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Der Emir dankt ab

Der Herrscher von Katar will die Macht an seinen Sohn übergeben

Von Karin Leukefeld *

Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Kalifa Al-Thani, plant offenbar seinen Rückzug aus der aktiven Politik. Sein Nachfolger soll Kronprinz Tamim bin Hamad Al-Thani werden, der bereits 2003 zu seinem Stellvertreter ernannt worden war. Es wäre das erste Mal, daß ein Machtwechsel in Katar nicht durch einen Putsch vollzogen würde.

Die libanesische Tageszeitung Safir berichtete Anfang der Woche unter Berufung auf anonyme diplomatische Quellen in Paris, daß sich der Machtwechsel voraussichtlich nach dem kommenden Fastenmonat Ramadan, ab Mitte August, schrittweise vollziehen werde. Das Königshaus in Doha habe »seine französischen Partner bereits im Februar darüber informiert«. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, daß westliche Staaten den politischen Wechsel in Katar unterstützten. Als Grund für den Rückzug des Emirs werden gesundheitliche Probleme genannt. Schon vor vier Jahren habe Scheich Hamad gegenüber französischen Diplomaten davon gesprochen, daß er die Macht an seinen Sohn Tamim übergeben wolle, berichtet der französische Reporter des Figaro, George Malbrunot, in seinem kürzlich erschienenen Buch »Katar: Die Geheimnisse des Geldschranks«.

Mit dem Emir wird auch der amtierende Ministerpräsident und Außenminister, Scheich Hamad bin Dschasim bin Dschabr sein Amt aufgeben, machte der Emir gegenüber seinen Gesprächspartnern klar. Das sei Bedingung für einen gewaltlosen Generationswechsel im katarischen Königshaus, um einen Machtkampf zu vermeiden. Malbrunot berichtet von einem Wortwechsel zwischen dem amtierenden Emir und seinem französischen Gesprächspartner, in dem dieser dem Emir vorhält, daß Scheich Hamad bin Dschasim schließlich jünger als der Emir sei und vielleicht gar nicht zurücktreten wolle. »Hamad tut, was ich ihm sage«, so die Antwort des Emirs. »Er bleibt so lange wie ich und er wird gehen, wenn ich gehe.« Als möglicher Nachfolger von Scheich Hamad bin Dschasim gilt der stellvertretende Ministerpräsident Ahmed Al-Mahmud.

Während der Emir eher als Vermittler von sich reden gemacht hatte, wurde die Politik Katars unter Scheich Hamad bin Dschasim in den letzten zwei Jahren deutlich aggressiver. Der Ministerpräsident und Außenminister setzte 2011 bei der Arabischen Liga den Waffengang gegen das arabische Bruderland Libyen gemeinsam mit der NATO durch. Seit zwei Jahren bewaffnet und finanziert Katar die Aufständischen in Syrien und die dazugehörige oppositionelle Nationale Koalition, die unter dem Einfluß der Muslimbruderschaft steht.

Um Scheich Hamad bin Dschasim den Rückzug zu »versüßen«, dürfte ihm der Vorsitz des üppig ausgestatteten Investitionsfonds Katars erhalten bleiben. Mit dem 200 Milliarden US-Dollar schweren Fonds kauft Katar sich weltweit in einflußreiche Unternehmen ein. In Europa investiert es vor allem in Grundstücke, Hotelketten, Einkaufszentren, Fußballvereine, Forschungseinrichtungen, in die Energie- und die Autoindustrie. Seit Beginn des »Arabischen Frühlings« 2011 engagiert sich Katar massiv in der wirtschaftlichen Infrastruktur der betroffenen Staaten Ägypten und Tunesien.

Kronprinz Tamim ist wie sein Vater in Großbritannien ausgebildet worden, u.a. an der Militärakademie Sandhurst. Er ist stellvertretender Oberkommandierender der katarischen Streitkräfte und seit einem Jahr für die Bewaffnung der Aufständischen in Syrien verantwortlich. Dem streng gläubigen Tamim werden enge Kontakte zu den Islamisten der Muslimbruderschaft nachgesagt. Tamim ist der zweitgeborene Sohn der zweiten Ehefrau des Emirs, Scheichin Mozah bint Nasser Al-Missned. Die selbstbewußte Scheichin hat mit ihrer Katar-Stiftung und der »Stadt der Bildung« das Bildungssystem in dem Golfstaat revolutioniert.

Die Al-Thani-Familie ist in Katar seit der Erklärung der Unabhängigkeit (1971) an der Macht. 1972 übernahm Scheich Khalifa bin Hamad die Macht von seinem Cousin (Emir Ahmed) in einem unblutigen Staatsstreich. 1995 putschte dessen Sohn Scheich Hamad bin Kalilfa Al-Thani, der jetzige Emir, seinen Vater aus dem Amt, als dieser sich zu einem Kuraufenthalt in der Schweiz aufhielt. Ein Jahr später gründete der junge Emir den Nachrichtensender Al-Dschasira, der ihm zu einem konkurrenzlosen Machtinstrument wurde.

* Aus: junge Welt, Freitag, 14. Juni 2013


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