt werden und von See aus Ziele auf dem Festland vernichten. Und neben Weizen haben sie offenbar auch andere Fracht im Bauch.

Präsident Dmitri Medwedjew hatte sich schon am 27. August in einem Interview für den französischen Fernsehkanal TF 1 darüber beklagt, dass in Georgiens Kriegshafen Poti, wo damals noch russische Truppen standen, Frachten gelöscht wurden, die ausschließlich aus Kriegstechnik bestanden. Auch Konstantin Kossatschow, der Vorsitzende des außenpolitischen Duma-Ausschusses, nannte die Anwesenheit des NATO-Schiffsverbandes »unüberlegt«.

Vizegeneralstabschef Anatoli Nogowizyn sprach sogar öffentlich von einer »Stoßformation der NATO-Seekriegsflotte, die ihre wahren Ziele mit einer humanitären Mission tarnt«. Russland, so der Drei-Sterne-General, verfolge alle Bewegungen des Konvois mit großer Aufmerksamkeit und werde auf strikte Einhaltung der Abkommen von Montreux drängen. Worten folgten inzwischen Taten. Seit Ende letzter Woche liegt ein Verband der russischen Schwarzmeerflotte vor Abchasiens Hauptstadt Suchumi auf Reede. Darunter auch das Flaggschiff, der Raketenkreuzer »Moskau«.

Sergej Bagapsch, der Präsident Abchasiens, ließ es sich nicht nehmen, den Konvoi persönlich zu begrüßen. Verhandlungen über die Schaffung von Voraussetzungen für die zeitweilige Stationierung von Teilen der russischen Schwarzmeerflotte in Suchumi, erklärte er dabei, seien bereits im Gange. Ausdrücklich begründete er deren Notwendigkeit mit der Präsenz der NATO-Schiffe.

Noch, sagt der unabhängige Militärexperte Alexander Goltz, sei der Sicherheitsabstand zwischen beiden Gruppierungen groß genug. Je mehr er sich jedoch verringere, desto größer werde die Gefahr, dass selbst ein belangloser Zwischenfall zu unabsehbaren Folgen führt. Zumal beide Gruppierungen in etwas gleich gut bewaffnet sind.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow wirbt daher für ein Waffenembargo gegen Tbilissi. Dies müsse gelten, bis »eine andere Regierung aus Georgien einen normalen Staat macht«. Russland werde seine Bemühungen fortsetzen, damit dieses Regime nie mehr »Böses tun kann«.

* Aus: Neues Deutschland, 4. September 2008

Weitere aktuelle Meldungen

Putin kündigt Reaktion auf Nato-Präsenz im Schwarzen Meer an - MEHR

TASCHKENT, 02. September (RIA Novosti). Russland reagiert auf die Präsenz der Nato-Kriegsschiffe im Schwarzen Meer ohne Hysterie.
„Unsere Reaktion wird ruhig und ohne jede Hysterie ausfallen. Es wird natürlich eine Antwort geben“, sagte der russische Premierminister Wladimir Putin am heutigen Dienstag. Putin gab jedoch nicht bekannt, was genau Russland plant.

Nach der Beendigung der Operation zur Zwangbefriedung Georgiens schickte die Nato mehrere Kriegsschiffe ins Schwarze Meer. Einige davon brachten angeblich humanitäre Hilfsgüter nach Georgien.
„Wenn es um humanitäre Hilfe geht, so soll sie meiner Meinung nach dem Opfer der Aggression, also Südossetien erwiesen werden. In diesem Zusammenhang ist nicht klar, was die US-Schiffe vor Küste Georgiens machen. Außerdem: Warum befördern ausgerechnet Militärschiffe humanitäre Hilfsgüter?“, so Putin.

Russischer Geheimdienst sichtet Nato-Kommandoschiff im Schwarzen Meer

SEWASTOPOL, 03. September (RIA Novosti). Die Nato hat mit der USS Mount Whitney ihre Präsenz im Schwarzen Meer durch ein weiteres Kriegsschiff verstärkt. Russische Geheimdienstler sprechen auch von einem Aufklärungseinsatz der Allianz.

Wie ein Stabmitarbeiter der russischen Schwarzmeerflotte RIA Novosti sagte, passierte das US-Marine am Mittwochnachmittag den Bosporus und die Dardanellen.
„Die Aufgabe der USS Mount Whitney besteht darin, andere Schiffe zu lenken. In der Regel befindet sich das Hauptquartier auf diesem Schiff“, hieß es.

Am Abend des Vortags war die USS Pathfinder im Schwarzen Meer eingetroffen. „Nach einigen Informationen hängt ihre Aufgabe vor allem mit Aufklärungsaktivitäten für die Nato-Schiffe im Schwarzen Meer zusammen“, sagte ein russischer Geheimdienstbeamter RIA Novosti.
Zurzeit befinden sich bereits drei US-Kriegsschiffe im Schwarzen Meer. Drei weitere stammen aus Spanien, Deutschland und Polen.

Beide Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti;
http://de.rian.ru





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