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Jemen und das große Schweigen

Über den Krieg auf der arabischen Halbinsel

Von Emran Feroz *

Vor mehr als zwei Wochen begann der Angriff auf dem Jemen. Seitdem hat das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis mehr als 650 Menschen getötet, unter ihnen zahlreiche Zivilisten. Mittlerweile spricht die WHO von mehr als 2.200 Verletzten und 600.000 Vertriebenen. Empörung gibt es jedoch keine. Stattdessen wird auf allen Seiten geschwiegen – oder gerechtfertigt.

Maher Hammoud, ein sunnitischer Geistlicher aus dem Libanon, meinte einmal, dass es ganz einfach sei, die arabischen Staaten zu ermutigen, Israel anzugreifen. Man müsse nur behaupten, dass Israel schiitisch sei. In Anbetracht der gegenwärtigen Umstände hatte er damit wohl nicht ganz Unrecht. In den letzten Tagen wurden zahlreiche Menschen im Jemen von saudischen Bomben ermordet, sowohl Schulen als auch Krankenhäuser wurden bombardiert. Doch wer nach Protestzügen mit Slogans wie »Kindermörder Saudi-Arabien« gesucht hat, war fehl am Platz.

Im letzten Sommer wurde der Gaza-Streifen wieder einmal von Israel bombardiert. Mehr als 2.200 Palästinenser wurden dabei getötet. Dass die israelische Armee vor Schule und Krankenhäusern nicht Halt gemacht hat, ist mittlerweile eine erwiesene Tatsache, die auch von der UN als Kriegsverbrechen aufgelistet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt gingen viele Menschen, vor allem Muslime, auf die Straße und drückten ihre Solidarität aus – zu Recht.

Obwohl zum gegenwärtigen Zeitpunkt die reichsten arabischen Staaten den ärmsten regelmäßig bombardieren, sind die Straßen leer, frei von Demonstrationen und Protesten. Dass nun derartig geschwiegen und toleriert wird, kann und darf nicht sein. Es drückt ein zutiefst heuchlerisches Verhalten aus, welches eine Täter-Opfer-Selektion deutlich macht.

Selbiges gilt, wieder einmal, für die politischen Würdenträger des Westens, die den Angriffskrieg aufgrund Ihrer eigenen Interessen voll und ganz unterstützen. Dass Saudi-Arabien und die anderen beteiligten Staaten zu den engsten Freunden Berlins, Washingtons und Londons zählen, ist kein Zufall. Auch mit deutschen Waffen wird im Jemen getötet.

Währenddessen leisten westliche Medien ganze Arbeit, indem sie den gesamten Konflikt lediglich aus konfessioneller Sicht betrachten. Da Schiiten, dort Sunniten. Das war's. So einfach ist es aber nicht. Im Gegensatz zu vielen anderen islamischen Staaten ist die schiitische Minderheit Jemens eng mit der sunnitischen Mehrheit des Landes verbunden. Man betet zusammen, es gibt viele Mischehen und so weiter. Nun wird jedoch versucht, das Land an diesen Linien auseinanderzureißen. Daran beteiligt ist nicht nur Saudi-Arabien, wo extremistische Kleriker Schiiten regelmäßig zum Schuss freigeben, sondern auch der Iran, der seit Jahren versucht, seine Macht in Nahost auszuweiten. Im Endeffekt geht es beiden weder um Sunniten noch um Schiiten. Es ist das übliche Spiel um die Macht.

Dieser geopolitische Faktor wird nur allzu gern übersehen, wie bei den meisten Konflikten im Nahen Osten. Es ist eben einfacher, das Bild jener Muslime, die sich immer noch aufgrund der Prophetennachfolge gegenseitig abschlachten, aufrechtzuerhalten. Jene, die nun schweigen oder dieses Spiel mitspielen, machen sich selbst keinen Gefallen – und am wenigsten den Menschen im Jemen, die nun, in Mitten von US-Drohnen-Terror und extremistischen Selbstmordattentaten, auch der arabischen Bombenallianz ausgeliefert sind.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 15. April 2015


Rückendeckung für Riad

Roland Etzel zum UN-Waffenembargo gegen die Huthi-Rebellen **

Die jemenitischen Huthi-Rebellen haben im UN-Sicherheitsrat keinerlei Unterstützung erhalten. Frieden und im weiteren ein politischer Interessenausgleich auf der Arabischen Halbinsel sind damit keinen Schritt näher gerückt.

Die jemenitischen Huthi-Rebellen haben im UN-Sicherheitsrat keinerlei Unterstützung erhalten. Ihre Hoffnung auf ein chinesisches oder russisches Veto gegen den saudischen Resolutionsentwurf erfüllte sich nicht. Enthaltung war hier gleichbedeutend mit Zustimmung. Es gelten also ein Waffenembargo und weitere Sanktionen allein gegen die Huthis.

Frieden und im weiteren ein politischer Interessenausgleich auf der Arabischen Halbinsel sind damit keinen Schritt näher gerückt. Das bombende Saudi-Arabien sieht nicht nur seine rigiden ordnungspolitischen Vorstellungen für die Region von der UNO gerechtfertigt, sondern jetzt auch die kriegerischen Mittel, diese in die Tat umzusetzen. Die Skulptur des verknoteten Pistolenlaufes vor dem UN-Hauptgebäude - auf die Entscheidung der abstimmenden Diplomaten, wenigstens auf eine Feuerpause zu insistieren, hatte sie offenbar keinen wirkmächtigen Einfluss.

Moskau durfte sich gestern in Lübeck für seine Stimmenthaltung im Sicherheitsrat über ein dickes Steinmeiersches Lob für seine »konstruktive Haltung« freuen. Ähnliches gab es auch im März 2011. Damals hatte Russland im Rat den Beschluss zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen passieren lassen. Das Ende ist bekannt - und auch, dass Moskau später einräumte, einen Fehler begangen zu haben.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 16. April 2015 (Kommentar)


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