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Bomben auf Sanaa

Saudi-Arabien fliegt Luftangriffe auf den Jemen. Ziel ist Unterstützung der von Aufständischen bedrängten Regierung. Logistische Unterstützung durch die USA *

Saudi-Arabien hat in der Nacht im Jemen Stellungen der schiitischen Ansarollah-Rebellen attackiert, die in westlichen Medien meist als Huthi bezeichnet werden. Der saudische Botschafter in Washington, Adel Al-Dschabir, sagte am Mittwoch abend (Ortszeit) vor Journalisten, Kampfjets würden Stellungen der Aufständischen bombardieren. Es seien Ziele in der Hauptstadt Sanaa und an anderen Orten des Landes angegriffen worden, so der Diplomat. Ziele sollen nach Informationen des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira der Präsidentenpalast sowie die Hauptquartiere von Polizei und Spezialkräften gewesen sein.

Unterstützt wird Riad offenbar durch die USA. Washington gewähre logistische und geheimdienstliche Unterstützung. US-Truppen seien aber nicht direkt in die Militäroperation involviert, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates in Washington, Bernadette Meehan. Die USA bauten eine gemeinsame Planungsstelle mit Saudi-Arabien auf, um ihre Unterstützung zu koordinieren.

Der Angriff unter dem Titel »Sturm der Entschlossenheit« sei auf Bitten des jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi erfolgt, berichtete die saudische Nachrichtenagentur SPA. Die jemenitische Nachrichtenseite Al-Masdar Online berichtet, die Angriffe hätten um Mitternacht (Ortszeit) begonnen. Nach Angaben von SPA beteiligten sich neben Saudi-Arabien auch die Golfstaaten Bahrain, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) am den Attacken. Al-Dschabir hatte zuvor in Washington von einer Koalition aus mehr als zehn Nationen gesprochen.

Der Militäreinsatz erfolge auf Bitten der legitimen Regierung Jemens, sagte der Botschafter. Ziel der Operation sei deren Schutz vor einer Übernahme des Landes durch die Huthi-Rebellen. Zuvor hatte der von den Ansarollah in der südjemenitischen Hafenstadt Aden bedrängte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi das Ausland dringend um ein militärisches Eingreifen aufgefordert. Er wird neben Saudi-Arabien auch von anderen sunnitischen Monarchien der Region unterstützt, die Aufständischen genießen dagegen zumindest die Sympathie des schiitischen Iran. Nach einem Bericht des Senders Al-Arabija hat Saudi-Arabien 100 Kampfflugzeuge und 150.000 Soldaten für die Offensive im Jemen abgestellt.

Ein Sprecher der Aufständischen bezeichnete die Angriffe als Kriegserklärung. Damit könne sich der Konflikt im Jemen zu einem Regionalkrieg auswachsen, warnte der Sprecher in Al-Dschasira. Ein Journalist der Yemen Post sagte dem Sender, Bomben seien überall in Sanaa gefallen. Die Menschen hätten panisch reagiert. Der den Aufständischen nahestehende Sender Al-Massira berichtete, es gebe Dutzende Opfer in Wohngebieten. Der Fernsehkanal rief medizinisches Personal auf, sich sofort in den Krankenhäusern der Stadt zu melden. Der englischsprachige iranische Fernsehsender Press TV sprach von mindestens 13 getöteten Zivilisten, unter ihnen Frauen und Kinder. Es werde befürchtet, dass diese Zahl noch steigen werde. Der staatliche iranische Rundfunk IRIB meldete, die Rebellen hätten zwei saudische Kampfjets abgeschossen.

Ali Abbas Al-Ahmed, Direktor des in Washington beheimateten Institute for Gulf Affairs, erklärte in Press TV, Saudi-Arabien wolle verhindern, dass es seinen Einfluss im Jemen verliere. Riad könne sich aber grob verrechnet haben, warnte er am Donnerstag morgen, denn die Kämpfer der Ansarollah-Milizen seien heute besser trainiert und ausgerüstet als 2009, als saudische Truppen schon einmal gegen diese eingegriffen hätten. Er rechne damit, dass Kämpfer der Ansarollah als Reaktion in den nächsten Tagen auf saudisches Staatsgebiet vordringen könnten, um die Kontrolle über dessen Südwesten zu übernehmen. Zudem kritisierte der Experte die »naive« Politik der USA in dem arabischen Land. Sie hätten ihre politische Linie gegenüber dem Jemen den Vorgaben aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten unterworfen.

