Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die "Schahed" auf heikler Mission

Iranisches Schiff mit Hilfsgütern nach Jemen unterwegs / Friedensgespräche einberufen

Von Oliver Eberhardt, Kairo *

Die Vereinten Nationen haben die Konfliktparteien in Jemen zu Friedensgesprächen nach Genf eingeladen. Denn mittlerweile droht auch eine Konflikteskalation zwischen Iran und Saudi-Arabien.

Die »Schahed« verschwand am Mittwoch kurz vor Mittag. Das iranische Schiff, das in diesen Tagen unter dem Namen »Nedschad« (Rettung) unterwegs ist, war gerade südlich der südjemenitischen Stadt Aden lokalisiert worden, als es von den Karten der Schiffsverfolgungsdienste im Internet verschwand. Wahrscheinlich habe der Kapitän die Ortungssysteme ausgeschaltet, vermutet man beim Schiffsversicherer Lloyd’s. Dort beobachtet man in diesen Tagen den Kurs des Frachters sehr genau. Denn er wird von zwei iranischen Kriegsschiffen begleitet, will an diesem Donnerstag in den nordjemenitischen Hafen Hodeida einlaufen. Eine Provokation aus Sicht der Regierung Saudi-Arabiens, die Iran vorwirft, die schiitischen Huthi-Milizen in Jemen zu unterstützen. Eine militärische Konfrontation im Bab el-Mandeb, der 27 Kilometer breiten Meerenge, die den Golf von Aden mit dem Roten Meer verbindet und damit wirtschaftlich eines der sensibelsten Gebiete der Welt ist, könnte auch zivile Schiffe treffen.

Und so laufen die Bemühungen um einen Frieden in Jemen auf Hochtouren: Am Freitag wird der mauretanische UNO-Chefunterhändler Ismail Ould Cheikh in Iran erwartet; für den 28. Mai hat UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon zu Friedensgesprächen nach Genf geladen. Doch ob sich die Saudis mit den Huthis an einen Tisch setzen werden, ist unklar.

2500 Tonnen Lebensmittel und medizinische Güter hat das Schiff der offiziellen iranischen Version zufolge an Bord. Außerdem seien 15 Journalisten und und drei Friedensaktivisten aus Europa und den USA mit auf der Reise, sagt Marzieh Afkham, Sprecherin des iranischen Außenministeriums. Und stellt noch einmal klar, was in diesen Tagen in Teheran von allen Quellen immer wieder gesagt wird: »Wenn unser Schiff angegriffen wird, dann werden wir das weder militärisch noch diplomatisch akzeptieren.« Die Kriegsschiffe hätten die Aufgabe, Angriffe abzuwehren; darüber hinaus werde man, »falls der Westen nicht auf Saudi-Arabien einwirkt«, auch »internationale Abkommen« in Frage stellen. Saudi-Arabiens Verteidigungsministerium gibt sich derweil davon überzeugt, dass sich an Bord auch Waffen und Geld für die Huthi-Milizen befinden. Die USA, die die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz in Jemen logistisch unterstützen, versuchten deshalb am Mittwoch, Teheran dazu zu bewegen, einer Inspektion des Schiffes im Hafen von Dschibuti zuzustimmen.

Doch Saudi-Arabiens Regierung stellte umgehend klar, das Schiff dürfe trotzdem nicht in Jemen festmachen. Dort sieht man dies als Betonung des iranischen Anspruchs auf Einfluss in Jemen. In Iran wiederum lehnte man das Ansinnen ab, weil man es als Einknicken gegenüber Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten wertet. »Saudi-Arabien und die USA haben kein Recht, zu bestimmen, welche Schiffe in Jemen festmachen dürfen«, sagt Alaedin Burudscherdi, Vorsitzender des Außen- und Sicherheitsausschusses des iranischen Parlaments.

Wie viele andere iranische Politiker betont er in diesen Tagen immer wieder, bald werde der iranische Einfluss »von Libanon bis an den indischen Ozean« reichen. Die Huthi-Milizen, offiziell Ansarallah genannt, seien die jemenitische Hisbollah, heißt es in den Medien, wobei die Nähe zwischen beiden Organisationen vor allem daraus abgeleitet wird, dass beide schiitisch sind. Wie groß der iranische Einfluss auf die Huthis tatsächlich ist, ist unklar. Funktionäre der Organisation betonen immer wieder, es gebe maßgebliche Unterschiede zwischen ihren Vorstellungen für Jemen und dem iranischen Regierungs- und Wertesystem.

Dass Iran nun das Schiff mit allen Mitteln in Jemen festmachen lassen will, liege vor allem an der Öffentlichkeit im Land, sagt ein iranischer Journalist in Kairo. Man müsse zeigen, dass Iran Macht habe, um den Nukleardeal mit dem Westen zu rechtfertigen, der von vielen Konservativen als Niederlage aufgefasst wird.

Der Machtkampf sorgt mittlerweile auch in Ägypten für Unmut, das Saudi-Arabien eigentlich unterstützt: Mehr als ein Jemen unter iranischem Einfluss befürchtet man, dass die Meerenge blockiert wird - denn der Suez-Kanal ist von der freien Durchfahrt dort abhängig. Und Ägypten braucht diese Einnahmen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 21. Mai 2015


Zurück zur Jemen-Seite (Beiträge ab 2014)

Zur Jemen-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Iran-Seite

Zur Iran-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage