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Tempelstreit höchstrichterlich entschieden

Auch Umfeld des Heiligtums von Preah Vihear Kambodscha zugesprochen. Thailand will Urteil akzeptieren

Von Thomas Berger *

Der seit langem anhaltende Grenzstreit zwischen Thailand und Kambodscha um den rund 900 Jahre alten Hindu-Tempel Preah Vihear im Grenzgebiet der beiden südostasiatischen Staaten ist zumindest offiziell weitgehend beigelegt. Das Urteil, das der Internationale Gerichtshof in der vorgebrachten Streitfrage am Montag in Den Haag verkündete, spricht den größten Teil der umstrittenen Fläche von 4,6 Quadratkilometern Kambodscha zu. Doch auch die thailändische Delegation, die in gewissen Details ihre Sichtweise durchsetzen konnte, zeigte sich mit dem Richterspruch zufrieden. Nachdem der Tempelkonflikt das Verhältnis längere Zeit belastet hatte, kann in den bilateralen Beziehungen nun ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Sowohl die thailändische Regierung unter Premierministerin Yingluck Shinawatra, durch massive Straßenproteste gerade innenpolitisch mächtig unter Druck, als auch die kambodschanische Seite unter Ministerpräsident Hun Sen kündigten an, nun zusammenarbeiten zu wollen.

Genau eine solche Kooperation, um das von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestufte Heiligtum aus der Blütezeit des Khmer-Königreiches vom 10. bis 12. Jahrhundert zu schützen und als Touristenattraktion zu entwickeln, hat auch der Internationale Gerichtshof angeregt. In der Kernfrage wurde die frühere Entscheidung aus dem Jahr 1962 bestätigt, als bereits der unmittelbare Tempelkomplex eindeutig Kambodscha zugesprochen worden war. Der genaue Grenzverlauf im Umfeld blieb allerdings umstritten, so daß Kambodscha – nachdem sich beide Seiten bei einer Eskalation sogar Gefechte geliefert hatten – 2011 erneut den IGH anrief und um Interpretation, also Klarstellung des damaligen Urteils ersuchte. Dies ist nun erfolgt: Auch das komplette Vorgebirge des auf einem Höhenrücken befindlichen Tempels liegt demzufolge auf kambodschanischem Territorium, die natürlichen Geländeabfälle sind als Grenzlinien benannt. Thailand wurde aufgefordert, sämtliche dort stationierten Soldaten, Polizisten und Wachleute auf eigenes Gebiet zurückzuziehen.

Eine Entscheidung zum kambodschanischen Anspruch auf einen benachbarten Hügel, der in der Khmer-Sprache Phnom Trap genannt wird, traf der IGH unter seinem Präsidenten Peter Tomka allerdings nicht. Phnom Trap gehöre jedoch nicht zum Vorgebirge um Preah Vihear, heißt es – was Thailand als Sieg für sich verbucht. Die Tempelfrage ist damit höchstrichterlich ohne jede Möglichkeit einer Berufung entschieden, und zumindest die offizielle Politik in Bangkok wie in Phnom Penh scheint fest gewillt, sich daran zu halten. Radikale Nationalisten in Thailand allerdings werden nicht so schnell verstummen – sie stellen bis heute das Urteil von 1962 in Frage und sprechen dem IGH sogar die Kompetenz ab, in dem Konflikt verbindliche Entscheidungen zu treffen. Drei nationalistische Gruppierungen, die auch an den aktuellen Straßenprotesten in Bangkok beteiligt sind, hatten bereits vor dem Urteil am Montag angekündigt, dieses ungeachtet seines Inhalts nicht anzuerkennen. Sie ließen Premierministerin Yingluck und Armeechef Prayuth Chan-Ocha Aufrufe zukommen, »thailändischen Boden zu verteidigen«.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 14. November 2013


Den Haag entschied im Streit um Preah Vihear

Kambodscha sieht sich als Sieger im Tempelkrieg **

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat den langen Streit um den Tempel Preah Vihear und dessen Umgebung an der Grenze zwischen Kambodscha und Thailand entschieden.

Den Haag. Der seit Jahrzehnten heftig umstrittene Bezirk um den Tempel Preah Vihear wurde Kambodscha zuerkannt. Thailand müsse seine Soldaten und Polizeikräfte aus der Region abziehen, urteilten die höchsten UN-Richter am Montag in Den Haag. Sie präzisierten damit ein früheres Urteil aus dem Jahre 1962.

Damals bereits war der Hindutempel aus dem 11. Jahrhundert Kambodscha zugesprochen worden, was Thailand widerwillig anerkannt hatte. Als die UNESCO das Bauwerk 2008 in die Liste des Weltkulturerbes aufnahm, flammte der Streit jedoch erneut auf. Dabei ging es um ein von beiden Staaten beanspruchtes 4,6 Quadratkilometer großes Gebiet, das unmittelbar an den Preah-Vihear-Tempel angrenzt. Das Heiligtum liegt auf einem 525 Meter hohen Felshügel, der von Kambodscha aus schwer zugänglich ist. Ohne das umstrittene Gebiet wäre es schwierig, den Tempel wie geplant als Touristenattraktion auszubauen, argumentierte die kambodschanische Seite.

Mehrfach heizten thailändische Nationalisten den Streit an. 2011 wurden bei gewaltsamen Zusammenstößen rund um den Tempel 18 Soldaten und Zivilisten getötet, Tausende Anwohner flohen. Danach verlangte Kambodscha vom IGH eine Klärung des genauen Grenzverlaufs. Beide Seiten hatten Soldaten in dem Gebiet stationiert und Bunker gebaut. Unmittelbar vor dem Urteilsspruch der Richter in Den Haag wuchs unter den Anwohnern auf beiden Seiten die Furcht vor neuerlichen Scharmützeln. Noch am Sonnabend hatte Kambodscha gegen Aufklärungsflüge der thailändischen Luftwaffe protestiert.

Das UN-Gericht stellte nun fest, dass Kambodscha die Souveränität über das gesamte Vorgebirge des Tempels habe. Thailand müsse den ungehinderten Zugang zu dem Tempel sicherstellen. Beide Seiten seien verpflichtet, den Konflikt friedlich zu lösen, erklärte der Vorsitzende Richter Peter Tomka. »Kambodscha und Thailand müssen kooperieren, um das kulturelle Erbe zu schützen.«

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 12. November 2013


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