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Kambodscha feiert:

Vor 30 Jahren wurde Pol Pot gestürzt. Dank an Vietnam

Von Thomas Berger, Phnom Penh *

Vor 30 Jahren wurde die Schreckensherrschaft gestürzt, die die »Roten Khmer« 1975 in Kambodscha errichtet hatten. Am gestrigen Mittwoch feierte das Land dieses Ereignis. In der Hauptstadt Phnom Penh gedachten etwa 40 000 Menschen im Olympia-Stadion den - geschätzt - zwischen 1,4 und 2,2 Millionen Regimeopfern, wobei als Todesursache je zur Hälfte von Exekutionen sowie von Nahrungsmangel und Krankheiten ausgegangen wird.

Bei der zentralen Feier in der Hauptstadt erinnerten sowohl Parlamentspräsident Chea Sim, der zugleich Vorsitzender der regierenden Kambodschanischen Volkspartei (CPP) ist, als auch Premierminister Hun Sen in Ansprachen insbesondere daran, daß der Terror, mit dem die Diktatur das Land überzogen hatte, am 7. Januar 1979 mit vietnamesischer Hilfe beendet wurde.

Am 25. Dezember 1978 unterstützten Truppen des wiedervereinigten, nunmehr sozialistischen Vietnam nach von den Roten Khmer initiierten Grenzzwischenfällen die kambodschanische »Einheitsfront für nationale Rettung« unter Führung von Heng Samrin. Ohne Hilfe Vietnams wäre es kaum möglich gewesen, schon anderthalb Wochen danach die von Pol Pot angeführten Roten Khmer in den Untergrund zu drängen und den andauernden Genozid zu stoppen. Pol Pot und seine Spitzenleute zogen sich mit ein paar verbliebenen Truppen in die Dschungelgebiete nahe der thailändischen Grenze zurück und führten noch bis in die frühen Neunziger Krieg gegen die Republik. »Dank des Sieges besteht Kambodscha fort, das Volk hat überlebt und entwickelt sich weiter«, sagte nun Chea Sim. Der Sieg vom 7. Januar 1979 habe ein »schwarzes Kapitel in der Geschichte Kambodschas« beendet. Soldaten und Pfadfinder salutierten in der Mitte des Stadions von Phnom Penh vor einer Statue mit dem Symbol der CPP. Weiß gekleidete Menschen bildeten eine stilisierte Friedenstaube.

Derzeit wird in Kambodscha ein Tribunal vorbereitet, mit dem der Genozid aufgearbeitet werden soll. Womöglich im Herbst könnte der erste Prozeß starten - vermutlich wird es der gegen Kaing Guek Eav alias Duch sein, den damaligen Chef des Sondergefängnisses S-21 von Phnom Penh. Dort waren mehr als 17 000 Häftlinge - meist Systemgegner, Bürgerliche, Monarchisten und Kommunisten - erst gefoltert und später bis auf wenige Ausnahmen ermordet wurden. Wann genau die Verhandlung beginnt, ist aber unklar.

* junge Welt, 8. Januar 2009

Das späte Tribunal

Von Detlef D. Pries **

Vor 30 Jahren endete eines der schrecklichsten Kapitel in der Geschichte des Khmer-Volkes: die Gewaltherrschaft Pol Pots und seiner »Angkar«. Ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung war in den Jahren seit 1975 an Erschöpfung und Krankheit zugrunde gegangen, zu Tode gefoltert oder erschlagen worden. Als Vietnams Truppen am 7. Januar 1979 die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh einnahmen, . sollte das Morden ein Ende haben. Doch die Politik im Westen brandmarkte die Befreier als Besatzer - es waren schließlich Kommunisten. Deshalb auch erfreuten sich die angeblich »roten« Khmer (Pol Pot hatte in seiner Studentenzeit Stalin gelesen, weil ihm Marx zu hoch war) westlichen Wohlwollens, als sie Kambodscha ein weiteres Jahrzehnt Bürgerkrieg aufzwangen. Erst schmerzliche Kompromisse mit den Resten der Pol-Pot-Truppen brachten dem Land Frieden, rund zwei Jahrzehnte nach dem 7. Januar 1979. Nur zu verständlich, dass sich Kambodschas Regierung angesichts solcher Erfahrung standhaft weigerte, die endlich möglich gewordenen Prozesse gegen Hauptschuldige des Verbrechensregimes allein einer »internationalen Gemeinschaft« zu überantworten, die so tief in dessen Geschichte verstrickt war. Ergebnis zäher Verhandlungen ist jenes gemischte Tribunal, das jetzt vor den Toren Phnom Penhs Recht sprechen soll. Wahr ist: Das geschieht reichlich spät. Den geringsten Teil der Schuld daran trägt jedoch Kambodschas heutige Regierung.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Januar 2009 (Kommentar)




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