Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Saleh muß gehen

Jemen: Präsident tritt gegen Zusicherung von Straffreiheit den Rückzug an

Von Karin Leukefeld *

Nach 33 Jahren wird der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh zurücktreten. Am Mittwoch (23. Nov.) unterzeichnete Saleh in der saudischen Hauptstadt Riad eine von den USA, der Freundesgruppe Jemen und dem Golfkooperationsrat ausgehandelte Rücktrittserklärung. Die Vereinbarung sieht vor, daß Saleh innerhalb von 30 Tagen die Macht an seinen Stellvertreter Abdrabbo Man­sur Al-Hadi abgibt. Unter der Aufsicht des UNO-Sonderbeauftragten für den Jemen, Jamal Benomar, wird dann ein »Fahrplan« in Kraft treten, der die Bildung einer Übergangsregierung mit der Opposition vorsieht, die innerhalb von 90 Tagen Präsidentschaftswahlen vorbereiten soll. Die Regierung der nationalen Einheit soll in den nächsten zwei Jahren einen nationalen Dialog organisieren und eine neue Verfassung vorbereiten.

Im Gegenzug für seinen Rückzug wird Saleh und seiner Familie Straffreiheit zugesagt. Nichts von ihrem Besitz muß die Herrscherfamilie aufgeben. Saleh gilt als korrupt und wird von den Jemeniten für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. In Anwesenheit des saudischen Königs gab Saleh in einer Fernsehansprache zu, daß der monatelange Konflikt die »nationale Einheit« des Jemen zerbrochen habe. Das ganze Land sei zerstört, und der Wiederaufbau werde Jahre dauern, so Saleh weiter. Schuld daran sei allerdings die Revolution oppositioneller Kräfte, die Saleh als »Verschwörung« und einen »Skandal« bezeichnete. Seit Februar hatten im Jemen Massendemonstrationen gegen Saleh stattgefunden.

Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Deals gingen in verschiedenen jemenitischen Städten erneut Tausende auf die Straße. In der Hauptstadt Sanaa feierten viele Demonstranten das Abkommen, andere riefen »Wir werden bleiben, wir werden bleiben«, bis Saleh tatsächlich zurückgetreten sei. Sowohl in Sanaa als auch in der südjemenitischen Stadt Taiz protestierten große Menschenmengen gegen das Abkommen. Einige forderten, Saleh vor Gericht zu stellen, andere forderten mit eindeutigen Gesten statt der vereinbarten Straffreiheit für Saleh und seine Familie deren Hinrichtung. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP wurden in Sanaa mindestens fünf Demonstranten von regierungstreuen Soldaten erschossen, 34 Menschen wurden verletzt.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich in New York optimistisch über die Vereinbarung. Er werde »die notwendigen Ressourcen für die Unterstützung mobilisieren«, damit im Jemen »Frieden, Stabilität und Demokratie« wieder hergestellt werde, so Ban.

Nichts davon hat es bisher im Jemen gegeben. Die wirtschaftliche Lage ist desolat, das Land gilt als »das Armenhaus der arabischen Welt«. Täglich kommen neue, afrikanische Arme hinzu, auf der Flucht vor Hungersnot und Kriegen am Horn von Afrika. Allein im September registrierte die UNO-Flüchtlingsorganisation 12000 afrikanische Flüchtlinge.

Obwohl die schlechte wirtschaftliche Lage im Jemen, die durch große Wassernot noch verschärft wird, seit Jahren bekannt ist, haben die USA und europäische Verbündete in den letzten Jahren das Land zu einer Militärfestung ausgebaut. Jemenitische Truppen werden von US-Militärberatern im Kampf gegen eine angebliche Niederlassung von »Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel«« mit Geld und Waffen unterstützt. Der Jemen liegt am Golf von Aden, einer strategisch wichtigen Verbindung zwischen dem Suez-Kanal und dem Roten Meer zum Persisch-Arabischen Golf. Militärstrategisch gehört das Gebiet zum Africa Command (Africom) der US-Streitkräfte und wird von der 6. US-Flotte kontrolliert.

* Aus: junge Welt, 25. November 2011


Zurück zur Jemen-Seite

Zurück zur Homepage