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Katar macht sich unbeliebt

Proteste gegen das Emirat in Tunesien, Ägypten und Libyen

Von Karin Leukefeld *

In Tunesien, Ägypten und Libyen formiert sich Widerstand gegen das Emirat Katar. Vor wenigen Tagen kam es zu Protesten in Tunis, Tripoli und Bengasi, in Kairo gab es das schon Ende April. Anlaß ist die Außenpolitik, mit der der kleine Golfstaat seit zwei Jahren immer aggressiver in die Politik anderer arabischer Staaten eingreift.

In Tunesien begannen die Aktionen gegen Katar in Gafsa, dem Zentrum der wichtigen Phosphatindustrie des Landes. Politische Parteien und Bürgerrechtsgruppen hatten Beobachtern zufolge einen Protest in Solidarität mit Syrien organisiert, Anlaß war der Angriff israelischer Kampfjets auf Ziele bei Damaskus Anfang Mai. Der Protest »gegen den zionistischen Angriff« auf Syrien schlug um in zornige Parolen gegen Katar, Fahnen des Golfstaates wurden verbrannt.

Vorwurf des Verrats

Scheich Hamid bin Khalife Al-Thani, dem Emir von Katar, wird vorgeworfen, die arabischen Staaten, Kultur und Geschichte »für israelische und internationale imperialistische Interessen« zu verraten, so die Demonstranten. Der Emir bediene sich für seine Einflußnahme religiöser Parteien der Muslimbruderschaft, die er finanziere. Die Muslimbruderschaft hat seit dem Beginn des »Arabischen Frühlings« immer mehr an Macht gewonnen. Die kleine Halbinsel am Golf versucht offensichtlich, mit Geld und medialem Einfluß über den Satellitensender Al-Dschasira die Geschicke der arabischen Welt zu lenken. In Tunesien will Katar sechs Milliarden US-Dollar in Raffinerien, in die Phosphatindustrie, in Tourismusanlagen und Wohnanlagen investieren. Außerdem kauft sich Katar in die staatliche Stromversorgung Tunesiens ein. Ein tunesisch-katarisches Investmentforum soll Entwicklungsprojekte im tunesischen Hinterland fördern.

Ähnlich wie in Gafsa brannten auch in Tripolis und Bengasi die Fahnen von Katar. In Bengasi wurde eine Stoffpuppe verbrannt, die den Emir von Katar darstellte. Die rund 500 Demonstranten warfen Katar vor, islamistische Milizen und Salafisten in Libyen zu finanzieren, die mit ihrer Belagerung von Regierungseinrichtungen in der vergangenen Woche den Sturz der neuen libyschen Regierung erzwingen wollten. Einige Demonstranten forderten, daß Katar keine Grundstücksrechte in Libyen erwerben sollte. Katar hatte (nach Angabe des Präsidenten des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Jalil) den Aufstand gegen Muammar Al-Ghaddafi mit mehr als zwei Milliarden US-Dollar unterstützt.

Komplize des Westens

Vor wenigen Wochen erst brannte die katarische Fahne auch in Kairo, als Demonstranten vor der Botschaft Katars demonstrierten. Auch hier warf man dem Golfstaat Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ägyptens vor, der Emir mache mit Israel und den USA gemeinsame Sache. Katar hat Ägypten Investitionen in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2018 sowie die Lieferung von Gas zugesagt. Im April wurde der Betrag um weitere drei Milliarden US-Dollar erhöht.

Kritisiert wird in arabischen Staaten auch die Dominanz Katars in der Arabischen Liga. Das Bündnis aus 22 Staaten, das 1949 ursprünglich gegründet worden war, um die Rechte der Palästinenser gegenüber Israel zu erstreiten, glänzte nie durch aktive regionale Politik. Seit dem Sturz der Präsidenten von Tunesien und Ägypten Anfang 2011, nutzte Katar die Schockstarre der Liga, um – im Bündnis mit den USA und Europa – den eigenen Einflußbereich in der arabischen Welt auszuweiten. Unter Katars Führung wurde die Mitgliedschaft von Libyen und Syrien ausgesetzt, der Angriff der NATO auf Libyen gebilligt und zuletzt wurden ausdrücklich auch Waffenlieferungen an die Aufständischen in Syrien abgesegnet.

Nun hat Doha einen neuen Vorstoß für den israelisch-palästinensischen Friedensprozeß auf der Basis des arabischen Vorschlages »Land für Frieden« gestartet. Grundlage der neuen Initiative ist ein Vorschlag der USA, wonach die palästinensische Forderung nach einem eigenen Staat in den Grenzen von 1967 – vor dem israelischen Eroberungskrieg – »verändert« werden soll. »Frieden zwischen den Palästinensern und den Israelis« sei »eine strategische Wahl für die arabischen Staaten«, sagte der katarische Ministerpräsident Scheich Hamad bin Jassim Al-Thani Ende April nach einem Gespräch mit US-Außenminister John Kerry. Ein »Landtausch« zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde sollte aber erwogen werden, »um den Realitäten gerecht zu werden«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 15. Mai 2013


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