Kambodschas wendiger Tragöde
König-Vater Norodom Sihanouk verstarb 89-jährig in Peking
Von Detlef D. Pries *
Zwei Wochen vor Vollendung seines
90. Lebensjahres starb am Montag in
Peking der ehemalige kambodschanische
König Norodom Sihanouk nach
einer Herzattacke. Er war ein halbes
Jahrhundert lang eine schillernde Figur
auf der politischen Weltbühne.
Erst in der vergangenen Woche zitierte
die Anklage des internationalen
Kambodscha-Tribunals bei
Phnom Penh aus Protokollen von
Sitzungen des Führungszirkels um
Pol Pot, unter dessen Herrschaft
zwischen 1975 und 1979 rund
zwei Millionen Menschen ums Leben
kamen. Norodom Sihanouk
hatte dem Regime zunächst als
formelles Staatsoberhaupt gedient,
war aber 1976 für die wahren
Herrscher zum nutzlosen »Tiger
ohne Krallen und Zähne« geworden.
Sie sperrten ihn in seinen Palast,
isolierten ihn von der Außenwelt
und ließen ihn erst wieder
frei, als sie selbst im Januar 1979
von vietnamesischen Truppen in
die Flucht geschlagen wurden. Es
gehört zu den zahlreichen verwirrenden
Wendungen in Sihanouks
Lebenslauf, dass er sich prompt
wieder mit den Polpotisten verbündete
und damit die Tragödie
des Khmer-Volkes um einen zehnjährigen
Bürgerkrieg verlängerte.
Er selbst sah sich freilich im konsequenten
Kampf für Kambodschas
Unabhängigkeit und territoriale
Unversehrtheit.
1941, im Alter von 18 Jahren,
von der französischen Kolonialmacht
unter Umgehung der regulären
Thronfolge zum König erhoben,
war der junge Sihanouk
durchaus nicht die Marionette, auf
die seine Paten gesetzt hatten.
Fintenreich und beharrlich führte
er seinen »Kreuzzug für die Unabhängigkeit
«, den er 1954 erfolgreich
abschloss. Im Jahr darauf
überließ er seinem Vater den
Thron, blieb jedoch als Gründer
einer »Sozialistischen Volksgemeinschaft
« faktisch Alleinherrscher,
zunächst als Regierungs-,
später als Staatschef ohne Krone.
Er gehörte zu den Gründungsvätern
der Bewegung der Paktfreien
und steuerte außenpolitisch einen
windungsreichen Neutralitätskurs,
um seinem Land die Verwicklung
in den Indochinakrieg der USA zu
ersparen. Doch 1970 wurde er mit
Rückendeckung der USA von seinem
eigenen Ministerpräsidenten
Lon Nol gestürzt.
Aus dem Pekinger Exil rief Sihanouk
sein Volk auf, sich dem
bewaffneten Widerstand gegen die
Verräter anzuschließen. Einzige
straff organisierte Widerstandskraft
waren indes seine radikalmaoistischen
Gegner, die er einst
als »Rote Khmer« in den Dschungel
getrieben hatte. 1975 übernahmen
sie die Macht und verwandelten
Kambodscha in ein
einziges Zwangsarbeitslager.
Nach Tyrannei, Bürgerkrieg
und Pariser Friedensabkommen
1991 bestieg Sihanouk 1993 erneut
den Thron, fand seinen politischen
Meister jedoch im heutigen
Ministerpräsidenten Hun Sen, der
inzwischen ähnlich selbstherrlich
regiert wie Sihanouk in seiner
»goldenen Ära«, den 60er Jahren.
Von zahlreichen Krankheiten
heimgesucht, dankte der König
2004 zugunsten seines Sohnes
Norodom Sihamoni ab und widmete
sich fortan der »Aufarbeitung
« seines Erbes als Politiker,
Choreograf, Filmregisseur, Komponist
und Wohltäter seines Volkes.
Vom eingangs erwähnten
Kambodscha-Tribunal hielt er gar
nichts. Nicht nur, dass er sich weigerte,
als Zeuge vor Gericht auszusagen.
Schon 2005 schrieb er, statt
Millionen für das »famose Tribunal
« auszugeben, sollte man den
armen Nachkommen der Opfer
besser fruchtbares Land geben
und Bewässerungssysteme bauen.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 16. Oktober 2012
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