Spannungen in Jemen nehmen zu
Proteste gegen Regierungspolitik
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Wie arabische Medien übereinstimmend berichten, ist es bei Demonstrationen in der ehemaligen
südjemenitischen Hauptstadt Aden dieser Tage zu heftigen Auseinandersetzungen mit
Sicherheitskräften gekommen. Anlass der Demonstrationen: Vor 15 Jahren endete ein blutiger
Bürgerkrieg, der Jemen vier Jahre nach Zusammenschluss von Süden und Norden im Jahr 1990
erschüttert hatte.
Von Feierlaune ist Aden nichts zu spüren. Landesweit hatte die in Sanaa sitzende Regierung
offizielle Demonstration vorbereitet, um die »Wiedervereinigung Jemens« zu feiern. In Südjemen
stieß das nicht auf Begeisterung: Oppositionskräfte, unter denen der Ruf nach einer erneuten
Loslösung Südjemens vom Norden immer lauter wird, hatten mit ihrer Demonstration der Opfer des
Bürgerkrieges gedenken wollen. Militär kontrollierte die Zugänge zur Stadt Aden, Sicherheitskräfte
sollten nach Angaben der »Yemen Times« oppositionelle Kundgebungen verhindern.
Im Vorfeld des
Jahrestages war es zu einer Verhaftungswelle unter Oppositionsanhängern gekommen,
jemenitische Quellen sprechen von bis zu 500 Festnahmen.
Gleichwohl waren Demonstranten in großer Zahl in Aden und Vororten auf die Straße gegangen, um
gegen die Regierungspolitik zu protestieren; manche Beobachter sprechen von hunderten
Demonstranten, andere von tausenden. Jemenitische Quellen berichten von Straßenblockaden und
brennenden Autoreifen. Die Polizei, die mit Tränengas gegen die Demonstranten vorging, sei mit
Steinen beworfen worden. Mindestens zwei Personen sollen getötet worden sein, viele Personen
seien verletzt, darunter auch Polizisten. Offiziell wurden weder Tote noch Verletzte bestätigt.
Die Unruhen in Aden und den umliegenden Provinzen dauern seit April an, die Protestierer werfen
der Regierung vor, den Süden wirtschaftlich zu vernachlässigen und politisch auszugrenzen. Das
Welternährungsprogramm (WFP) hat jetzt erneut auf die dramatische Ernährungslage in Jemen
hingewiesen, wo 1,6 Millionen Menschen auf Nahrungshilfe angewiesen sind. Mehr als jeder dritte
Einwohner sei »chronisch unterernährt«, sagte WFP-Vertreter Gian Carlo Cirri, der die internationale
Gemeinschaft aufforderte, dem WFP mehr Gelder zur Verfügung zu stellen.
Oppositionsführern wird von den obersten Strafverfolgungsbehörden »Separatismus«, das Schüren
religiösen Hasses und der Aufruf zum Gesetzesbruch vorgeworfen. Die jemenitische Organisation
für die Verteidigung von Rechten und demokratischen Freiheiten führt seit Monaten wöchentliche
Sitzstreiks vor dem Regierungsgebäude in Sanaa durch und fordert, Gefangene, die seit Jahren
ohne Anklage festgehalten werden, frei zu lassen. Willkürliche Razzien und Festnahmen durch
Regierungstruppen müssten aufhören, so die Gruppe, die eng mit der Organisation der Angehörigen
der Gefangenen zusammenarbeitet.
Zugleich geht die Regierung in Sanaa verstärkt gegen den Stamm der Huthi vor, die dem
schiitischen Islam folgen. Vor wenigen Tagen wurden zehn inhaftierte Huthis, die im Nordosten an
der Grenze zu Saudi-Arabien in der Provinz Saada leben, zum Tode verurteilt. Weitere zwölf
Angeklagte erhielten Haftstrafen bis zu 15 Jahren; insgesamt laufen derzeit Verfahren gegen 190
Angehörige und Anhänger des Stammes. Hintergrund waren Kämpfe zwischen den Huthis und
Regierungstruppen im Juli 2008, die durch Vermittlung des Emirats Katar beendet wurden. Die
Regierung in Sanaa hatte sich zu einer Amnestie bereit erklärt.
Mit dem harten Urteil versuche Sanaa, neuen Druck gegen die Huthis aufzubauen, erklärte der
politische Sprecher des Stammes, Scheich Saleh Habra, gegenüber der »Yemen Times«. Man frage
sich, warum es noch immer rund 1200 Gefangene gibt, von denen viele nichts mit den Huthis zu tun
hätten. Man habe den Eindruck, dass die Regierung sich auf einen neuen Krieg gegen die Huthis
vorbereitet und »an Frieden und Sicherheit im Land« nicht interessiert sei.
Die Auseinandersetzungen zwischen Huthis und der Regierung eskalierten, nachdem 2004 der
Führer der Gruppe, Hussein Badreddin al-Huthi, von Regierungstruppen getötet worden war. Die
Gruppe fordert mehr autonome und religiöse Rechte, die ihnen 1962 von der Regierung aberkannt
worden sind. Mit der jüngsten Entführung von sechs Ausländern, darunter fünf Deutschen, habe der
Stamm aber nichts zu tun, ließ man jetzt wissen. Die Regierung wirft den Huthis vor, die Geiseln seit
fast einem Monat festzuhalten. Das Schicksal der fünfköpfigen Familie aus Sachsen und eines
britischen Ingenieurs ist derweil weiter unklar. Es werde weiter nach den Verschleppten gesucht,
sagte der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh am Sonnabend in der Hauptstadt Sanaa. Drei
Ausländerinnen, darunter zwei Deutsche, waren kurz nach der Entführung tot aufgefunden worden.
* Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2009
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