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Stimmungstest

In Kambodscha wird am Sonntag über die Regionalvertretungen abgestimmt. Opposition will punkten

Von Thomas Berger *

Kambodschas oppositionelle Nationale Rettungspartei (CNRP) will am Freitag 20000 Demonstranten auf die Straßen der Hauptstadt Phnom Penh bringen – zum Abschluß des Wahlkampfes für die zwei Tage später landesweit stattfindenden Regionalwahlen. Bei den nationalen Parlamentswahlen im vergangenen Juli hatte die CNRP unter ihrem Chef Sam Rainsy, einem früheren Finanzminister, zwar die Zahl ihrer Mandate um 26 auf 55 steigern können. Die regierende Kambodschanische Volkspartei (CPP) von Premierminister Hun Sen gewann aber trotz herber Stimmenverluste mit 68 Mandaten erneut die Mehrheit. Ein Ergebnis, das die Opposition nicht anerkannte und immer wieder bei Protestaktionen mit angeblichen Wahlmanipulationen in Verbindung brachte.

Die anstehenden Regionalwahlen sind nun ein weiterer wichtiger Stimmungstest. Die CPP, als Kambodschanische Revolutionäre Volkspartei seit der Befreiung von der Diktatur der Roten Khmer mit vietnamesischer Hilfe seit 1979 quasi ununterbrochen regierend, hat auf öffentliche Auftritte weitgehend verzichtet. So sicher fühlt sie sich, wieder eine deutliche Mehrheit einzufahren. Die CPP-Schilder, entweder nur mit dem Parteinamen in Khmer und Englisch oder großformatig die Köpfe ihrer drei führenden Vertreter präsentierend, sind landesweit vielleicht an jeder dritten Straßenecke zu finden. Nur vereinzelt fallen hingegen die Symbole der anderen politischen Gruppierungen auf. Während die royalistische Funcinpec, einst wichtigster Gegenspieler, längst zu einem unbedeutenden Anhängsel der großen Regierungspartei verkommen ist, steht die CNRP als einzige ernstzunehmende Herausforderin.

Sam Rainsy, sein Vize Kem Sokha und andere führende Oppositionelle kritisieren zwar die gewaltsame Niederschlagung von Arbeiterprotesten mit Toten und Verletzten durch die Polizei und legen auch sonst den Finger auf so manche Wunde eines Staates, dessen wirtschaftliches Wachstum nur wenigen zugute kommt und mit einem weiteren Anstieg der Korruption einhergeht. Allerdings hat die Partei eine noch deutlicher neoliberal geprägte Agenda als die CPP. Zudem sind bei den Wahlkampfauftritten der CNRP-Führer auch immer wieder rassistische Töne zu vernehmen, wenn beispielsweise vor unkontrollierter Einwanderung aus dem benachbarten Vietnam gewarnt wird – und das mit traditionellen Schimpfworten. Antivietnamesische Tendenzen sind für Kambodscha keineswegs neu: Sowohl das Regime des US-freundlichen Premiers Lon Nol Anfang der 70er Jahre als auch die Roten Khmer, die nach dessen Sturz die Macht ergriffen, hatten den Haß auf die Nachbarn politisch hoffähig gemacht. Daß nur mit Unterstützung der vietnamesischen Armee dem Massenmord der Roten Khmer am eigenen Volk ein Ende gemacht werden konnte, brachte zwar später Entspannung. Wenn jetzt die CNRP aber wieder diese nationalistische Karte ausspielt, bietet das Grund zu Besorgnis.

Übermäßig scharfe Angriffe auf die regierende CPP bei zahlreichen Oppositionsveranstaltungen verstoßen zudem gegen die geltenden Vorschriften der nationalen Wahlkommission. Dazu von Reportern befragt, reagierte deren Chef jedoch zurückhaltend. Seine Behörde werde erst bei konkreten Beschwerden tätig, die waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen. Eine Besonderheit bei den Regionalwahlen ist, daß nicht die Bürger, sondern gut 11000 Abgeordnete aus den Kommunen über die Kandidaten auf Distrikt- und Provinzebene abstimmen. Geht es nach den vollmundigen Ankündigungen der CNRP, würden dabei etliche CPP-Vertreter auf ihre Seite wechseln, was die Regierungsseite im Brustton der Überzeugung zurückwies. 843 Vertreter der politischen Parteien sollen am Sonntag den ordnungsgemäßen Verlauf der Abstimmung kontrollieren helfen, außerdem werden 159 akkreditierte Wahlbeobachter von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen im Einsatz sein.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 14. Mai 2014


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