In Phnom Penh wächst die Armut wieder
Kambodscha ist von der Krise hart getroffen – die Wirtschaft hängt von der Textilindustrie ab
Von Michael Lenz, Phnom Penh *
Jüngsten Prognosen der Weltbank zufolge trifft die Wirtschaftskrise die Entwicklungsländer
besonders schwer. Ein Beispiel ist Kambodscha. Seit dem Ende des Bürgerkriegs vor gut zehn
Jahren konnte das südostasiatische Königreich ein rasantes Wirtschaftswachstum verzeichnen.
Obwohl die Wohlstandsschere weit auseinanderklafft, sank durch das Wirtschaftswachstum auch die
Armut.
Mit dieser Entwicklung ist bis auf weiteres Schluss. Neuesten Zahlen der Weltbank zufolge wird
Kambodschas Wirtschaft in diesem Jahr zum ersten Mal in der Nachkriegszeit schrumpfen. Kambodschas
Wirtschaft ruht auf nur vier Säulen und drei davon sind direkt von der weltweiten
Wirtschaftskrise betroffen: die Textilindustrie, der Tourismus und die damit eng verbundene
Baubranche. Lediglich die Landwirtschaft ist von der Krise noch weitgehend unberührt.
Regelrecht dramatisch ist der Einbruch in der Textilindustrie. In den Fabriken in Phnom Penh lassen
alle großen internationalen Modeunternehmen von Levis bis Adidas ihre teuren Textilien
zusammennähen. 80 Prozent der kambodschanischen Textilexporte wurden bisher in die USA
verkauft, 20 Prozent in die EU. Die Konsumenten aber sparen als erstes an Modeartikeln. Im Januar
ist der Wert der Textilexporte um mehr als zwei Drittel auf 70 Millionen Dollar gesunken im Vergleich
zu 250 Millionen im Januar 2008.
Die Folge sind Fabrikschließungen und Entlassungen. Nach Gewerkschaftsangaben haben bereits
51 000 Kambodschaner ihre Jobs verloren. Für die meisten Arbeiter heißt das: zurück aufs Land,
ohne Aussicht auf einen Job. Durch den Ausfall der Überweisungen der Textilarbeiter droht Phnom
Penh wieder wachsende Armut.
Mau sieht es auch im Tourismus aus: Das Wachstum von mehr als 20 Prozent pro Jahr ist auf fünf
Prozent runtergebremst. Ein Rückgang von je drei Prozent aber kostet laut Regierungsangaben 10
000 Jobs. Von jeder Stelle in der Tourismusbranche aber leben drei Menschen.
Die Erfolge der Armutsbekämpfung in Kambodscha sind zudem ungleich verteilt. In der Hauptstadt
Phnom Penh beträgt sie nach Expertenschätzungen nur noch ein Prozent, während sie in
abgelegenen ländlichen Regionen bei erschreckenden 45 Prozent liegt. 2007 lebten etwa fünf
Millionen oder 35 Prozent der Kambodschaner unter der nationalen Armutsgrenze, davon 90
Prozent auf dem Lande.
An guten Vorschlägen, wie Kambodscha die Krise meistern könnte, mangelt es nicht. Die Weltbank
empfiehlt Investitionen in die Infrastruktur wie Straßenbau, Gesundheitswesen, Elektrifizierung der
ländlichen Regionen und Bildung. Ein Konjunkturpaket hat Kambodschas Regierung jedoch bisher
noch nicht angekündigt. Mehr als zwei Drittel der Staatseinnahmen (Budget 2009: 1,9 Milliarden
Dollar) stammen aus Steuern, davon der größte Teil aus Einfuhrabgaben. Aber ein großes Problem
bleibt die grassierende Korruption. Das unabhängige »Economic Institute of Cambodia« schätzt den
Verlust von Steuereinnahmen durch Korruption auf bis zu 400 Millionen Dollar – jährlich.
* Aus: Neues Deutschland, 17. März 2009
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