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Obamas Ostermorde

Etwa 40 Tote bei US-Drohnenangriffen im Jemen

Von Knut Mellenthin *

Bei US-amerikanischen Drohnenangriffen auf Ziele im Jemen wurden über Ostern nach unterschiedlichen Angaben etwa 40 Menschen getötet. Unter den Todesopfern waren mindestens drei, möglicherweise sogar fünf unbeteiligte Personen. Die US-Regierung verweigert wie üblich jede Erklärung zu Zweck und Folgen der Angriffe. Nicht einmal deren Stattfinden wurde offiziell bestätigt oder bestritten.

Ziel der Angriffe am Sonnabend war nach übereinstimmenden Berichten des jemenitischen Regimes und mehrerer Zeugen ein Kleinlaster, auf dem sich bewaffnete Rebellen – angeblich »mutmaßliche Al-Qaida-Leute« – befunden haben sollen. Etwa 15 oder 16 von ihnen wurden getötet. Die Operation, bei der mehrere schwere Hellfire-Raketen abgeschossen wurden, zog auch zwei in der Nähe befindliche Fahrzeuge in Mitleidenschaft. Dabei sollen mindestens drei unbeteiligte Arbeiter ums Leben gekommen sein. Schauplatz war die Provinz Schabwa im Süden des Landes.

Am Sonntag attackierten die USA mit mehreren Drohnen ein angebliches Ausbildungslager von Rebellen, die vom jemenitischen Regime gleichfalls Al-Qaida zugeordnet wurden. Augenzeugen berichten, daß ungefähr 25 Leichen aus den Trümmern geborgen worden seien. Ein örtlicher Stammeschef sagte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP sogar, daß 30 Menschen ums Leben gekommen seien.

In einer Stellungnahme des jemenitischen Verteidigungsministeriums hieß es am Montag, daß der Militärschlag vom Vortag, der in einem etwa 450 Kilometer südlich der Hauptstadt Sanaa gelegenen gebirgigen Gebiet stattfand, »massiv und beispiellos« gewesen sei. Die Rebellen seien dabei gewesen, »Angriffe gegen jemenitische und ausländische Interessen in der Region vorzubereiten«. Der Drohnenangriff sei Teil einer größeren Operation gegen »hochrangige Al-Qaida-Ziele« gewesen, an der auch jemenitische Spezialeinheiten beteiligt seien.

Es war in diesem Jahr bereits mindestens das achte und neunte Mal, daß die US-Regierung bewaffnete Drohnen für Mordaktionen im Jemen einsetzte. Im Dezember 2013 waren beim »versehentlichen« Angriff unbemannter US-amerikanischer Flugkörper auf eine Hochzeitsgesellschaft im Jemen zahlreiche Menschen getötet worden.

* Aus: junge Welt, Dienstag 22. April 2014


Gewohnheitslügner

Tote durch US-Drohnen im Jemen

Von Knut Mellenthin **


Wie oft hat die US-Regierung in den letzten zehn Jahren Ziele in Pakistan, Afghanistan, im Jemen, in Somalia und einigen weiteren Ländern mit bewaffneten Drohnen angreifen lassen? Mindestens 500-, wahrscheinlich sogar über 600mal. Diese Zahlen wurden von verschiedenen Gruppen aufgrund eigener Recherchen ermittelt. Die US-Regierung hüllt sich, was diese Frage angeht, in absolutes Schweigen. Sie äußert sich weder zu Gründen noch zu Folgen einzelner Einsätze, bestätigt nicht einmal deren Stattfinden.

Wie viele Menschen wurden bei diesen Angriffen getötet? Von der US-Regierung ist darüber keine Auskunft zu bekommen. Unabhängige Beobachter schätzen die Zahl der Todesopfer allein durch die völkerrechtswidrigen Militärschläge gegen Ziele in Pakistan auf 2300 bis 3700. Unter den getöteten Pakistanis waren diesen Untersuchungen zufolge zwischen 416 und 957 »Zivilisten«. Mindestens 168 von ihnen, vielleicht sogar über 200, waren Kinder.

Wenn US-Präsident Barack Obama ausnahmsweise zu diesem Thema das Wort ergreift – in seiner gesamten bisherigen Amtszeit nur zwei-, höchstens dreimal –, dann nicht etwa, um über Tatsachen zu reden und Informationen zu geben, sondern nur um die Öffentlichkeit zu täuschen. Am 23. Mai 2013 versprach Obama in der National Defense University neue, sehr viel striktere Richtlinien für die Durchführung bewaffneter Drohneneinsätze. Angegriffen werden dürften überhaupt nur Personen, die eine große direkte Gefahr für die USA darstellen, und selbst das nur, wenn keine andere Abhilfe möglich sei. Außerdem müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gefährdung unbeteiligter Personen ausgeschlossen sein.

Da die US-Regierung grundsätzlich keine Informationen über ihre Drohneneinsätze preisgibt, ist es von vornherein absolut unmöglich, Obamas Worte zu diesem Thema sachlich zu überprüfen. Das wenige, was sich wirklich beweisen läßt, stellt ihn jedoch als Lügner bloß. Über die Ostertage ließ der US-Präsident im Jemen bis zu 40 Menschen töten. Es ist zu bezweifeln, daß auch nur ein einziger von ihnen eine große und direkte Gefahr für die USA darstellte. Im Gegenteil dürfte das für die 40 Opfer – überwiegend Stammesrebellen, die noch nie im Leben ihre Heimatregion verlassen hatten – ganz sicher nicht gegolten haben. Beim Angriff der Drohnen mit Hellfire-Raketen auf einen mit Rebellen besetzten LKW wurde außerdem in Kauf genommen, daß sich ganz in der Nähe weitere Fahrzeuge mit Unbeteiligten auf der Straße befanden. Mindestens drei, vermutlich sogar fünf von ihnen wurden getötet.

Im Dezember 2013 massakrierten Hellfire-Raketen der USA eine jemenitische Hochzeitsgesellschaft, es gab nur wenige Überlebende. Daß die Feiernden sich in einem Autokonvoi bewegten, reichte in Verbindung mit nicht überprüften falschen Informationen offenbar für den Mordbefehl aus. Lehren scheint Obama daraus nicht ziehen zu wollen.

* Aus: junge Welt, Dienstag 22. April 2014


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