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Ein Emir in Berlin

Staatsoberhaupt von Katar wirbt für enge Wirtschaftsbeziehungen

Von Karin Leukefeld *

Der Emir von Katar befindet sich auf großer Deutschlandreise. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf den Ausbau der bereits eng verflochtenen Wirtschaftskontakte.

Noch vor Kurzem war der kleine Wüstenstaat Katar nur wenigen hierzulande bekannt. Das änderte sich schlagartig, als die Herrscherfamilie des Emirats sich im Sommer 2009 entschloss, Teilhaber beim angeschlagenen Autobauer Porsche zu werden. Seitdem pilgern Journalisten und Politiker zum Winzling am Persisch-Arabischen Golf, der in direkter Nachbarschaft zu Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Iran liegt.

Den Persisch-Arabischen Golf gibt es auf Karten zwar nicht, doch als es vor einigen Jahren zu einem Disput zwischen dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und dem Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalife Al-Thani darüber kam, ob der Golf »Arabisch« oder »Persisch« genannt werden sollte, machte der Emir einen Vermittlungsvorschlag und taufte ihn »Persisch-Arabischer Golf«. Der Emir ist als Vermittler geschätzt, ob beim iranischen Atomprogramm, im Libanon, Jemen, Sudan oder im Nahostkonflikt - kürzlich lobte ihn der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Musa, für seinen Einsatz für Frieden und Verständigung.

In Deutschland interessiert man sich mehr für die wirtschaftliche Seite. Ende 2009 erhielt die Deutsche Bahn einen Auftrag über ein Schienennetz für den Personen- und Güterverkehr in Katar im Wert von 17 Milliarden Euro. DB spekuliert nun auf weitere Aufträge auf der Arabischen Halbinsel. Der aus sechs arabischen Staaten bestehende Golfkooperationsrat plant ein länderübergreifendes Bahnsystem mit einem möglichen Kostenvolumen von 100 Milliarden US-Dollar für Gleise, Bahnhöfe und Zubringerstraßen.

Baukonzern Bilfinger Berger gehört schon seit Jahren zu den größten Akteuren auf dem boomenden Baumarkt in Katar, Hochtief ist ebenfalls aktiv und Siemens hat bereits mit Umspannwerken Millionen verdient. Aktuell modernisiert Siemens das größte Stahlwerk der Qatar Steel Company und hofft auf den Zuschlag für die Lieferung von Zügen und Waggons. Katar fördert auch Innovation und Forschung in Bildung, Technologie und Wissenschaft.

Nach dem Einstieg bei Porsche im Sommer 2009 wäre im Frühjahr 2010 vermutlich auch VW auf die Liste gekommen, wenn nicht die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull den Besuch des Emirs verhindert hätte. Der wird seit Mittwoch nachgeholt. Bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte der Emir die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung, lobte die Firmen, die in Katar das Schienennetz bauen und riet Israel, sich um »mehr Weisheit zu bemühen« und die Bildung eines palästinensischen Staates zuzulassen, um Sicherheit und Frieden in der Region zu erreichen.

Am Nachmittag (des 29. Sep.) traf sich der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, mit dem Emir im Roten Rathaus, um über die Kooperation im Gesundheitssektor (Vivantes) und im Wasser- und Energiebereich zu reden. Auch die kulturelle Zusammenarbeit der Islamischen Museen in Berlin und Doha stand auf der Tagesordnung.

* Aus: Neues Deutschland, 30. September 2010


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