Die schiitischen Rebellen beherrschen seit Monaten große Teile des Nordjemens sowie die Hauptstadt Sanaa. In den vergangenen Tagen drangen sie auch in den Süden des Landes vor. Am Mittwoch hatten sie sich bis auf 20 Kilometer an die Großstadt Aden im Südjemen herangekämpft, wohin Hadi geflüchtet war.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. März 2015


Jemen vor Machtwechsel

Ansarollah-Kämpfer rücken auf Aden vor. Saudi-Arabien fährt schweres Militärgerät auf

Von Christian Selz **


Die schiitischen Ansarollah-Rebellen sind am Mittwoch bis auf die im Süden des Landes gelegene Hafenstadt Aden vorgerückt und stehen kurz davor, die Kontrolle über das Land zu übernehmen. Kampfflugzeuge griffen Medienberichten zufolge den Palast von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi an. Ob dieser sich überhaupt noch im Land befand, war der Nachrichtenagentur dpa zufolge unklar. Meldungen, der Regierungschef sei ins Ausland geflohen, wiesen Sicherheitskräfte dem Nachrichtenportal Aden Al-Ghad zufolge am Mittwoch zurück.

Viel Spielraum dürfte der bereits im Februar aus der Hauptstadt Sanaa geflohene Staatschef allerdings nicht mehr haben. Die Rebellen, die vor allem im Norden des Landes großen Rückhalt genießen, nahmen am Mittwoch lokalen Quellen zufolge auch eine vom US-Militär genutzte Luftwaffenbasis kurz vor Aden ein. Die USA hatten ihre Soldaten erst vor vier Tagen vom Stützpunkt Al-Anad abgezogen, von dem sie zuvor ihre Drohnen-Attacken gestartet hatten.

Nach eigenen Angaben griffen die Rebellen auch den jemenitischen Verteidigungsminister auf. Mahmud Al-Subaihi sei festgenommen worden, als er mit Milizionären gegen die Aufständischen vorging, hieß es. Eine unabhängige Bestätigung gab es zunächst nicht. Unterstützung erhalten die Ansarollah lokalen Quellen zufolge von Soldaten, die dem ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Salih gegenüber loyal geblieben seien.

Saudi-Arabien hat derweil einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge schweres Militärgerät an der Grenze zum Jemen aufgefahren. Der Aufmarsch, so berichtet das Medium mit Verweis auf »US-Regierungskreise«, könne »sowohl offensiven als auch defensiven Zielen dienen«. Luftangriffe des saudischen Militärs gegen den Jemen seien demnach »zur Unterstützung« Hadis »denkbar«. Hadi, ein Statthalter der USA und des saudischen Königshauses, rief am Mittwoch bereits den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, einer Militärintervention im Jemen zuzustimmen.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. März 2015


Krieg im Jemen: Saudi-Arabien startet Militäroffensive

Luftangriffe auf Stellungen der Huthi-Miliz / Militärbündnis aus zehn Staaten beteiligen sich an Einsatz / Iran verurteilt Gewaltlösung ***

Update 10.30 Uhr: Der Iran hat das militärische Eingreifen Saudi-Arabiens im Jemen verurteilt. »Diese Angriffe sind nicht nur eine Verletzung der territorialen Integrität des Jemens, sondern auch eine sehr gefährliche Entwicklung«, erklärte die iranische Außenamtssprecherin Marsieh Afcham am Donnerstag in einer Mitteilung. Die Angriffe würden die Optionen für eine friedliche Lösung des Konflikts blockieren und sollten daher umgehend gestoppt werden, forderte die Sprecherin. Der Iran hat sich in dem Konflikt neutral gezeigt und für eine friedliche Lösung plädiert, soll aber die schiitischen Huthi-Rebellen unterstützen.

Krieg im Jemen: Saudi-Arabien startet Militäroffensive

Saudi-Arabien und mehrere Verbündete der Region haben militärisch in den Konflikt im Jemen eingegriffen. Nach Angaben des jemenitischen Militärs sowie Augenzeugen zufolge bombardierten saudiarabische Kampfflugzeuge in der Nacht zum Donnerstag Stellungen der Huthi-Miliz in der Hauptstadt Sanaa. Die Golfstaaten reagierten mit ihrem Einsatz nach eigenen Angaben auf ein Hilfsgesuch des jemenitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi.

Verkündet wurde der Militäreinsatz vom saudiarabischen Botschafter in den USA, Adel al-Dschubeir. Dieser sagte am Mittwoch (Ortszeit) in Washington, der Militäreinsatz habe begonnen und diene dazu, die »legitime Regierung« des Jemen zu verteidigen und zu unterstützen. Es müsse verhindert werden, dass die schiitische Huthi-Miliz das Land einnehme. Derzeit beschränke sich die Mission auf Luftangriffe, weitere militärische Kräfte würden aber mobilisiert, sagte der Diplomat.

Al-Dschubeir sprach von einer »Koalition von mehr als zehn Ländern«, die sich an dem Einsatz beteiligten oder dies planten. Washington erklärte, die USA leisteten der Militärallianz logistische und geheimdienstliche

Hilfe.

Zumindest sind außer Oman alle Staaten des Golfkooperationsrats an der Mission beteiligt. Das erklärten Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate in der Nacht zum Donnerstag. Sie hätten sich dazu entschlossen, auf die Bitte von Hadi zu reagieren, »den Jemen und sein Volk vor der Aggression der Huthi-Miliz zu beschützen«, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Mit den Luftangriffen begann die saudiarabische königliche Luftwaffe direkt in der Nacht: Angegriffen wurden nach Angaben des jemenitischen Militärs sowie Augenzeugen zufolge unter anderem eine Luftwaffenbasis und der angrenzende internationale Flughafen im Norden der Hauptstadt Sanaa sowie der dortige Präsidentenpalast, wo ein Feuer ausbrach. Den Komplex hatten die Rebellen im Januar erobert, Hadi floh deshalb in den Süden.

Ein saudiarabischer Regierungsberater erklärte, die Luftwaffe habe die Luftverteidigung der Huthi-Rebellen außer Gefecht gesetzt und zahlreiche Kampfflugzeuge im Besitz der Miliz zerstört. Der »Großteil des jemenitischen Luftraums« sei unter Kontrolle gebracht worden. Nun werde eine »breite Flugverbotszone« eingerichtet.

Ein AFP-Reporter berichtete von lauten Explosionen in Sanaa. Im Süden des Landes hörten Anwohner Explosionen beim Luftstützpunkt Al-Anad, der am Mittwoch von den Rebellen eingenommen worden war. Der von den Aufständischen kontrollierte TV-Sender Al-Massira setzte einen dringlichen Appell ab und forderte sämtliche Ärzte in Sanaa dazu auf, sich in die Krankenhäuser zu begeben.

Der Konflikt zwischen der Regierung und den Huthi-Rebellen hatte sich in den vergangenen Wochen dramatisch zugespitzt. So rückten die Rebellen zuletzt immer weiter auf Aden vor. Dorthin war Präsident Hadi Anfang des Jahres vor den Huthi-Rebellen geflohen. Seit Mittwoch ist sein genauer Aufenthaltsort ungewiss.

Die Rebellen werden mutmaßlich vom Iran sowie von Anhängern des früheren Präsidenten Ali Abdallah Saleh unterstütztz. Die Regierung von Hadi erhält Unterstützung von Riad. Die Krise im Jemen drohte damit zuletzt mehr und mehr, zu einem Stellvertreterkonflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien zu werden.

*** Aus: neues deutschland (online), Donnerstag, 26. März 2015


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